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Inhaltsverzeichnis Jazzzeitung 5/2000

2000/05

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CDs

Seite 20

Wenn Popmusiker Jazz machen

George Michael, Bryan Adams und Joni Mitchell im Vergleich

Wenn Jazzmusiker Pop machen, kann man das Ergebnis meist sofort in der CD-Abteilung „schmusig & belanglos“ abstellen und bei passender Gelegenheit (Candlelight-Dinner? Nicht-Jazz-Fans zu Besuch?) zum Einsatz bringen. Wenn hingegen Popmusiker Jazz machen, dann rate ich immer prophylaktisch vom CD-Kauf ab: Immer noch denke ich mit Grausen an die Big-Band-Versuche eines Robert Palmer oder einer Sinnead O´Connor - beides fragwürdige bis überflüssige Machwerke, deren Misserfolg weniger die Ignoranz eines Pop-Publikums als die schlichte Unfähigkeit ihrer Interpreten zur Ursache hatte.

Nun aber sind drei Große in dieser Disziplin angetreten: Ein abgeklärter Bryan Ferry, eine risikofreudige Joni Mitchell und ein George Michael in stimmlicher Höchstform.
Um mit Letzterem zu beginnen: Mit der stimmlichen Brillanz hat es sich bei George Michael auch schon. Wie immer weiß der britische Grieche weder, wer er sein will (Freddie Mercury? Michael Jackson? Marylin Monroe?), noch was er singen soll. Hinter dem großtönerischen CD-Titel „Songs From The Last Century“ verbirgt sich bei Michael nämlich nur ein geschmacklich unsicheres Konglomerat aus verstreuten Jazz-Schnulzen und zwei Pop-Songs. Der eine („Miss Sarajevo“), damals von Bono und Pavarotti inszeniert, jetzt immer noch nicht besser, der andere („Roxanne“) das wohl einzige Highlight der CD: Mit großem Einfühlungsvermögen gelingt ihm ein überraschend frischer Zugang zur doch etwas abgenudelten Sting-Kamelle. Den Rest möchte man fast Schweigen sein lassen. Ob Bing Crosby („Brother, Can You Spare A Dime?“) oder Chet Baker („It Could Happen To You“), fast überall erweist sich George Michael als seinen Vorgängern unwürdig durch belangloseste Seichtigkeit. Wenn es dann doch mal schneller wird wie in „My Baby Just Cares“, gibt der Jazz-Debütant nur ungewollte Swing-Parodie zum Besten.

Da sitzt Roxy Music-Sänger Bryan Ferry sicherer im Sattel, der bereits 1973 auf „These Foolish Things“ mit alten Jazz-Standards geliebäugelt hatte. Neben ganz bekanntem wie „As Time Goes By“ oder Weills „September Song“ sind es vor allem zauberhafte Musical-Songs wie „The Way You Look Tonight“ oder „Easy Living“, welche die beschwingt-belanglose Atmosphäre von Fred-Astaire-Filmen wiederherstellen; drei Songs wählte Ferry allein vom Leichtigkeitsmeister Cole Porter aus. Die Stücke sind durchgehend stilgerecht (ca. 1937) für eine gediegene Jazzcombo-Salonorchester-Kombination arrangiert und werden durch den Einsatz des seltenen Ondes Martenot (!) mit einer humoristisch-kitschigen Klangfarbe angereichert. Ferry zeigt sich als geschmackvoller Interpret, er hat sein zuweilen etwas nerviges Tremolo gut im Griff, er swingt, er schafft Intimität ohne kitschig zu werden, er wahrt die Distanz des gutangezogenen Entertainers dort, wo es nicht viel zu interpretieren gibt.

Und – er lässt die Musiker spielen. Wie in guten alten Big-Band-Zeiten darf die Band in „The Way You Look Tonight“ zunächst mal die Hälfte des Titels jammen, bevor der Sänger auch den Text der Nummer singen darf. Unverständlich bleibt, warum Bryan Ferry in einem Titel („I´m In The Mood For Love“) aus dem stimmigen Konzept mit diffusem Ethno-Pop-Klangbrei ausschert – sehen wir es ihm als ein mögliches Zugeständnis an die Plattenfirma nach, die einen Hit („so wie früher, Herr Ferry!“) zum Auskoppeln brauchte.

Joni Mitchells offene Beziehung zum Jazz war mit Beginn der 80er-Jahre nahezu versiegt, nun überrascht sie mit einem opulent orches-trierten Spätwerk, welches direkte Vergleiche mit anderen späten Orchester-Platten, nämlich denen von Nat King Cole und Billie Holiday herausfordert – Joni Mitchell holt aus ihrer gealterten und von jahrelangem Nikotinkonsum nicht eben besser gewordene Stimme noch einmal das physisch Mögliche heraus. Dies ist um so bewundernswerter, als sie mit einem 71-köpfigen Orchesterapparat auskommen muss, der ihre melancholische Songauswahl als klanglich breite und schwere, im Sound jedoch weiche Tongemälde ausführt. Verantwortlich für diese Post-Gil-Evans-Arrangements zeichnet Arrangeur und Komponist Vince Mendoza aus Los Angeles, der Joni Mitchells Faible fürs Großorchestrale und Filmische teilt. Nicht nur musikalisch, auch textlich gibt sich Joni Mitchell hyperromantisch: Ihre Songauswahl besteht ausschließlich aus lust- und schmerzvollen Liebesliedern, die – abgesehen von „Stormy Weather“ – recht unbekannt sind und so distanzlos interpretiert werden können, als wären es die eigenen. Die meisten Arrangements sind Rubato gehalten, selten geht es mal richtig jazzig zu. Doch wenn Joni Mitchell – befeuert von Peter Erskine an den Drums und Herbie Hancock am Piano – mal von ihrer traurigen Ader lassen kann, ist es superb und man ärgert sich, dass die Dame die Achtziger Jahre mit politisch korrektem, musikalisch aber durch-schnittlichem Pop verplempert hat – zwei bis drei Jazz-Alben auf dem Niveau von „Mingus“ (1979) hätten sowohl Pop- als auch Jazzgeschichte bereichert.

Ein Herbstalbum im Frühling, Liebeslieder, die das Herz stocken lassen, wenn sich die Textdeutungen von Mitchells brüchiger Stimme mit den unverhohlen sentimentalen Arrangements ins Tragische wenden. Der Refrain des schon in jungen Jahren von ihr verfassten Titelsongs „Both Sides Now“ steht wie ein traurig-schönes Motto am Ende der Platte: „I’ve looked at life from both sides now/ From win and lose and still somehow/ It’s life illusions I recall/ I really don’t know life at all“.

Felix Janosa

George Michael, Songs Of The Last Century, Virgin
Bryan Ferry, As Time Goes By, Virgin
Joni Mitchell, Both Sides Now, Reprise

 

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