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So richtig will er es ja nicht zugeben, aber es freut Sepp Werkmeister schon sakrisch, dass es am Ende doch alles geklappt hat mit der Ausstellung im Foyer des Münchner Gasteigs. Gemeinsam mit dem eine gute Generation jüngeren Kollegen Oskar Henn hat er sich die Mühe gemacht, sich auf insgesamt rund 170 Fotos zu einigen, die die beiden dann sorgfältig fürs Publikum aufbereitet haben. Zwei Tage wuselten sie zusammen mit ein paar fleißigen Helfern in den Gängen zwischen Black Box und Carl-Orff-Saal herum, stimmten Bildwirkungen aufeinander ab, korrigierten die Reihenfolgen und Kontraste, bis schließlich eine Ordnung gefunden war, die die Portraits und Musikszenen optimal darstellte.
Als die Ausstellung dann am 7. Mai eröffnet wurde, sah man zahlreiche staunende Gesichter vor den Bildern verweilen. Denn vor allem Werkmeisters Œuvre ähnelt einer kleinen optischen Geschichte des Nachkriegsjazz, mit zum Teil unglaublichen Portraits von den Heroen der Zunft, die der musikbegeisterte Münchner seit den ersten Schnappschüssen 1952 mit seiner Rolleiflex festhielt. Johnny Griffin zum beispielsweise mit einem spitzbübischen Lachen, das nicht nur einen fröhlichen Moment, sondern auch ein paar Schneidezähne abbildete, in deren geschwungene Lücke offensichtlich genau das Mundstück seines Saxofons passte. Oder einen tieftraurigen Ben Webster bei einem nächtlichen Termin in Villingen, einen noch geschniegelten Miles Davis im Anzug auf der Newport-Bühne lange vor den freakigen 60er Jahren einen melancholischen Duke Ellington after hours mit der Kippe im Mundwinkel oder einen John Coltrane, dessen Blick sich gerade den Sphären näherte, die er musikalisch zu erreichen suchte. Josef Werkmeister hat sie alle erwischt und er hat zum jedem Bild auch eine Geschichte: „Bei Coltrane war das so: Er hat ein Konzert gegeben in Newport, kurz nach ‚A Love Supreme‘, und Bob Thiele, der Producer von Impulse meinte zu mir: ‚Joe, in einer Woche spielt er im Village Gate, und ich stell ihn dir dann vor!‘ Natürlich bin ich hingefahren und natürlich waren auch alle da, der Cannonball Adderley, der große Monk hat sich das angehört und Coltrane hat um sein Leben gespielt. Er hat vibriert. Ich war an einer Säule gestanden, habe mich angelehnt und die Bilder sind alle nicht scharf. Man bekam ihn einfach nicht scharf, obwohl ich mit einem 60stel fotografieren konnte. In der Pause also ging ich in die Küche, weil Bob zu mir gesagt hat, dass er dort ist. Da kamen die Musiker alle zusammen, es wurde ordentlich geraucht und getrunken, es war dicke Stimmung, aber Coltrane war nicht im Raum. Ich ging dann durch eine Türe, eine Eisentreppe hinunter und da stand er, ganz alleine und schaute geradeaus. Ich bin mit der Rolleiflex an ihm vorbei gegangen, es war so mäßiges Licht, ich habe die Kamera schräg gehalten und drauf gedrückt. Das hat er gar nicht gemerkt. Als ich das Bild dann entwickelt habe, habe ich erst gesehen, was er für glühende Augen hatte“.
Fotografie hat etwas mit Jagd, mit Voyeurismus, aber auch mit Ehrfurcht zu tun. Josef Werkmeister hat die Helden seiner musikalischen Passion – als junger Mann hatte er sich selbst an der Trompete versucht, aber angesichts mangelnden Talents das Instrument dann gegen eine Kamera getauscht – immer versucht, das Gesicht zu geben, das ihrem Innersten entsprach. Bei Konzerten wartete er oft bis zu den letzten Stücken, wenn die Musiker entspannt und inspiriert waren. Er ging nah ran und erwischte sie in persönlichen, aussagekräftigen Momenten, verschwitzt, gelöst, entrückt. Er fing ihren Schatten ein und die meisten seiner Künstler wussten diese Fähigkeit der ausdauernden Beobachtung zu schätzen: „Art Blakey hat einmal zu mir gesagt: Josef, du machst mich zu einem König. Natürlich gab es auch große Meister unter den amerikanischen Fotografen, aber die meisten haben die Musiker nicht so abgebildet, wie wir Europäer das getan haben. Vielleicht hat uns Bresson da mit seinem Blick alle ein bisschen in Bewegung gebracht.“ Josef Werkmeisters Bilder jedenfalls haben die Wahrnehmung von Jazz hierzulande und weit darüber hinaus geprägt. Selbst jemand wie Oskar Henn, ebenfalls ein bemerkenswerter Fotograf mit einer Passion für Bilder, die aus dem künstlerischen Augenblick heraus entstehen, steht fasziniert und mit einem Staunen im Ausdruck vor den Dokumenten des Chronistenlebens seines älteren Kollegen. Dabei hat auch er maßgeblich zur Wirkung der Ausstellung „Kind Of Blue“ beigetragen. Nicht mal ein Jahrzehnt in der Szene unterwegs, hat Oskar Henn von Jason Moran bis Joe Lovano und Geoff Goodman bis Max Frankl viele Koryphäen des Jazz verewigt. Auch wenn stilistisch und durch die Voraussetzungen der digitalen Fotografie gestalterisch mit dem Blick einer anderen Ära, schafft es Henn, an die Handschrift Werkmeisters anzuknüpfen und sie mit eigener Ästhetik fortzuführen. So ist „Kind Of Blue“ eine überdurchschnittlich gelungene und sehenswerte Ausstellung, die dokumentiert, dass sich die Begeisterung für Jazz, ja überhaupt die Stimmung von Musik sehr wohl in Bilder fassen lässt. Ralf Dombrowski
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