Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Niels Klein ist ein viel beschäftigter Mann. Allein in den letzten vier Wochen vor unserem Gespräch in Berlin trat der 30-jährige Saxophonist, Klarinettist und Komponist mit sechs verschiedenen Ensembles auf – als Leader oder als Sideman. Im Juli hat er mit einem dieser Ensembles, Firomanum, in Salzau den ersten Jazz Baltica Förderpreis bekommen. Hauptberuflich arbeitet Klein jedoch als Saxophonist der Heavytones, der Studioband in Stefan Raabs Show „TV Total“, deren Gründungsmitglied er auch ist. Eine Arbeit, die er sehr schätzt: „Die Band arbeitet musikalisch auf einem hohen Niveau und hat einen hohen Anspruch an sich selbst. Ich kann mich da jeden Tag aufs Neue einbringen und muss kein 08/15-Popsaxophon spielen.“ Die geregelten Arbeitszeiten mit Aufzeichnungen am Nachmittag bieten ihm darüber hinaus die Zeit, sich seinen vielen anderen Projekten zu widmen. Dabei hat sich Klein nicht nur als brillanter, durch die Avantgarde der 60er-Jahre geschulter Holzbläser hervorgetan, sondern sich vor allem als einer der derzeit spannendsten deutschen Komponisten für große Jazz-Besetzungen etabliert. So gab es 2005 neben einer Einladung zum internationalen EuroRing Composers Workshop mit Vince Mendoza und einer damit verbundenen Auftragskomposition für das Metropole Orchestra Hilversum den Auftrag, für den WDR ein Tentett zusammenzustellen und ein entsprechendes Programm zu erstellen. Die erfolgreiche Zusammenarbeit und das auf der CD „The Last Soup“ hervorragend dokumentierte Ergebnis veranlassten den Sender, den gebürtigen Norddeutschen 2008 auch für die Rolle des Komponisten und Dirigenten des European Youth Jazz Orchestras auszuwählen. Eine Wahl, die für Klein ein Glücksfall war: „Die ganze Tournee und die Arbeit mit dem Orchester war eine der besten Sachen, die einem passieren können.“ Im Gegensatz zu nationalen Institutionen wie dem BuJazzO ist das European Youth Jazz Orchestra kein Förderinstrument im klassischen Sinne. Jedes Mitglied der EBU (European Broadcasting Union) nominiert in jedem Jahr einen talentierten jungen Musiker seines Heimatlandes im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Diese werden schließlich zu einer 17-köpfigen Big Band zusammengeführt. Im jährlichen Wechsel zwischen den Mitgliedsstaaten werden dann die Tournee ausgerichtet und der Komponist und Dirigent gewählt. In diesem Jahr durch den WDR. Die Tournee führte das Ensemble durch Dänemark, Belgien, Luxemburg und Deutschland und endete mit einem Auftritt auf dem Moers Festival. „European Space Orchestra“ so bezeichnet „Commander“ Klein die Big Band zum Abschluss des im Internet veröffentlichten Tourtagebuchs. Denn im Zentrum der Sets des EYJO stehen mit „Skylift“ und „The 14th Voyage“ zwei Stücke, bei denen sich Klein unter anderem von Klassikern der Science-Fiction-Literatur hat inspirieren lassen. Sie sind die komplexesten und längsten Werke des gesamten Programms. Kleins Kompositionen sind aber keine Programmmusik sondern Ergebnis unterschiedlicher Inspirationsquellen: „In dem Roman „Solaris“ beschreibt Stanislaw Lem unter anderem die Erforschung eines Ozeans, in dem sich dieses unglaubliche Ding komplett symmetrisch aufbaut und dann so ganz sang- und klanglos am Ende zerfällt. Zur gleichen Zeit habe ich Partituren von Dutilleux analysiert und meine Satztechnik von ihm ein bisschen abgeleitet, denn symmetrische Strukturen haben mich schon immer interessiert. Außerdem geht es bei Dutilleux um Licht, Brechung und Lichtstrahlen und das dann alles zusammen in einem Topf mit dem Ozean und diesem Gebilde, das sich so imposant aufbaut und im Anschluss brachial und archaisch zerstört, das ist dann so eine Assoziationswelt, in dem solch ein Stück entsteht.“ Bereits im Vorfeld hat sich Klein anhand von Demobändern mit den musikalischen Qualitäten der Musiker des EYJO auseinandergesetzt. So konnte er sich beim Komponieren und Arrangieren bereits auf deren teilweise herausragenden Fähigkeiten einstellen und Spots finden, um diese zu integrieren beziehungsweise präsentieren. Eines dieser Talente war der junge norwegische Trompeter Eivind Nordset Lønning: „Bei dem war klar, dass man den mal sein Zeug spielen lassen musste. Das wäre sonst verschenkt gewesen.“ Für seine Musik sei das insgesamt ein großer Gewinn gewesen. Der spannungsreiche Wechsel zwischen Kollektivimprovisation und notiertem Spiel in Kleins Arrangements stellte dabei einige Musiker vor große Herausforderungen, die teilweise noch gar keine Erfahrungen mit freien Formen im Jazz hatten. Klein konnte jedoch vermitteln, dass er es nicht auf „irgendwelche Gimmicks“ angelegt hatte, sondern eine klare Vorstellung von seinen Kompositionen hatte. Es ist bezeichnend, dass der Bandleader Niels Klein seine vielfach
gleichaltrigen Musiker dazu gebracht hat, sich dieser Herausforderung
zu öffnen: „Wenn
jeder total konzentriert ist, so ist das eine Chance, dass die kollektiven
Improvisationen aufblühen und wirklich konzentriert klingen. Und
da habe ich auch hoffentlich erfolgreich vermitteln können, wie
man so was angeht.“ Peer Steinwald |
|