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Inhaltsverzeichnis Jazzzeitung 7/2000

2000/07

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Dossier

Seite 25-27

Das Rauhe und das Glatte

Studien zur Ästhetik des Nicht-Perfekten

Wenn man dem Werbefernsehen Glauben schenken will, dann ist sauber noch nicht rein. Es reicht für die Wäsche nicht mehr hin, weiß zu sein: Sie muss weißer sein als weiß. Warum sollte sich ein solches Bewusstsein nicht auch in der Rezeption von Musik niederschlagen. Auf Hochglanz polierte Schallplattenaufnahmen, die in ihrem äußeren wie inneren Erscheinungsbild den musikalischen Saubermann repräsentieren. Die Ästhetik des Klinisch-Sauberen, des Perfekten und reproduzierbar Glatten, ist eine Folge der gesteigerten technischen Möglichkeiten. Die Compact Disc, die selbst in absolut hochreinen, staubfreien Fabrikräumen hergestellt wird, ist das momentane Signum dieser Ästhetik.

Von Roscoe Mitchell bis Till Brönner

Wie antiquiert muss in diesem Zusammenhang zum Beispiel das Stück „Leola” von „Roscoe Mitchell And The Note Factory” aus dem Jahr 1998 erscheinen. Es gibt keine präzisen Instrumentaleinsätze, der Intonation nach ist diese Musik einfach unsauber gespielt. Dabei handelt es sich bei den Musikern um Profis an ihren Instrumenten. Musikalisch-technisch gesehen passiert hier eigentlich wenig: Abfallende Akkordbrechungen, zunächst einstimmig, später dann harmonisch in Akkorde aufgelöst. Die musikalischen Gesten deuten auf einen Trauerzug hin, „Richtig” das heißt hier zunächst, sauber intoniert gespielt, klänge diese Musik aber wohl doch einfach nur „falsch”. Ähnliches ließe anhand der Interpretation von „The Great Pretender” bei Lester Bowie zeigen. Er denaturiert die Tonfolgen des Songs in Timbre und mit melodischen Variantenbildungen vor dem Hintergrund einer klaren Songstruktur. Diese stellt er auch keinesfalls in Frage, aber er kontrapunktiert sie spielerisch. Das zum Erstaunen auf der Oberfläche einer äußerst gelungenen Studioproduktion.

Oder zum Beispiel Albert Aylers Einspielungen von Traditionals auf „Goin’ Home”: Im Gewand der Timbreverschiebungen verlieren die Traditionals ihre Trivialität (was nicht bösartig gemeint ist) und gewinnen eine neue Herzlichkeit. Der expressive Tonfall von Albert Aylers Saxophonspiel verdankt sich einem gebrochenen Zusammenhang von Kontrolle und innerer Brüchigkeit – die jenseits des Manierierten liegt und es auch schon streift. Das Gegenbeispiel scheint die Chet-Aufnahme von Till Brönner zu sein. So schreibt Stefan Raulf in der neuen musikzeitung (6/2000):

„Sein Ergebnis ist auf allen Ebenen hässlich, weil affektiert und verlogen. Wo bei Baker die Liebe in der Stimme und die Melancholie im Spiel in jedem Moment Leben und Persönlichkeit widerspiegeln, hört man in Brönners Tönen einzig die perfekte Studiotechnik, den digitalen Hall auf der Trompetenspur zum Beispiel, den Kompressor, durch den der hörbar angestrengt gehauchte Gesang geschleift wurde. In keinem Moment ist eine lebendige Kante zu vernehmen, und nirgends spürt man eine Reflexion, welche Bedeutung diese Weichheit im Zusammenspiel mit den Beats der aktuellen NuJazz-Clubmusik für das Hier und Jetzt vermittelt. Vielleicht ist sich Brönner überhaupt nicht im Klaren darüber, dass der Sound, den er da via Chet-Attitüde produziert, im Jahre 2000 nicht mehr ist als eine Edelpop-Backgroundmusik für die triste Noblesse der Yuppies und Broker (man höre exemplarisch die Eigenkomposition „Tell Me”). Ein Sound, der nicht mehr vermittelt als den Kitsch eines über den gebohnerten Parkettfußboden wehenden Seidenkleides.”

Hanns Eisler

Diese Phänomene gibt es nicht nur im Jazz, sondern ebenso im Sektor der „klassischen” Musik und auch in Rock- und Popmusik. Wenn zum Beispiel Hanns Eisler seine Komposition „Anmut sparet nicht noch Mühe” singt, ein Stück das als Kinderhymne bekannt ist, dann wird man spontan ergriffen – oder man hält es für komplett misslungen. Der zum Zeitpunkt der Aufnahme an Asthmaproblemen leidende Hanns Eisler löst die Kinderhymne mit einer wunderschönen Naivität auf. Dabei beruht das Lied in seiner kompositorischen und interpretatorischen Phrasierung auf der Ästhetik des sogenannten Schönberg-Kreises, gewiss kein Ort für laxen und unreflektierten Umgang mit Musik. Da wird zum Beispiel die aufsteigende Tonleiter-Linie auf „wie kein andres Land” nicht emphatisch nach oben getrieben, sondern Ton für Ton dekliniert und am höchsten Punkt, entgegen einer naheliegenden klassischen Interpretation, zurückgenommen. Zieht man einmal die durch das Asthma provozierten Atmer ab, so ist die Eislersche Interpretation durch ihren Charme, ein gewisses Lächeln, das man im Tonfall hört, gekennzeichnet. Derartige Charakteristika werden für die musikalische Praxis und Interpretation sehr viel wichtiger als das „saubere” oder „reine” Intonieren. Das hört man im Vergleich zu einer Aufnahme mit einer „professionellen” Sängerin.

Wird die Kinderhymne hingegen wie ein klassisches Konzertlied aufgefasst, so stimmen zwar die Noten alle, aber ansonsten verfehlt man den Gehalt der Komposition vollkommen. Für Hanns Eisler liegt der Grund eines solchen interpretatorischen Versagens darin, dass diese Musiker die musikalischen Texte als abstrakte Kunstobjekte auffassen, als in erster Linie technisch zu meisternde Aufgaben. Eisler hat für diesen Interpretationsstil drastische Worte gefunden. In seinen Gesprächen mit Hans Bunge sagt er:

„Die Barbarei der musikalischen Interpretation ist erstaunlich. Ich bin bereit, Ihnen Platten vorzuspielen von den berühmtesten Sängern, um Ihnen nachzuweisen, daß das schlecht interpretiert ist. ... es ist erstaunlich, wie auch die Klassiker mißverstanden werden. Wie aus Schumann ein sentimentales Geschmalze wird, aus Schubert, dem höchst originellen, nervösen Komponisten, irgendeine Art von Unterhaltungsmusik wird – das ist ganz erstaunlich. Auch bei den besten Interpreten.”

Was Eisler für den Bereich der „ernsten Musik” erwähnt, gilt genauso für den „Jazz” oder auch allgemein für die improvisierte Musik. Für Eisler hat das Erfassen der gestischen Impulse, das Erfassen des Tonfalls Vorrang vor technischer Perfektion. Man könnte aber auch sagen, die technische Perfektion steht einer Interpretation der musikalischen Gestik geradezu im Wege.

Phil Minton

Hört man sich beispielsweise Phil Mintons Version von Franz Schuberts Liedkomposition „An die Musik” an, so findet man ein extremes Beispiel für diese Gestaltungsidee. Das ist keine im klassischen Sinn perfekte Interpretation. Es gibt hier weder den Schönklang eines in klassischem Gesang ausgebildeten Musikers, noch entspricht die Artikulation dem notierten Hochdeutsch. Phil Minton singt ein englisches Deutsch. Und doch: In dieser Interpretation wird eine im schönsten Sinne anrührende Variante zum Vortrag gebracht. Es ist eine Huldigung sowohl an die Schubert’sche Musik wie an die Musik selbst. Sie ist dies gerade auch deshalb, weil sie den Schönklang nicht erreichen kann und will aber dennoch die „holde Kunst” in naiver Weise beschwört. Darum kann diese Interpretation besonders glaubhaft wirken. Natürlich gehört zu dieser Wirkung, dass die ein gewisses Maß an technischer Qualität unbedingt vorhanden sein muss. Auch das Nicht-Perfekte bedarf eines gewissen Grades an technischer Leistungsfähigkeit. Phil Minton versucht keinesfalls, eine immergleiche oder wenigstens immerähnliche Interpretation zu erbringen. Dahinter steckt ein ganz anderer Anspruch als in der traditionellen Interpretation klassischer Musik, bei der man versucht, die interpretatorische Gestaltung möglichst rein, genau und beliebig reproduzierbar auszuformulieren. Hier kann die Interpretation klassischer Werke vom Jazz einiges lernen. Schon als Musikschüler lernt man ja meistens, seinen Musikvortrag in der Hinsicht zu kontrollieren, dass man zu wiederholbaren Interpretationen gelangt. Für eine spontane „Eingebung” ist in der Regel kein Platz. In der improvisierten Musik würde ein derartiges Verhalten durch einstudierte Improvisationen repräsentiert – genau zu diesem Resultat führt aber eigentlich das Bannen der Musik auf Tonträger. So schreibt Edgar Wind in seinem Buch „Kunst und Anarchie”:

„Zuerst sollte die Grammophonplatte lediglich ein Echo der lebendigen Darbietung liefern, mit allen Eigentümlichkeiten des ausübenden Künstlers. Sie diente als Ersatz für das Konzert, eine Stufe vom Ereignis selbst entfernt. ... Doch wie die Buchdruckerei entwickelte auch die Schallplatte ihren eigenen Stil und wurde zu einem Ausdrucksmittel mit einer eigenen Ästhetik. Ausgeprägte Phrasierungen zum Beispiel, die im Konzertsaal vielleicht fesseln und beeindrucken, können peinlich wirken, wenn sie zu oft gehört werden. Die Aufnahmetechnik neigt darum zur Abschleifung solcher Eigenheiten und strebt eine technische Vollendung an, die der Wiederholbarkeit des Hörens Rechnung trägt.”

Körperbeziehung

Auf einen anderen Aspekt hat der französische Philosoph Roland Barthes in seinem Aufsatz „Die Rauheit der Stimme” hingewiesen.

„Wenn ich die ‚Rauheit’ einer Musik wahrnehme und dieser ‚Rauheit’ einen theoretischen Wert beimesse, so kann ich mir, da ich entschlossen bin, meine Beziehung zum Körper des Sängers oder Musikers zu hören, und da diese Beziehung erotisch ist, nur eine neue und ohne Zweifel individuelle, keineswegs jedoch ‚subjektive’ Wertetabelle erstellen. ... Ich höre mit Gewißheit – der Gewißheit des Körpers, der Wollust –, daß das Cembalo von Wanda Landowska aus ihrem Körperinneren kommt und nicht von dem kleinen Fingergestricke so vieler Cembalisten.”

Roland Barthes verweist auf die Bedeutung der Körperlichkeit von Musik für die Klang- und Existenzform der Musik selbst. Genauso wenig wie der Tonfall erfasst wird, wenn man die Noten mechanisch oder klischeehaft abspielt, steht der Körper oder Leib des Musikers in den Noten. Die Körperlichkeit muss also dem abstrakten und auf den ersten Blick so objektiven Notentext erst wieder entrissen werden.

Anders als in der sogenannten klassischen ernsten Musik, ist die Körperbeziehung im avancierten Jazz eine Grundvoraussetzung des Musizierens. Wenn man sich beispielsweise Auftritte des „Art Ensemble Of Chicago” ansieht, dann stehen da nicht etwa in feinen Zwirn oder Frack verpackte Musiker, sondern bunte, bemalte Menschen, deren Aussehen eher an Zauberer oder Magier erinnert, die ein Ritual zelebrieren. Auf diese Weise wird selbst aus einem Wiener Konzertsaal eine Art Kultstätte für musikalische Mythen. Auf der Platte „Urban Bushman” spielen das „Art Ensemble of Chicago” eine Art Trauermusik mit dem Titel „Uncle”, nachdem sie zuvor eine minutenlange Tonmeditation gestaltet haben. Im Trauermarsch geht es um emotionale Intensitäten, bei denen fast notwendig die körperhafte Reaktion die Beherrschung des Instruments beeinflusst.

 

Moderne und Rationalität

Im Jazz ist dieses Verhältnis zwischen Komposition und Interpretation viel leichter zu fassen, da die Interpreten in der Regel auch die Komponisten sind: Musikpraxis und Komposition geraten häufig zur Deckung. Dem gegenüber ist in der Entwicklung der traditionellen abendländischen Musik die Musikproduktion in eine sehr weit ausdifferenzierte Arbeitsteilung übergegangen. Von der Komposition bis zur Interpretation und schließlich dem Marketing hin professionalisieren und entsinnlichen sich die Agenten, die am Musikprozess beteiligt sind. Das hat zwar im technischen Bereich zu einer immer höheren Perfektion geführt. Roland Barthes sieht darin jedoch eine merkwürdige Entwicklung: So

„muß man hier in Erinnerung rufen, daß es heute unter dem Druck der Massenschallplatte eine Verflachung der Technik zu geben scheint; diese Verflachung ist paradox: alle Spielweisen werden in der Perfektion verflacht”.

Das ist die Kehrseite der Rationalisierung zur Perfektion. Dieser Prozess ist erkauft durch eine Isolierung der einzelnen an dieser Produktionskette hängenden Personen. Man kann es so darstellen: Es gibt einen wesentlichen Unterschied, ob man die Produktionskette im Zusammenhang sieht und diese im gegenseitigen Einvernehmen perfektioniert, oder ob man die Einzel-Agenten der Kette unabhängig voneinander zu Einzel-Spezialisten macht. Die fortgeschrittene Arbeitsteiligkeit der abendländischen Kultur begründet sich im Wesentlichen aus der letzten Sichtweise. Der Soziologe Max Weber hat diese Form der Kulturentwicklung zu Anfang des 20. Jahrhunderts kritisch beurteilt:

„Dann allerdings könnte für die ‚letzten Menschen’ dieser Kulturentwicklung das Wort zur Wahrheit werden: ‚Fachmenschen‘ ohne Geist, Genußmenschen ohne Herz: dies Nichts bildet sich ein, eine nie vorher erreichte Stufe des Menschentums erstiegen zu haben.’”

Pop

Der musikalische Höhepunkt dieser Beschreibung dürfte wohl in der Chart-Popmusik zu finden sein. Das sind in der Regel auf Hochglanz polierte Musikproduktionen. Das „Glatte” ist ihr eigentliches Metier. Allein vorregulierte und schablonisierte Gefühle kann und soll diese Musik auslösen. Leichte Konsumierbarkeit, die im wahrsten Sinne des Wortes durch das eine Ohr hinein und das andere hinausgeht. Nur auf diese Weise ist es schließlich möglich, dass ein Hit von einem anderen abgelöst werden kann. Die Rauheit dieser Musik muss gerade soweit langen, dass diese Musik sich so weit in den Gehörgängen und im Hirn verhakt, um den Wunsch nach Wiederholung hervorzurufen. Solche Musik darf auf keinen Fall so rau sein, dass sich das Publikum dagegen absperrt. Doch gerade in der Absperrung vom gemeinen Publikum liegt die Qualität derjenigen Populärkunst, die sich als subversiv auszeichnet. Der Absperrungsprozess war ein Kennzeichen der Punk-Bewegung, und auch noch in der Techno-Szene ist dies der Fall gewesen. Beide Bewegungen sind für eine wirtschaftliche Ausbeutung wesentlich umgemodelt und geglättet worden. Die Tendenz zur publikumswirksamen Glätte kennt man übrigens auch in der klassischen ernsten Musik, die damit teilweise auch zu platter Popmusik wird.

Das Rauhe

Gegen diese Glattbügelung hat der russische Futurist Velimir Chlebnikov klare Worte gefunden. In einem Manifest fordert er von den Künstlern:

„Auf daß sperrig geschrieben und sperrig gelesen werde, unangenehmer als geschmierte Stiefel oder ein Lastwagen im Salon (Menge von Knoten Verknüpfungen und Maschen und Flicken Oberfläche mit Rissen Sprüngen, sehr rauh)”

Dabei ist vor allem auch die Perspektive Chlebnikovs überraschend, weil er ausdrücklich den Leser mit einbezieht, der „sperrig” lesen soll. Ein sperrig hörender Mensch wird solche Glattheit und solche funktionale Musik kaum akzeptieren und er wird sich, wie Eisler sagte, nicht für dumm verkaufen lassen.

Die bisher angeführten Texte und musikalischen Beispiele verweisen auf die ästhetische und gesellschaftliche Bedeutung des Rauhen. Man kann sogar so weit gehen, die geschichtliche Entwicklung innerhalb einer neuen theoretischen Konstruktion umzudeuten. Zu dieser These kommt jedenfalls Roland Barthes in seinem Aufsatz „Die Rauheit der Stimme”:

„...es versteht sich jedoch von selbst, daß die bloße Berücksichtigung der musikalischen Rauheit eine andere Musikgeschichte als die, die wir kennen zur Folge haben könnte.”

Einer Ästhetik des Nicht-Perfekten und Rauhen kommt man gegenwärtig am nächsten, wenn man den Begriff des Experimentellen in ihren Mittelpunkt stellt. Dinge, die nicht festschraubbar sind, musikalische Vorstellungen, die sich auszeichnen durch einen Überschuss an Ungeklärtem. Theodor W. Adorno fasst diese Idee in den Satz zusammen:

„Die Gestalt aller künstlerischen Utopie heute ist: Dinge machen, von denen wir nicht wissen, was sie sind.”

Dann muss sich Kunst in die Gefahr begeben, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sie gerät ins Schweben.

Things To Come” hieß eine Komposition von Dizzy Gillespie. Gillespie wagte 1948 mit dieser Musik einen Blick in eine musikalische Welt, über die er noch nicht viel wusste. Diese Musik ist unruhig, brüchig, irr und noch ungeklärt. Was sich hier im Jazz zeigt, gilt für alle Musik, die über den Rand des Selbstverständlichen schaut. Solche Musik ist Avantgarde, sie ist ein Vortrupp ins Ungewisse. Der Begriff der Avantgarde wird dadurch historisch nicht mehr fixiert. Auch Bachs, Mozarts, Beethovens und Mahlers Musik und die vieler anderer kann immer noch ins Unbekannte hineinstoßen, wenn man ihre musikalischen Sprengsätze zu zünden weiß, indem man sie nicht klassizistisch glättet und reinwäscht. Nur so wird diese Musik den Schein der Selbstverständlichkeit durchbrechen und die Hörer verstören. Eine perfekte Musik hörte auf zu existieren, wäre sinnlich tot, würde bedeutungslos werden. Die Absicht der Biotechnologie, den Menschen technisch durch Genmanipulationen zu perfektionieren, läuft letztendlich auf die Abschaffung des Lebendigen hinaus, auf ein Einfrieren von Glück und Schmerz. Der perfektionierte Mensch erleidet den gesellschaftlichen Kältetod.

Martin Hufner


Literatur:

  • Theodor W. Adorno, Gesammelte Schriften Bd. 16, Frankfurt am Main 1978.
  • Roland Barthes, Was singt mir, der ich höre in meinem Körper das Lied, Berlin 1979.
  • Velimir Chlebnikov, Werke, Reinbek 1985.
  • Hanns Eisler, Fragen Sie mehr über Brecht. Gespräche mit Hans Bunge, Darmstadt/Neuwied 1986.
  • Edgar Wind, Kunst und Anarchie, Frankfurt am Main 1994.
  • Max Weber, Die protestantische Ethik I, Tübingen 1981.

Diskografie:

  • Albert Ayler, Goin’ Home, Black Lion BLCD760197
  • Art Ensemble Of Chicago, Urban Bushman, ECM 1211/12
  • Lester Bowie, The Great Pretender, ECM 1209
  • Till Brönner, Chatting With Chet, Universal
  • Dizzy Gillespie, Pleyel Jazz Concert 1948, BMG France 74321409412
  • Phil Minton and Veryan Weston, Ways, ITM 971420
  • Roscoe Mitchell, Nine to get Ready, ECM 1651

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