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Die Sängerin Anette von Eichel hatte gerade mal ihr Examen – mit Auszeichnung – an dem Konservatorium in Den Haag im Jahr 2000 abgelegt, als sie dort einen kleinen Lehrauftrag für Ensemblearbeit bekam. Als dann im Jahr 2001 eine Stelle für Jazzgesang an der Kölner Musikhochschule ausgeschrieben wurde bewarb sie sich, mit Erfolg. Im Sommer des vergangenen Jahres äußerte sich Bill Dobbins beim Abschied von seiner Funktion als Leiter der Jazzabteilung, dass mit ihr der Jazzgesang an der Hochschule in guten Händen sei.
Mit zwei Kolleginnen bildet sie nun seit November 2001 Sänger und Sängerinnen in Köln aus. Eine Professorenstelle gibt es in Köln dafür nicht, obwohl Gesang natürlich ein Hauptfach ist. Noch nicht, sagt die Hochschule. In Zukunft sei geplant, im Rahmen von Umstrukturierungen die beiden fehlenden Stellen in der Jazzabteilung für Bass und Gesang zu schaffen. Zehn Studentinnen und Studenten bildet Anette von Eichel zur Zeit aus. Sehr wünschen würde sie sich, wenn es an der Hochschule in Zukunft mehr Durchlässigkeit zwischen den Fachbereichen geben können. In Den Haag hat sie gelernt, wie vorteilhaft dies für Studenten wie Lehrenden sein kann, wenn zum Beispiel eine Sängerin auch ein wenig Einblick in den klassischen Gesang bekommt. Die Stimme sieht sie als ein Instrument an, wobei es zunächst nicht darauf ankommt, in welchem Genre sie sich bewegt. Nicht übersehen werden dürfen allerdings die deutlichen Unterschiede zwischen beiden. So benutzen die Jazzer das Vibrato anders, sind von der Artikulation mehr am Sprechen orientiert und nutzen auch die Resonanz anders. So begrüßt und unterstützt sie die Überlegungen an der Kölner Musikhochschule, Überlegungen hin zu mehr Durchlässigkeit im Sinne eines modularen Aufbaus des Studiums. In Den Haag, wo sie bei Rachel Gold, Jerry van Rooijen und Jeanne Lee studierte, lernte sie vor allem bei Jeanne Lee, dass es darauf ankommt, als Künstlerin den eigenen Weg zu finden. Die Fähigkeit, das eigene Genre zu finden, sich auch über überflüssige Grenzen hinwegzusetzen, zeichnet nach ihrer Überzeugung die guten Künstler aus. So hat sie auch überhaupt keine Bedenken dagegen, heute begabten jungen Leuten zu empfehlen, Jazzgesang zu studieren, um damit eine Möglichkeit zu erreichen, sich professionell künstlerisch auszudrücken. Sie sieht zwar das Problem, dass unter dem Label Jazzgesang viel durchschnittliches musikalisches Können gerade von den großen Firmen auf den Markt gebracht wird. Dabei verweist sie aber darauf, dass Vermarktung und gute musikalische Qualität zwei unterschiedliche Dinge sind, die nicht immer zusammenpassen. Sie bedauert die Grenzen, die in Europa immer noch durch die nationalen Grenzen gesetzt sind. Ihre musikalische Laufbahn begann in Nordhessen in der Schulzeit, wo sie auch erfolgreich bei „Jugend Jazzt“ teilnahm. In Workshops wurde man auf sie aufmerksam. So empfahl ihr zum Beispiel Jiggs Whigham, doch die Musik zum Beruf zu machen. Dem zu folgen, war zunächst nicht ganz einfach. Zunächst musste sie sich im klaren werden, wie sie mit dem Geschichtsstudium umgehen sollte, das sie begonnen hatte. Sie entschied sich für beides, hat dann auch in Den Haag parallel zur Musik das Examen in Geschichte abgelegt. Die Musikhochschule Köln setzte ihre Bewerbung zunächst auf die Warteliste. Sie ging dann nach Den Haag, wo sie für acht Jahre blieb. Das wiederum hat sie vom deutschen Markt entfernt, wie sie heute von Köln aus erlebt, wenn sie versucht, ihre Band in Deutschland zu vermarkten. Auch ein Label oder einen Vertrieb für ihre vor einiger Zeit erschienene erste – immerhin von Hein von de Geijn produzierte – CD zu finden, ist außerordentlich schwer, bisher noch nicht gelungen. Hört man dann in diese CD („Welcome To My World“) herein, erlebt man, dass hier eine außerordentlich begabte, gute Sängerin am Werk ist, eine von denen, die bei den vielen erwähnten mittelmäßigen Vermarktungen zu der Hoffnung Anlass geben, dass Jazzgesang auch in Deutschland einen wichtigen musikalischen Stellenwert hat. Deutlich wird an der Aufnahme ihre besondere Song- und Sprachorientierung. Ganz eigene Akzente setzt sie zum Beispiel mit dem einführenden Titelstück und mit Friedrich Hollaenders „Ich weiß nicht zu wem ich gehöre“. Die CD ist zur Zeit nur über Challenge in den Niederlanden oder über sie selbst zu bekommen. Und das nächste Projekt ist in Arbeit, man darf gespannt sein. In nächster Zeit versucht sie, ihre Defizite auf dem deutschen Markt aufzuarbeiten, bereitet eine Tournee mit ihrem Quartett vor. Wie erfolgreich sie bereits in den Niederlanden ist, zeigt, dass sie im letzten Jahr zum North Sea Festival eingeladen war, und gute Kritiken bekam. So gibt es in Deutschland noch Neues zu entdecken oder besser wieder zu entdecken, hat sie doch ganz am Anfang ihrer Laufbahn nach „Jugend Jazzt“ 1994 einen ersten Preis in einem Wettbewerb an der Hamburger Akademie der Tonkunst gewonnen. Hans-Jürgen von Osterhausen |
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