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Inhaltsverzeichnis Jazzzeitung 7/2000

2000/07

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Seite 19

Historischer Moment

Benny Goodmans Carnegie Hall Concert 1938

Benny Goodmans Konzert in der New Yorker Carnegie Hall, das vor über 60 Jahren, am 16. Januar 1938 stattfand, kann in seiner Bedeutung nicht hoch genug veranschlagt werden. Es war das erste Mal, dass in einem etablierten Konzertsaal Jazz erklang. Was damals großes Aufsehen erregte, sollte nicht ohne Folgen bleiben für den Jazz. Jene Musik, die bislang als Tanzmusik rezipiert wurde, war mit einem Schlag zur Kunstmusik gereift. Und dies auf dem Höhepunkt der Swing-Ära, die eine Massenbegeisterung für den Jazz zu verzeichnen hatte. Sie traf auf den herrschenden Zeitgeist: Präsident Roosevelt führte die USA mit seiner New-Deal-Politik aus der Depression heraus. Seit 1935 war somit verordneter Optimismus das vorherrschende Lebensgefühl der US-Bevölkerung. Ihrem Nachholbedarf an Ausgelassenheit und Vergessenwollen kam der Bigband-Swing mit seinen stimulierenden Rhythmen und seiner Mischung aus Präzision und Emotion auf ideale Weise entgegen.

Was die Bigband-Ära darüber hinaus kennzeichnete und Goodmans Gang in die klassische Halle erklärt, war die Herrschaft der Promotion. Dass der „King of Swing“, wie der Klarinettist genannt wurde, dank seiner kreativen Kraft und seiner enormen Popularität diese musikalische Revolution auslöste, gehört in den Bereich der Legende. Jedes bedeutende Orchester hatte in den 30er- und 40er-Jahren Agenturen und Medienfirmen hinter sich, die am kommerziellen Erfolgskuchen teilzuhaben gedachten. Goodman hatte 1937/38 einen Vertrag mit RCA/Victor und eine wöchentliche Radio-Show, die von Camel gesponsert wurde. Je populärer er wurde, desto lauter klingelte es in den Kassen von Produzenten, Radiostationen und Zigarettenherstellern.

Aus deren Reihen kam auch der Mann, der die zündende Idee mit der Carnegie Hall hatte. Es sollte ein Publikum angesprochen werden, das vom Swing bislang nicht angetan war: Bildungsbürger, die in Oper, klassischem Konzert, Theater anzutreffen waren. Der Plan gelang. Dabei hatte sich bei diesem spektakulären Carnegie-Hall- Konzert musikalisch Umwerfendes nicht zugetragen. Goodman gruppierte um seine Bigband wichtige Musiker aus anderen Orchestern, etwa Ellingtons oder Basies. Weiße und schwarze Musiker saßen gemeinsam auf dem Podium. Dies ist ein wirkliches Verdienst Benny Goodmans, in der damaligen Zeit gar revolutionär.

Dass jetzt erstmals die kompletten Aufnahmen dieses legendären Konzerts veröffentlicht werden – das bis Mitte der 70er-Jahre kursierende Doppel-Album war trotz Kürzung die bislang meist verkaufte Jazzplatte – ist dem Produzenten Phil Sharp zu verdanken. Über Jahrzehnte hat er nach den vollständigen Aufzeichnungen des Konzerts gesucht, bis er die fast 50 Jahre verschollenen Azetat-Folien fand. Diese wurden mit der besten heute verfügbaren Abtasttechnik neu überspielt. Die neuen Aufnahmen haben an Transparenz und Dynamik gewonnen, das nicht immer zu vermeidende Kratzen und Rauschen nimmt man hin. Doch nicht nur die Technik macht den Carnegie-Hall-Mitschnitt denkwürdig. Neben oben erwähnten kommerziellen Dingen ist es die überbordende Spielfreude der beteiligten Musiker. Da wird es deutlich, warum Gene Krupa zum ersten Superstar des Jazz-Schlagzeugs wurde. Auch die anderen beteiligten Musiker sind nicht ohne. Trompeter Bobby Hackett zollt Bix Beiderbecke solistisch Tribut; Harry James verneigt sich vor Louis Armstrong, Buck Clayton gefällt mit einem großen Solo ebenso wie der Ellington-Baritonsaxophonist Harry Carney. Ein äußerst seltenes Solo des Basie-Gitarristen Benny Green ist ebenso berühmt wie die großartige Jam-Session über Fats Wallers „Honey Suckle Rose“. Die fast 4.000 Besucher der restlos ausverkauften Carnegie-Hall – selbst auf der Bühne waren Stuhlreihen dicht platziert – nahmen an einem historischen Datum teil.

Reiner Kobe

Carnegie Hall Concert, Columbia 65143 (Sony)

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