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Inhaltsverzeichnis Jazzzeitung 7/2000

2000/07

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Berichte

Seite 4

Europäer unter sich

Das Millenniumsjazzfest „Jazz & more“ in der Retrospektive

In die Freude mischt sich sofort Wehmut. Dank millenniumsmotivierter Spendierlaune von Freistaat Bayern, Stadt München und BMW konnte sich die Münchner Reihe „Jazz & more“ dieses Jahr zu einem opulenten Festival auswachsen. Drei Wochen lang versuchte „Jazz & more 2000“ mit zwei bis drei Konzerten pro Tag, die wegweisenden Tendenzen in der zeitgenössischen improvisierten Musik abzustecken. Ein Rückblick und Ausblick, als einmalige Aktion geplant. Schade drum, denn so ein Programm könnte München als Musikstadt auf die Dauer gewaltig beflügeln.

Zum Beispiel die drei Musiker- (und Komponisten-) Portraits, die den Klarinettisten Louis Sclavis und Michael Riessler sowie dem Posaunisten Giancarlo Schiaffini im Festival ein besonderes Forum boten. Schiaffini leistete dabei die intensivste Arbeit in München, denn er war in den Wochen vor dem Festival von der Stadt als „composer in residence” eingeladen, mit Münchner Musikern Stücke und neue Projekte zu erarbeiten.

Am prominentesten präsentiert aber war Michael Riessler, und er stand am ehesten auch für das „more“ im Motto des Festivals: mit seinem klugen Projekt „Bach 2000” zum Beispiel oder mit seinem „Momentum mobile“, für das das Münchener Kammerorchester sich mit zunehmender Verve in die Jazz-Welt des Michael-Riessler-Quintetts hineinspielte. Die geballte Ladung Riessler bei Jazz & more (fünf Konzerte) war freilich auch entlarvend. Denn sie machte mehr als deutlich, dass sich seine improvisatorische Virtuosität in immer ähnlichen Mustern entfaltet.
Überraschendes geschah vor allem bei der Begegnung mit der Münchner Stimmschauspielerin Salome Kammer, da ergänzte sich Riesslers Humor bestens mit Kammers bodenverhafteter Lust an Experiment und Ulk. Zwar mussten sich die beiden erst aneinander gewöhnen; aber gerade dies verhinderte allzu glatte Routine.

So lange sich bei einer Musikerperson aufzuhalten ist fast schon ungerecht, schließlich waren da noch viele andere Ausnahmemusiker: zum Beispiel noch Gianluigi Trovesi (mit Gianni Coscia beziehungsweise mit seinem Nonett), der mit viel Witz zwischen Folkore, Mittelalter und freier Improvisation vagabundierte, zum Beispiel Barry Guy, der mit seinem famos besetzten „New Orchestra” riesige Mengen an Energie freisetzte, oder zum Beispiel auch jemand wie der auratische Jazz-Veteran Johnny Griffin. Ein Gipfeltreffen der – mit Ausnahme Griffins europäischen – zeitgenössischen Improvisationsszene.

Genau das aber könnte man dem Festival auch vorwerfen: dass es vor allem etablierte Musiker geladen, die Balance zwischen Rückblick und Ausblick an der Schwelle zum 21. Jahrhundert zugunsten des Rückblicks aufgegeben hatte. Eher rar waren Aha-Erlebnisse wie jenes, für das ein Konzert des „Black Sea Project“ sorgte: Sechs Musiker aus dem Schwarzmeerraum, aus Bulgarien, Rumänien, Usbekistan und Russland, verbinden da auf völlig unverbrauchte Weise Folklore und zeitgenössischen Jazz. Sie wärmen keine Klischees auf, veranstalten keinen Improvisationsringelreihen, sondern vertrauen – sensibel aufeinander hörend – einfach auf den großen musikalischen Fluss, getrieben von den vertrackten Polyrhythmen des Schlagzeugers Stoyan Yankoulov. Osteuropa, so scheint es, hat an Vitalität noch einiges zu bieten.

Jazz & more – mehr davon! Die Veranstalter (Annelie Knobloch, Josef Dachsel) deuteten gegen Ende des Festivals zaghaft an, dass Gespräche über eine eventuelle Fortführung in greifbare Nähe rücken. Wir drücken ihnen die Daumen – und wünschen uns für ein nächstes Mal noch ein paar Entdeckungen mehr.

MIRIAM STUMPFE

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