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Ausgabe Oktober 1998

Kurz aber wichtig

Alexander’s Jazzband
Allen, Geri
Allotria Jazzband
Anderson, Ray
Antolini, Charlie
Bahne, Mickey
Basso, Gianni
Baumann, Gerd
Bergalli, Gustavo
Bley, Carla
Blythe, Arthur
Bosl, Alexander
Brecker, Michael
Brown, Ray
Bülow, Uli
Criss Cross
d’Rivera, Paquito
Disco 3000
Doldinger, Klaus
Enders, Johannes
Evans, Jenny
Favre, Pierre
Fons, Renaud Garcia
Frith, Fred
Geissler, Erhard
Geller, Herb
Gibbs, Michael
Gmelch, Leo
Hauser, Fritz
Hübner, Abbi
Humair, Daniel
Hyman, Dick
Ignatzek, Klaus
Jäger, Heinz
JazzHaus-Big Band
Jensen, Ingrid
Kent, Oliver
Ketterle, Toni
Kienastl, Max
Klein, Oscar
Knofler, Lukas
Kuhn, Paul
Lackerschmid, Wolfgang
Landgren, Niels
Les Haricots Rouges
Lhotzky, Bernd
Liebman, Dave
Lurie, John
Mariano, Charlie
Marsalis, Wynton
Martini, Rudi
Mateu, Ricardo
Mazetier, Louis
McGriff, Jimmy
Meurkens, Hendrik
Oechsner, Mic
Parker, Marceo
Ratzer, Karl
Riley, Terry
Roditi, Claudio
Saitensprünge
Sanders, Pharoah
Schmitt, Martin
Seizer, Jason
Skyliner
Soloff, Lew
Strasser, Hugo
Studer, Fredy
Swallow, Steve
Towner, Ralph
Tuscher, Peter
Weiß, Traubeli
Wendt, Joja
Willisohn, Christian
Woode, Jimmy
Zawinul, Joe
Studer, Fredy

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MÜNCHEN

Das malerische Murnau am Staffelsee bietet Besuchern so manche Labsaal für Leib und Seele: den wärmsten Badesee Bayerns in Alpennähe, hübsche Kirchen, ländliche Idyllen, eine von Malern des Blauen Reiter und Schriftstellern wie Ödön von Horvath geprägte Kulturgeschichte und die garantiert beste italienische Eisdiele Bayerns. (Welche der drei es ist, müssen Sie selbst herausfinden, keine Schleichwerbung in der Jazzzeitung). Nun soll das im vergangenen Jahr erfolgreich eingeführte Festival "Murnau swingt" zur Tradition werden. Mit dem deutschen Piano-Veteran Paul Kuhn am 1.10., dem zartbesaiteten Oregon-Gitarristen Ralph Towner als Solo-Attraktion am 2.10. sowie der Meisterboptrompeterin Ingrid Jensen mit dem Johannes Enders Quartett am 3.10. bieten die Veranstalter im Kurgästehaus ein Wochendprogramm von überregionalem Rang. Wer die beeindruckende Lady oder den bedeutendenden Nachwuchstenoristen noch nie live gehört hat, hat auch in München zwei Chancen – am 1. und 2.10. in der neuen Unterfahrt. Am 8.10. schließlich wird Enders in der Black Box nicht nur konzertant, sondern auch im Gespräch mit Ralf Dombrowski in Erscheinung treten.

Ein weiterer Kurort tut sich vom 7. bis 10. Oktober mit Jazz hervor: die Kneippstadt Bad Wörrishofen. Zu den Highlights im Kursaal gehören am 9.10. die Christian Willisohn Band und am 10.10. das Herb Geller Quartet. Obwohl der in der kalifornischen Jazz-Szene der fünfziger Jahre bekannt gewordene Altist seit den sechziger Jahren in Deutschland lebt, ist der "Benny Carter des modernen Jazz" – trotz Aufnahmen mit Größen wie Clifford Brown, Max Roach und Chet Baker – vielen Jazzfreunden nicht bekannt. Das sollte sich mal ändern!

Die 8. Gostenhofener Jazztage Nürnberg bieten vom 13. bis 18.10. mit 20 Konzerten an neun verschiedenen Spielorten eine bunte Palette des zeitgenössischen Jazz, aber auch Minimal Music und Bildende Kunst: Das Spektrum reicht von Minimal-Papst Terry Riley (14.10.) über den Baß-Virtuosen Renaud Garcia Fons (14.10.) bis zu so unterschiedlichen Musikern wie Dave Liebman (15.10.), Fred Frith (15.10.) und dem Max Kienastl Streichquartett (18.10.) – jazzenden Streichern der Bamberger Symphoniker. Ein eher mutiges Programm, verbindet es doch hohes Niveau mit weitgehendem Verzicht auf Publikumsmagneten.

Festivalstimmung auch bei Fritz. Am 29.10 starten die ersten Münchner Jazztage, die ein Who’s Who unserer traditionellen Jazz-Szene darstellen:  Hugo Strasser, Allotria Jazzband, Charlie Antolini und Oscar Klein, den wir in der letzten Zeit schon vermißt haben. Selbst wenn Oscar nicht so expressiv Oldtime-Trompete spielen würde, selbst wenn er kein Bluesgitarrist und Spätstarter auf der Klarinette wäre, allein schon als sprachlicher Unterhaltungsgarant wäre er hörenswert. 

Das Bürgerhaus Unterschleißheim ist immer für einen Jazz-Ausflug gut, so beispielsweise am 21.Oktober. Die aus der gerade für Pianisten bedeutsamen Detroiter Szene hervorgetretene Geri Allen ist längst zur First Lady unter den Pianistinnen ihrer Generation avanciert. Die "Atlantiv monthly" sieht in ihr "den vielseitigsten Jazzmusiker, der in den letzten zehn Jahren auftauchte." Ihr aktuelles Album "The Gathering" ist zugleich ihr Einstand beim Label Verve.

Rechtzeitig zu ihrem 60.Geburtstag konnte eine andere Pianistin, Carla Bley, mit drei CDs wieder auf sich aufmerksam machen: Mit der Ureinspielung ihrer legendären Jazz-Oper "Escalator over The Hill" (die im Rahmen des Klaviersommers auch in München zu erleben war), mit dem nicht weniger polystilstischen Nachfolge-Opus "Tropic Appetites" und mit einer überraschenden Neueinspielung: "Fancy chamber music" – auskomponierte Kammermusik der ganz anderen Art, an der auch Bley selbst und ihr Gefährte Steve Swallow mit von der Partie sind. Schon in unzähligen Projekten, beispielsweise im feinsinnigen Album "Go Together", haben Tastenlöwin und Baßsensibilist gezeigt, wie geschaffen sie füreinander sind. Seit 1991 arbeiten sie als Meister bittersüßer Lyrik im Duo-Format. Am 21.Oktober gastieren sie mit ihren "Duets" im Werkraum der Münchner Kammerspiele. 

Die Schweiz hat schon in den Basler Tambouren die älteste nicht-militärische Trommeltradition Europas. Daß die Schweiz auch als europäische Hochburg des Jazz-Schlagzeugspiels gilt, ist spätestens seit dem 1967er Album "From Sticksland With Love" kein Geheimnis mehr. Damals dokumentierten vier Schlagzeuger – Daniel Humair, Pierre Favre, Charlie Antolini, und Mani Neumeier – ihre ungeheure Kreativität mit Besen und Stöcken. Daß diese Idee auch über 30 Jahre später noch Früchte trägt, zeigen am 7. Oktober im Werkraum "Four in Time". Allroundpoet Pierre Favre und Humorist Daniel Humair sind wieder dabei, Fritz Hauser und Fredy Studer vervollständigen das aufregende Quartett.

Am 13. Oktober treten in der Münchner Philharmonie Wynton Marsalis und das Lincoln Center Jazz Orchestra in Erscheinung. Vor drei Jahren hinterließen sie beim Klaviersommer, zumindest beim Verfasser dieser Zeilen, einen zwiespältigen Eindruck. Wer – aus Verachtung von Tonkonserven – keine Ellington-Platten besitzt, sollte getrost auf diesen Klangkörper zurückgreifen: ein lebendiges Jazzarchiv, das damals vor allem Sätze der selteneren Suiten des Duke originalgetreu und technisch auf höchstem Niveau zum besten gab. So positive Effekte musikalischer Früherziehung Marsalis damit vor Schülern erzielen mag, so befremdlich wirkt im Jazz diese Art lebendiger Aufführungspraxis. Dizzy Gillespies "Things To Come", vor über 50 Jahren das revolutionärste Exempel großorchestraler afroamerikanischer Musik – heute ein Stück Museumskultur, dem man nichts Neues abzugewinnen vermag? Selbst wenn man geneigt ist, von dieser Art Jazz keine eigenschöpferische Originalität zu erwarten, ja Marsalis & Co den Status von klassischen Interpreten zubilligen möchte, so bleibt doch der Makel der Inkonsequenz: Jimmie Lunceford gilt den Mannen offenbar als weniger sakrosankt. So funktionierten sie Sy Olivers paradigmatische SwingNummer "For Dancers Only" zum Vehikel für Bop-Chorusse um; halbherzige Werktreue führt zu eigenartigen Blüten. Doch vielleicht ist es diesmal anders.

Eine Legende unter den Jazzbassisten gibt sich am 17.10. im Jazz-Studio Nürnberg die Ehre: Jimmy Woode. Der Unterzeichnende erinnert sich in diesem Zusammenhang an ein trauriges Münchner Beispiel. Als Woode vor etwa fünf Jahren im Allotria auftrat, bestand das Publikum aus sage und schreibe elf Gästen. Nach einer halben Stunde packten Woode, Warren Vaché & Co ein und gingen. Hoffentlich sind die Nürnberger etwas interessierter an dem Mann, der 1955 als Bassist Ellingtons bekannt wurde und über den der Duke zu erzählen wußte: " Ganz gleich, in welcher harmonischen oder melodischen Richtung wir uns bewegten, Jimmy Woode war immer schon da. Es entging ihm einfach nichts, er war ständig im Einklang mit unserer Musik, und ich begann, seinen wahren Wert zu erkennen. Er gehörte zu den Musikern mit Teamgeist, denen es nicht in erster Linie darum geht, ihr Licht leuchten zu lassen, sondern alles zu geben, was in ihnen ist."

Kaum zu glauben, aber schon 40 Jahre hat sie auf dem Buckel, die Alexander’s Jazzband. Die im Herbst 1958 von Studenten aus dem Würmtal gegründete Band ist also genauso alt wie das Blue Note in Paris, Fatty’s Saloon in Wien oder die Art-Blakey-Scheibe Moanin‘. Ein guter Jahrgang also für Legenden. Eigentlich wollte der Posaunist Alexander Bosl seine Kapelle Alexander’s Ragtime Band nennen. Doch da machte er die Rechnung ohne den Verlag des Irving-Berlin-Evergreens. Der Name wäre auch – trotz der durchaus oldtimigen Ausrichtung der Formation – etwas irreführend gewesen. Die Band steht, wie ihr Motto verkündet, für "happy music from New Orleans to Chicago". Die fröhlichen Dixieländer sind neben Leader Alexander Bosl der Trompeter Toni Ketterle, der Holzbläser Erhard Geissler, die Pianistin Lissi Baumann, der Bassist Jürgen "Kind" Reinhard und der Drummer Hans Richter. Wenn am 15.10. im Clublokal "Lochhamer Einkehr" zünftig gefeiert wird, werden auch zwei Gäste mitwirken: die Sängerin Uli Bülow und Pianist Martin Schmitt.

"Nur" halb so alt ist das Ruffini in der Münchner Orffstraße 22. Bei der Festwoche vom 18.10 bis 25.10. wurde auch der Jazz nicht vergessen. Für das Konzert mit dem Geiger Mic Oechsner und dem Gitarristen Traubeli Weiß am 20.10. hat man sich etwas Lustiges einfallen lassen: Wer in dieser Woche zwanzig wird, bekommt ein Getränk umsonst, und wer gar an jenem Tag 20 wird, kann, wenn er sich schnell anmeldet, einen von fünf Essensgutscheinen ergattern. Auch eine Art, Zigeunerjazz im Bewußtsein der Twens zu verankern. Preise wie vor 20 Jahren gibt es am 24.10., wenn das Ruffini mit einem Blech-Gitarren-Melodram im Sinne Karl Valentins abhebt, dessen Urheber keine geringeren sind als Gerd Baumann (g), Leo Gmelch (Tuba, tb) und Peter Tuscher (tp).

Eine noch zuwenig beachtete Spielstätte ist das "Forum 2" des Kulturvereins Olympiadorf (Nadistraße 3), wo zum Beispiel am 11.10. Jenny Evans mit dem Rudi Martini Trio und dem herausragenden italienischen Tenoristen Gianni Basso zu hören ist. Der Kulturverein, dessen umfassendes Angebot auch Ausstellungen, Kino, Lesungen und Theater umfaßt, präsentiert Jazz in einem reizenden kleinen Saal, dem ehemaligen Kino des Olympiadorfes, das etwa für 80 bis 100 Leute Platz hat. Neu gestylt, mit großer Bühne, angenehmem Licht und guter Akustik, wartet er noch auf die Entdeckung durch die Jazz-Gemeinde. Weitere Jenny-Termine: 3.10 Unterfahrt, 10.1. Ehinger Jazztage, 24.10. Jazzbar Vogler.

Stichwort Ehinger Jazztage: Dort ist am 10.10. auch die Band Brazil & Blue zu erleben. Die Namen Paquito d’Rivera (reeds), Hendrik Meurkens (harm) und Wolfgang Lackerschmid (vib) sprechen für sich.

Kaum ein Musiker in der heutigen Zeit erfüllt das Klischee der "lebenden Legende" mit soviel sprühendem Leben wie "Mister Bass" alias Ray Brown. Seine Walkin’-Linien mit den typischen Drops, Triolen und Arppeggien sind noch immer das höchste für viele Kenner. Brown kommt im Oktober mit seinem aktuellen Trio (Geoff Keezer und Greg Hutchinson) nach Europa. In Deutschland ist er nur zweimal zu hören, am Freitag, den 16.10., im Neuburger Birdland und am 18.10. im Hotel Bayerischer Hof in München. Das Programm des Night-Clubs im Bayerischen Hof ist mit weiteren Stars gespickt: 12.10. Pharoah Sanders, 22.10., Michael Brecker, 28.10. Klaus Doldinger, 29.10. Jimmy McGriff.

Das Programm der ins Kellergewölbe des Einstein (Einsteinstr. 42) gezogenen internationalen Jazzclub-Legende Unterfahrt entspricht dem Gil-Evans’ schen Qualitätsprädikat: "New Bottle, Old Wine". Oder wie Kollege Joe Kienemann schon vor fünf Jahren sagte: "Die Programmgestaltung von Christiane Böhnke hat eine qualitative Kontinuität. Der Besucher hat eine Heimat und sagt: "Mir ist wurscht wer spielt, ich weiß, ich werde gut bedient, und zwar immer." Zum Beispiel am 8.10. vom Arthur Blythe Quartet, am 16.10. vom Jason Seizer Quintet, am 22.10. von der Niels Landgren Unit, am 27.10. von Ray Anderson’s Pocket Brass Band feat. Lew Soloff, am 30.10. vom Klaus Ignatzek Quintet feat. Gustavo Bergalli & Claudio Roditi und am 20.10. von Karl Ratzer und Band. Meistergitarrist Karl Ratzer gehört zu den vielseitigsten und unberechenbarsten Musikerpersönlichkeiten Österreichs. Ob Swing oder Soul, Bop oder Rock – mit vorbehaltloser Hingabe schenkt er sich der jeweiligen Musik und seinem seinem Publikum. Diesmal wird er auch singen! Begleitet wird er von Heinz Jäger (b), Oliver Kent (p), Ricardo Mateus (perc), Lukas Knofler (d).

MARCUS WOELFLE

Die "Fun Tasten" sind wieder da! Die beiden Köpfe der Münchner Boogieund Strideconnection, Martin Schmitt und Bernd Lhotzky, haben das Kriegsbeil zwischen den einst einander argwöhnisch beäugenden Fraktionen begraben und ein im wahrsten Sinne des Wortes äußerst erfolgreiches joint venture gegründet. Gemeinsam schlagen sie nun die alten Schlachten an den Tasten und beschwören den vielbesungenen Geist der legendären cutting contests der zwanziger und dreißiger Jahre. Der Erfolg dieser gemeinsamen Unternehmungen würde auch die längst verblichenen Vorbilder der beiden Münchner Pianisten erfreuen, nämlich Pete Johnson, Albert Ammons und Meade "Lux" Lewis zum einen oder James P. Johnson, Fats Waller und Willie "The Lion" Smith zum anderen. Schließlich war es vor allem um das Stride-Piano lange Zeit sehr still geworden. Doch was Martin und Bernd inzwischen in den Fingern haben, hätte auch bei den beiden Dreigestirnen des frühen und sehr virtuosen Jazzpiano für Beachtung gesorgt Und ähnlich wie damals sind die "beidhändig" spielenden Pianisten wieder eine Klasse für sich. Eine kleine, aber feine Familie – heute allerdings, im Gegensatz zu einst, über Länder und Kontinente verstreut. Die früher regelmäßigen, informellen Familientreffen werden jetzt zu wahren Festen. Und wie das bei Familienfesten eben so ist, können nicht immer alle dabei sein. Bekannt in dieser Runde ist auf jeden Fall der Hamburger Boogie- Swing- und Stride-Entertainer Joja Wendt. Das Motto dieses vom Bebop kommenden Pianisten mag für Puristen ein wenig zu arg an den Spruch "Was beliebt ist, ist auch erlaubt" angelehnt sein. Doch mit frechem Lachen dürfte er darauf mit einem "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt" kontern und mit seinem Hummelflug abheben. Aus ganz anderem Holz geschnitzt ist der Stride-Pianist Louis Mazetier aus Frankreich. Ein Stilist, bei dem jeder Ton mit Akribie aus Stein gemeißelt steht. Und dann noch das "Piano-Monster" Dick Hyman, der bei dieser Tour zum ersten Mal zu den "Fun Tasten" stößt und in München zuletzt anno 1991 beim Piano Summit im Gasteig vom Verfasser dieser Zeilen präsentiert wurde. Nach Einladungen an Ray Bryant und Ralph Sutton sehen selbst die Piano-Götter aus dem Olymp den nächsten Treffen der "Fun-Tasten" mit Spannung entgegen: am 22. Oktober im Colosseum in München, am 24. im Curio-Haus in Hamburg, sowie "Hyman Solo" am 21. auf Schloß Elmau, am 23. im Museum in Basel und am 25. ebenfalls in der Schweiz, in Boswil.

HANS RULAND

Hamburg

"Jazzen wie Gott in Frankreich" hat sich die Gruppe Les Haricots Rouges vorgenommen und dabei ein dreiteiliges Menu zusammengestellt. Zuerst wird brillanter Oldtime-New-Orleans-Jazz serviert, dann geht es mit Rhythmen der Karibik weiter, und abgerundet wird das Ganze dann mit Elementen aus Pariser Revue und Cabaret. Ob die "Roten Bohnen" nun wirklich die berühmteste Jazzband Frankreichs sind oder nicht, jedenfalls haben sie nicht nur mit Louis Armstrong zusammen gespielt, sondern auch im Vorprogramm der Beatles, der Rolling Stones oder von Jaques Brel. Die Bandbreite dieser Band ist so enorm, daß sie sogar den Spagat schafft, mit einem Jazzprogramm in Karl Moiks Musikantenstadl auftreten zu können. Jean Paul Belmondo soll ein Fan der Band sein, einige seiner Filme wurden mit der Musik der swingenden Bohnen unterlegt. Gespeist wird am 22.10. im Cotton Club, eine Reservierung wird wohl nötig sein, um die "Gegner des Grams" zu erleben.

John Lurie ist wieder da. Der Saxophonist aus New York, der in der letzten Zeit eher Filmmusiken komponiert hat, als sich um seine Lounge Lizzards zu kümmern, stellt seine neue CD "Fishing with John" am 29.10. in der Fabrik vor. "John Lurie knowes nothing about fish-ing...", aber immerhin hat er den Soundtrack zur gleichnamigen US-TV-Comedy-Serie geschaffen und bringt nun diesen Schmelztiegel musikalischer Ausdrucksformen, eine Mischung aus Transzendenz und Straßenkultur, auf die Bühne.

Wer glaubt, in Hamburg regiere alleine die NDR Big Band, der hat sich gewaltig getäuscht. Natürlich ist es schwierig, ohne die monströsen Subventionen des NDR eine Band mit knapp 20 Musikern am Leben zu erhalten, aber trotzdem finden sich immer wieder einige unbeugsame Musiker, um Widerstand gegen das Aussterben der Big Band Kultur zu leisten. Am 9.10. kann man gleich an die 70 solcher Musiker in der Fabrik hören. Beim nun schon 4. Big Band Spektakel spielen die vier Big Bands JazzHaus-Big Band (ein Zusammenschluß einiger Musiker aus dem JazzHaus Verein), Disco 3000 (garantiert keine Disco-Musik von Mitgliedern des Tonartvereins), Criss Cross (unter der Leitung von Jochen Arp) und Skyliner (die mit Profimusikern aufgefüllte Universitätsbigband). Das Motto dieses Abends ist "Hamburger KomponistInnen und ArrangeurInnen". Ein Spektakel.

Marceo Parker, "The Architect of Groove", stellt sein neues Album "Funkoverload" vor. Er braucht dafür gleich zwei Tage, seine Fans passen nämlich gar nicht alle an einem Tag in die Fabrik. Wer also Soulfunkjazz im Original erleben will, kann zwischen dem 15.10. und dem 16.10. wählen.

"Der Jazz ist nicht tot, aber bewußtlos", sagt Joe Zawinul, unser Österreicher in New York. "Ich bin ein Space-Musiker", oder "ich spiele elektronisch, klinge akustisch". Als Komponist hat er sich natürlich mit Stücken wie "Birdland", "Mercy Mercy" oder "In a Silent Way" tief in die Herzen der Jazzfans gegraben und kann nun alles ausprobieren, was er schon immer über Elektronik im Jazz wissen wollte, was sich andere aber nie zu spielen trauen. Mit seiner aktuellen Band "Syndicate" kommt er am 21.10. in die Fabrik.

Ein kleines Jubiläum gibt es auf dem Feuerschiff zu feiern: Zum hundertsten Mal (!!!) spielt dort Abbi Hübner mit seinen Low Down Wizzards. Sollte es einen Hot Jazz Freund geben, der die bisherigen 99 Konzerte verschlafen hat, kann er nun im zweiten Hundert gleich vorne mit dabei sein: am 18.10. von 11 Uhr bis 14.30.

Am 9.10. wird Michael Gibbs wieder Gast bei der NDR Big Band im Studio 10 sein und eine Neubearbeitung einiger Stücke und Themen von Glenn Miller präsentieren. Michael Gibbs zählt zu den erfolgreichsten und besten der zeitgenössischen Arrangeure, es wird also eines der wirklich seltenen Konzerte werden, wo Glenn Miller Fans einträchtig neben den Freunden moderner Klänge sitzen können.

Das Kulturviertel in Kiel begeht zehnjähriges Jubiläum! Aus diesem Anlaß veranstaltet die Landeshauptstadt vom 31. Oktober an ein drei Monate dauerndes Kunstprojekt, bei dem auch der Jazzmusik Platz eingeräumt ist. Mehr darüber in den Kalendern der nächsten Ausgaben. Hochklassigen Jazz im Sophienhof gibt es am 24.10.: Das Gitarrenduo Saitensprünge hat Charlie Mariano und Mickey Bahner zum gemeinsamen Konzert eingeladen.

DIRK MEISSNER