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Wenn Gotteshäuser in den Münchner Stadtteilen Milbertshofen und Schwabing in diesem Frühjahr zur morgendlichen Sonntagsmesse verdächtig leer blieben, die Bäckereien im Osten der Stadt zeitgleich einen merklichen Umsatzrückgang beklagten und in den Parks der Umgebung selbst bei schönem Wetter weit weniger Menschen flanierten als sonst, dann mag das am zweiten BMW Welt Jazz Award gelegen haben.
Sechs eintrittsfreie Matinee-Konzerte mit Künstlern der unterschiedlichsten Couleur hatte der Autobauer unter dem Motto „Voices In Jazz“ angesetzt – die Anwohner nahmen die Offerte, dem Gesangs-Wettbewerb umsonst beizuwohnen, begeistert an. Schon deutlich vor jedem offiziellen Veranstaltungsbeginn bildeten sich imposante Schlangen mit Menschen, die Einlass begehrten. Der Doppelkegel, in dem um einen eigens geschaffenen Pokal und ein üppiges Preisgeld (10.000 Euro) gesungen wurde, konnte gar nicht alle Hörwilligen aufnehmen. Wer draußen blieb, hatte immerhin die Option, dem jeweiligen Konzert via „public viewing“ im Hauptgebäude der BMW Welt zu folgen.
Leichte Kost war es wahrlich nicht, die einem zumindest bei den ersten beiden Events zu früher Stunde und vermutlich auf leeren Magen geboten wurde. Der in New York lebende Dortmunder Theo Bleckmann eröffnete den Sanges-Reigen mit Musik, die so berührte wie verstörte, die mal meditativ, mal ziemlich verrückt angelegt war. Er borgte sich Klanggut aus dem Œuvre Charles Ives’, zitierte den persischen Sufi-Dichter Rumi, multiplizierte sich selbst mittels Digitaltrick und sang durch einen Gummi-Pömpel, mit dem sonst Toiletten von ihrer Verstopfung befreit werden. Seine vokalen Leistungen wurden von Ben Monder flankiert, einem der großen Gitarrenstilisten unserer Tage. Der lässt wundersam changierende Arpeggien ineinander gleiten, zirkulieren und wie Loopings in den kathedralenartigen Himmel des Doppelkegels steigen. Eine Woche später stieg ein weiteres Duo in den Wettbewerb ein. Michael Schiefel, der quirlige Sänger mit dem angenehm kindlichen Gemüt, und der Pianist Carsten Daerr pendelten gekonnt zwischen Verspieltem und Strengem, zwischen Mendelssohn und The Police, zwischen klassischer Form und offener Improvisation. Mit der in Freiburg lebenden, afrikanisch-französischen Sängerin Cecile Verny meldete dann die erste Frau ihren Anspruch auf den BMW Welt Jazz Award an. Ich vermute – vergeblich. Die sympathische Frau ließ das Erbe des schwarzen Kontinents weitgehend ungenutzt, präsentierte stattdessen sonnendurchflutete, harmlose Songs, die vom Charme der Sängerin profitierten, ihr schönes Timbre aufblühen ließen, aber auch schnell klar machten, welche deutlichen Grenzen ihr musikalisch gesetzt sind. Dazu kam, dass ihr flaues Trio nicht in der Lage war, Cécile Verny mögliche Reserven zu entlocken. Ein anderes Kaliber war da schon die in Bremen als Gesangsdozentin lehrende Portugiesin Maria de Fátima. Die verließ sich ganz auf ihre Bestimmung. Fado heißt soviel wie Schicksal. Und ihres hat gelächelt, als sie, der Geheimtipp unter den sechs Vokalisten, ihren Auftritt hatte. Fado ist die Musik, die in den Kaschemmen Lissabons entstand, der Blues Portugals.
Heute wird er meist von Frauen dargeboten, bei denen die dramatische Geste, die theatralische Note das Herzblut des Vortrags übertönt. Nicht so bei Maria de Fátima. Ihrem Jazz-durchtränkten Fado, den sie im Wechsel mit tänzelnden, brasilianisch getönten Nummern bot, wohnt bei aller Tiefe eine gewisse Leichtigkeit inne – de Fatimas facettenreiche Stimme hat Effekte, die den Inhalt ihrer Stücke unterstreichen sollen, nicht nötig. Die Sängerin konzentrierte sich ganz auf das Wesentliche. Da saß jede Note, jede Nuance, da wohnt die Seele in der Kehle. Nicht nur die Hansestädterin konnte punkten – ihr Trio mit dem deutschen Pianisten Sebastian Altekamp sowie den beiden Belgiern Nic Thys (Bass) und Dré Pallemaerts zeigte, wie sich eine gute, geschmackssichere, sensible wie zupackende, offene Rhythm-Section auf die Leistung des Solisten im Vordergrund auswirken kann. Inzwischen haben mit Efrat Alony und Youn Sun Nah die letzten beiden Mitbewerber um den zweiten BMW Welt Jazz Award ins Geschehen eingegriffen. Die fünfköpfige Fachjury nominierte am 14. März Maria de Fátima und Youn Sun Nah fürs Finale, das am 17. April, um 20 Uhr, im Auditorium der BMW Welt stattfindet. Ssirus W. Pakzad |
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