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2000/10
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Festival Seite 26 |
Am Puls der Zeit Jazz Ost-West vom 31.10. bis 5.11. in Nürnberg Einer war schon vor 34 Jahren dabei: Rolf Kühn. Als das Festival Jazz Ost-West 1966 in Nürnberg aus der Taufe gehoben wurde, gastierte der Klarinettist mit einem Quartett an der Pegnitz, dem auch sein Bruder Joachim Kühn angehörte. Unverändert gilt der programmatische Anspruch: Ein Forum für den zeitgenössischen Jazz zu bieten. Wie ein roter Faden zieht sich diese Idee durch die Jahrzehnte und prägt auch die 18. Ausgabe des internationalen Festivals. Gegenüber den ersten Jahrzehnten zeigen sich dennoch erhebliche Änderungen. Dominierte bis zum Fall des Eisernen Vorhangs die Begegnung mit osteuropäischen Musikern und Entwicklungen quasi ein kulturelles Korrektiv zur Konfrontation des Kalten Krieges so hat sich das Festival nach 1990 allen erdenklichen (Himmels-)Richtungen geöffnet. Schwerpunkte heuer: USA und Deutschland. Der musikalisch einst blühende Osten ist in diesem Jahr vollständig ausgeklammert. Dafür ist mit Jazzpaña 2 (siehe Jazzzeitung 9/2000), dem Nachfolgeprojekt der großartigen ersten Produktion, erstmals die spanische Jazzszene vertreten. Noch ein wenig weiter in den Süden, nach Nordafrika, verweisen die ruhigen, fast sakralen Klänge des tunesischen Oudspielers Anouar Brahem, dessen Trio unter dem Label Jazz meets World eine mystische Tiefe am Rande des weiten Spektrums modernen Jazz hörbar macht. Nachgerade vom entgegengesetzten Ende des philosophisch-kulturellen Backgrounds kommt der fröhlich-anarchische englische Gitarrist Billy Jenkins mit seinem Blues Collective. Jenkins hat mit diesem Programm ein fehlendes Glied zwischen improvisierter Musik, Bluesfeeling und komödiantischer Improvisation gefunden, sehr britisch, mit viel Humor und schwarzer Musik. Von der Ausdehnung nach Süden hoch in den Norden: Schwedens Pianist Esbjörn Svenson steht für eine Generation junger Musiker, denen Grenzen zwischen Jazz, Folklore und Pop wenig bedeuten und die dennoch gehaltvolle, eigenständige Musik hervorbringen, die eindeutig im Jazz verwurzelt ist. Eine Generation zuvor bildeten die melancholisch-klirrenden Klangkaskaden und weiten Räume des norwegischen Gitarristen Terje Rypdal, der im Duo mit dem Pianisten Ketil Bjørnsstad in Nürnberg gastiert, eines der Erfolgsrezepte des damals jungen ECM-Labels. Während die ersten drei Tage mit European Assembly des Nürnberger Schlagzeugers und Bigbandleaders Dejan Terzic, einem Trio mit Christof Lauer, Wolfgang Haffner und Dieter Ilg, dem Michael-Flügel-Quartett und anderen Bands von deutschen Musikern dominiert werden, haben an den Haupttagen Freitag und Samstag Amerikaner das Sagen. Carla Bley stellt 4+4 vor, während der trompetende Überflieger des vergangenen Jahres, Dave Douglas, Charmes of the night sky mit Guy Klusevsec und Mark Feldman einem großen Publikum präsentiert. An beiden Tagen eröffnet The Sun Ra Arkestra unter Marshall Allens Leitung die reichhaltigen Konzertabende, an denen teilweise mehrere Konzerte parallel in verschiedenen Räumen stattfinden. Einen spannenden Überblick über die aktuelle US-Szene bieten gleich mehrere Formationen: Allen voran die Saxophonisten Chris Speed (im Trio) und Abraham Burton (im Quartett), The Schulldogs mit dem Tenoristen George Garzone und das Idris Ackamoor Ensemble. Eine Ausstellung, Internetcafé und ein Jazz-Market erweitern das musikalische Angebot in weitere Dimensionen der schönen, neuen Welt. Am Donnerstag (2. November) wird in der Tafelhalle, neben Meistersingerhalle und Kaufhaus Karstadt wichtigster Spielort für Jazz Ost-West, zum zweiten Mal der Internationale Jazzpreis Nürnberg verliehen. Preisträger ist der junge Hannoveraner Pianist Jens Thomas. Für seine Interpretationen von Ennio Morricones Filmmusikklassiker auf You cant keep a good cowboy down (ACT) wurde er vom Spiegel bis zur alten Tante Süddeutsche mit reichlich Lob überschüttet. Er hats verdient. Michael Scheiner
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