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Inhaltsverzeichnis Jazzzeitung 7/2000

2000/07

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Berichte

Seite 5

Berg- und Talfahrt

Zur 31. Internationalen Jazzwoche Burghausen

„30 Jahre lang haben sich die Besucher darauf verlassen, dass die Jazzwoche Burghausen im März stattfindet. Die nächsten 30 Jahre können sie sich darauf verlassen, dass sie Anfang Mai stattfinden wird.“ Herbert Hebertinger, Vorsitzender der IG Jazz Burghausen, bemühte sich bei einer Pressekonferenz am letzten Festivaltag nach Kräften, Zuversicht und Optimismus auszustrahlen. Ganz gelang es dem gedrungenen Niederbayern aber nicht, die Sorgenfalten auf der Stirn zu kaschieren und von Pannen und Peinlichkeiten abzulenken, von denen die 31. Internationale Jazzwoche begleitet war.

Finanzielle Überlegungen hatten die Organisatoren veranlasst, den angestammten Programmplatz im März zu verlassen. Im Mai, rechneten sie sich aus, sind die meisten Musiker und Bands bereits auf Tournee. Sündhaft teure Extraflüge für Einzelgigs amerikanischer Größen fallen dadurch weg. Der Festivaletat wird entlastet. Dass man sich damit einer erheblichen Konkurrenz aussetzt und den Bonus, Erster im ständig größeren und unübersichtlicheren Festivalzirkus zu sein, aufgibt, hat man möglicherweise zu wenig bedacht. Als auch noch eine terminliche Überschneidung mit einem sportlichen Ereignis bekannt wurde, war der Besucherrückgang vorprogrammiert. 8.500 Besucher – gegenüber 10.000 wie sonst – versuchte man dann noch mühsam mit einer, wegen Regens, nur mäßig besuchten Open-Air-Veranstaltung bei freiem Eintritt zusammenzukratzen.

Kritik am Programm begleitet die Burghausener fast solange, wie das Festival besteht. Dennoch hat sich immer wieder gezeigt, dass die Organisatoren mit dem „Gemischtwarenladen“, der viele Geschmäcker zufrieden stellte, richtig liegen. Vermutlich wäre jedes andere Konzept in einer traditionell geprägten Kleinstadt mit vorwiegend ländlichem Umland gescheitert. Programmatische Neuerungen waren deshalb meist nur in homöpathischen Dosen erkennbar und bezogen sich eher auf Details oder formale Änderungen.

Mit der deutschen Acidjazzband „Mouvement Rapide“ und der „Funk Unit“ des schwedischen Posaunisten „Mr. Redhorn“ Nils Landgren setzte die IG Jazz erstmals auf eine jugendliche Karte, die von anderen Festivals bereits seit langem forciert wird: eine „Dance Night“. „Anbiederung“, erboste sich ein Journalist eines privaten Rundfunksenders. „Wir müssen junge Leute erreichen“, hielten die Organisatoren entgegen. Bereits beim Eröffnungskonzert mit den beiden afrikanischen Sängern Papa Wemba (Kongo/Zaire) und Youssou N´Dour (Senegal) setzten sie auf zugkräftige Namen aus der Popecke. Am nächsten Tag kamen dann auch orthodoxe Jazzfans
mit dem Oktett des herausragenden Trompeters Tom Harrell und der Band des jungen Gipfelstürmers Joshua Redman (Sax), beide in hervorragender Form, ganz auf ihre Kosten. Allerdings mit deutlichen Einbußen bei den Besucherzahlen.

Unter den 15 Konzerten ragten die Auftritte des nahe am Nirvana perfekten Zusammenklangs schwebenden Duos David Friesen und Denny Zeitlin, des mit allen Wassern sprühender Musikalität und hinreißenden Entertainments gewaschenen Lou Donaldson Quartet, Joshua Redmans und des Vitalität und Lebensfreude vermittelnden Clark Terry Quintet heraus.

Ein Reinfall war dagegen der unmotivierte Auftritt der Toshiko Akiyoshi Big Band. Wunde Ohren hinterließ auch der wummernde Flop von „Mouvement Rapide“. Dagegen glänzte das Trio des 39-jährigen New Yorker Gitarristen John Pizzarelli wenigstens mit technisch perfekter Langeweile. Für das traditionelle Burghausener Publikum kein Grund, ihm Begeisterung und stürmischen Applaus zu verweigern.

Deutlich verhaltener waren die Ovationen bei der „Rythm Combination & Brass“ von Peter Herbolzheimer, die heuer 30-jähriges Bühnenjubiläum feiert, was wenig mit der musikalischen Qualität zu tun hatte, die meilenweit über der der Akyoshi Big Band lag. Herbolzheimer bekam für sein „musikalisches und pädagogisches Wirken“ mit einer holprigen Inszenierung den „Burghauser Jazzpreis“ verliehen. Hatte aber den Auftritt des lokalen Jazzchors mit seiner Bigband vor der Verleihung nicht selbst dirigiert. Damit verletzte er Stolz und Selbstbewusstsein der Burghausener, die gekränkt reagierten.

Michael Scheiner

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