Porträt
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First
Lady der Geige
Das
Regina Carter Quintet auf Tournee
Wenn
Regina Carter mit ihrem Quintett am 26. Oktober in München eintrudelt,
um hier am Abend ihr erstes Konzert unter eigenem Namen zu geben, kehrt
sie an einen Ort zurück, der einmal eine Station ihres Lebens war.
Die Geigerin hatte ihr Lager in den 80ern für einige Jahre an der
Isar aufgeschlagen. Sie versuchte damals dem Schatten einer dramatisch
gescheiterten Beziehung zu entfliehen, und musikalisch war sie auf der
Suche nach Neuland. Ihre Heimatstadt Detroit hatte der Geigerin, die als
Kind in den Gazetten der Motor City als Wunderkind gefeiert wurde, zuletzt
wenig Optionen gelassen. Doch die Münchner Jazz-Szene war auch nicht
gerade ein Zuckerschlecken. Ein Gig hier, ein Gig da. Wer braucht schon
eine Jazz-Fiddlerin. Eine zeitlang glaubte Regina Carter gar, ihre Karriere
gründlich vergeigt zu haben und wollte, von Selbstzweifeln gepeinigt,
mit dem Spielen ganz aufhören. Doch o wundersame Fügung
des Schicksals bei manchen Menschen setzt kurz vor dem Scheitern
die Trotzphase ein. Und die gibt einer Karriere oft den entscheidenden
Schub. Jetzt erst recht. Über den Zwischenstopp Kassel verabschiedete
sich Regina Carter wieder Richtung Heimat. In Detroit konnte sie mit der
etwas fragwürdigen Damen-Kapelle Straight Ahead gleich
ein paar beachtliche Erfolge feiern. Die Ladies wurden sogar zum Jazz-Festival
nach Montreux eingeladen. Richtig los ging es mit dem unaufhaltsamen Aufstieg
der Regina Carter aber erst, als sie ins Jazz-Mekka New York umsiedelte.
Nach einigen Anlaufschwierigkeiten hagelte es plötzlich Jobs. Sie
wurde Mitglied des New York String Trios (mit James Emery und John Lindberg),
konnte sich über Engagements bei Antonio Hart, Mark Helias, Kenny
Barron, Steve Turré, Cassandra Wilson, Rodney Jones, Max Roach,
Tom Harrell und sogar Wynton Marsalis freuen, der ihr bei seinem Pulitzer-Preis-gekrönten
Werk Blood On The Fields eine viel beachtete Rolle zugedachte.
Auch Popstars heuerten die klitzekleine Violinistin an: Aretha Franklin
etwa, Lauryn Hill oder John Cale, der sie für ein einziges Stück
und eine Mördergage zu einem Konzert nach Irland einfliegen ließ.
Nicht nur als Sidewoman konnte sie Erfolge feiern: Regina
Carter angelte sich, wie ihr Halbbruder, der Saxophonist James Carter,
einen Major-Deal bei Atlantic. Gleich ihre erste Veröffentlichung
unter eigenem Namen wurde ein Verkaufsschlager in Jazz-Dimensionen
gerechnet. Auch das Folgealbum ging ziemlich häufig über die
Ladentheken. Für ihr drittes Werk wechselte Regina Carter dann zu
Verve. Gerade veröffentlichte sie mit Motor City Moments
ihren Viertling bei der kürzlich kräftig umstrukturierten Renommierfirma.
Die CD ist eine Hommage an ihre Heimatstadt Detroit.
Auf ihren eigenen Alben zeigt sich Regina Carter als vielseitige
aber doch eher konservative Geigerin, die zwischen der dirtyness eines
Stuff Smith und der süßen Süffisanz eines Stephane Grappelli
schwelgt und dabei durchaus ihren eigenen Stil entwickelt hat. Der lässt
sich bereits nach ein paar Takten problemlos heraus hören. Den Wiedererkennungswert
ihres Spiels und zahlreiche weitere Attribute attestieren ihr übrigens
auch die Kritiker. Zum wiederholten Male kürten sie die Autoren des
Down Beats, in dem sie sie bei ihrer jährlichen Umfrage an die Spitze
der Kategorie Geige wählten. Regina Carter bekam dabei
mehr als doppelt so viele Stimmen wie der nächstplacierte Billy Bang.
Wir dürfen also nun gespannt sein, wie die ehemalige
Zuagroaste nach langer Abstinenz und immenser Erfahrung mit vielen
Größen des Jazz nun live klingt. Bei ihrem Konzert wird sie
sicher viele verdammt stolze Freunde aus vergangenen Tagen im Auditorium
entdecken, Freunde, die ihr damals gesagt haben: Mädchen, gib
nicht auf! Regina Carter, welcome back!
Ssirus
W. Pakzad
Das
Regina Carter Quintet gastiert am 26. Oktober im Bürgerhaus Unterschleißheim.
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