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Jermaine Landsberger/Paulo Morello Hammond Eggs Als sich Jazzpianist Jermaine Landsberger vor vier Jahren zum ersten
Mal an der Orgel präsentierte, durfte man den Beginn einer wunderbaren
Freundschaft erleben. Der explosive Tastenvirtuose schien vom Strominstrument
zusätzlich elektrisiert und Sonore Das sind Energiestöße, wie man sie lange nicht mehr gehört
hat. Drei Klangmeister an den Saxophonen und Klarinetten. Energiestöße,
reine Tonaktivität, kaum gebändigt durch Organisationsströme.
Peter Brötzmann, Mats Gustafsson und Ken Vandermark veranstalten hier
ein Klang-, Ton-,
Geräuschgewitter, das donnert, knistert, schäumt, strömt,
dunkelt, erhellt. Immer wieder ist es von höchster Erstaunlichkeit,
wie hier Krach in musikalisch kinetische Energie umgewandelt wird – und
umgekehrt. „Straight Into The Light“, gleich die erste Nummer
der knapp 50-minütigen Musikwalzen eröffnet einen Tonkosmos extremen
Ausmaßes: kochend, kreischend, grummelnd, pulsierend – Tripelquasaren
gleich. Das alles wirkt dann wie eine geradezu neue Lebensform: Prometheus
spielte in Wirklichkeit Saxophon. Manchmal wie im Muster eines „Wir
bauen eine Stadt“-Diktums, mal im Muster der bloßen Durchdringung
aus sich selbst, eine Art musikalische Selbstverzehrung, eine sich selbst
einstülpende Lebensform, nachgerade sich selbst verdauend: Schwarze
Löcher. Man muss beim Hören den Eindruck gewinnen, dass man miterlebt,
wie es sein muss, wenn Materie entsteht. Eine ungeheuerliche Platte, Jetztzeit!
(Und dann, irgendwo eine größere kleine Terz, für sich,
ein Blues im Urzustand, vor seiner Entstehung.) „Two Birds In A Feather“:
gleichwie herzensbeladen, ein Flugversuch unter Gravitationszwang. Abheben
ohne Abgehobensein. Wolf Kampmann schreibt im Booklet: „Nicht einmal
das Zufälligste ist hier dem Zufall geschuldet.“ So ist es,
genau so war aller Anfänge Anfang. Charles Tolliver Big Band Man
will es einem so hochkarätigen Musiker wie Charles Tolliver einfach
gönnen, dass er sich mit dem Klangkörper seiner Big Band erfolgreich
bewährt. Und das fällt mit der vorliegenden CD-Veröffentlichung „With
Love“ wirklich nicht schwer. Tolli-ver präsentiert einen erstklassigen
Big-Band-Sound und die Kompositionen stammen aus seiner eigenen Feder,
abgesehen von einer wenig inspirierten Interpretation des Monk-Klassikers „Round
Midnight“. Ansonsten drehen die Bläser voll auf, es geht richtig
ab und wenn der Sound schön schräg wird, ist es doch immer wieder
ein gemanagtes Chaos, das geordnet zu den Ursprungsthemen zurückfindet. PUNKT „Punkt“ sind
Jan Bang und Erik Honoré, verstärkt
durch Sidsel Endresen, David Sylvian, Nils Petter Molvær, Arve Henriksen,
Audun Kleive, Eivind Aarset und Origami Ios. „Punkt“ produziert
mit allen Mitteln der elektronischen Daten- und Musikverarbeitung. Herausgekommen
ist dabei eine Art abgesägte Clubbing-Moderne: Punkt! Musik, die sich
an durchaus gängigen Stilmitteln der so zu nennenden Popelektronik
anlehnt, diese gleichwohl durchmischt mit einer rhythmischen Anspruchsleistung,
wie sie sich im besten Jazz orten lässt. Zwischen sound-convenience
(Klangannehmlichkeit) und structural disobedience (strukturellem Ungehorsam)
findet die Musik ihren eigenen Ort, der gleichwohl nicht auf einer Karte
beschreibbar wäre. „Crime Scenes“ als „Crime Scenes“ also
auch in musikalischer Hinsicht. Der Tatort realisiert sich als akustische
Relation. Als Bild schwebt da eine Fahrt durch nächtliche Kanäle
vor, an deren Rändern Dinge geschehen, in deren Prozess sich nicht
eingreifen lässt – man wird unruhig und ist gelähmt. Und
schon kommt das nächste Stück. Kaltheiß, Gänsefell,
scharfsüß. Doch in all der der Electronica-Sample und Re-Sample-Formhaftigkeit,
entgeht man nicht einer gewissen Attitüde. In der Eigendistanzierung
durch die Klangselbstbezüglichkeit, verliert man das Verhältnis
von Eigenem und Fremdem. Es entsteht eine Form verdrahteten Naturalismus‘.
Der musikalische Überschuss wird ironieresistent.
Dann zappeln nur die zerrissenen Wort- und Tonströme im Gefängnis
ihrer totalen Beherrschung und wirken sehr müde. Roscoe Mitchell Die 14 Musiker, die im Rahmen eines Münchner Improvisationssymposions
2004 zum Transatlantic Art Ensemble zusammengefasst wurden, bildeten wohlweislich
keine geschlossene Einheit, zu disparat war ihr Hintergrund, zu verschieden
ihre Spielauffassung. Dabei waren die talentierten Musiker, die sich aus
Roscoe Mitchells Not Factory Group und Evan Parkers Electro-Acoustic Ensemble
zusammensetzten, hoch motiviert und hatten eine Woche Probenzeit. An ihrer
Disziplin und Spielfreude kann es nicht gelegen haben, dass die Aufnahmen
kalt und steif wirken. Die Ideengeber, Mitchell und Parker, brachten zwar
zwei wichtige Strömungen gegenwärtiger improvisierter Musik zusammen,
doch Mitchells Stück ist insgesamt zu lang geraten, klingt konstruiert
und steif. Die Szenen aus seiner „Composition/Improvisation Nos.
1 ,2 + 3“, die der Saxophonist des Art Ensemble zu einer neunteiligen
Suite zusammengefasst hat, gereichen allenfalls der Neuen Musik zur Ehre.
Komposition und Improvisation, für Mitchell immer zwei Seiten einer
Medaille, verschränken sich hin und wieder, doch Noten dominieren.
Die führenden europäischen Improvisatoren, die schon in Barry
Guys London Jazz Composers Orchestra zusammengearbeitet haben, und Musiker
wie der aufstrebende Trompeter Corey Wilkes oder der quirlige Pianist Craig
Taborn können nicht verleugnen, dass aus der Great Black Music ein
zahnloser Tiger wird. Charlie Mariano Mit
herzerweichendem Ton demonstriert Mariano die hohe Kunst des Balladenspiels.
Am Ende seiner Karriere ist sein Stil zur höchsten Reife gelangt.
Ein paar Klassiker hat sich der Saxophonist vorgenommen, darunter „Prelude
to a kiss“ und „My Funny Valentine“ sowie vier Originals,
die aus eigener Feder stammen. Nach wie vor hat der 83-jährige Amerikaner
in Köln, diesmal von „seiner liebsten europäischen Rhythmusgruppe“ getragen,
wie die Plattenfirma mitteilt, eine vitale Ausstrahlung, die Respekt erheischt.
Sein Altsax hat immer noch den richtigen Biss, der die melodisch-atmosphärisch
dichten Balladen immer wieder expressiv aufmischt. Biréli Lagrène: Routes to Django Das Debüt-Album Biréli Lagrènes, an zwei grandiosen
Abenden im Mai 1980 aufgenommen, ist jetzt erstmals als CD erschienen.
Sie erinnert an ein musikalisches Wunderkind. Der 13-jährige Gitarrist
besaß damals schon frappierende Fingerfertigkeit. Er hatte großen Respekt vor Django Reinhardt, dem Übervater aller Sinti-Gitarristen.
Der Junge versuchte ihn nachzuahmen, was erstaunlich gut gelang. Der naturbelassene
Instrumentalklang wurde mit lyrischem Vibrato verbunden. Lagrène
wusste mit Einfallsreichtum und bemerkenswertem Feeling zu begeistern,
und hat sich zu einem der ganz Großen seines Genres gemausert. Mario Biondi & High Five Quintet „Handful
of Soul“ In Italien hat Mario Biondis Debüt einen Senkrechtstart hingelegt;
innerhalb weniger Wochen erreichte die Platte den Gold-Status. Der italienische
Sänger gibt hier seiner langjährigen Leidenschaft für Soul,
Rhythm`n Blues und Jazz Ausdruck. Die wurde schon in der Kindheit begründet,
als der kleine Mario stundenlang die Kassetten des Vaters hörte, von
James Brown bis Al Jarreau. Lars Danielsson & Leszek Mozdzer:
Pasodoble Wann sich Lars Danielsson und Leszek Mozdzer zu einem
Duo-Album zusammenfinden würden, war letztlich nur eine Frage der
Zeit und bedurfte noch eines letzten Anstoßes des Produzenten Siggi
Loch. Der polnische Pianist Leszek Mozdzer, der bereits mit Danielssons
letztem Projekt „Mélange
Bleu“ auf Tour war, veröffentlichte in Polen bereits zwei äußerst
erfolgreiche Trio-CDs mit Danielsson und
dem israelischen Percussionisten Zohar Fresco. Mozdzer gilt als einer der
begabtesten Jazzmusiker der jungen Generation in Polen und ist sicherlich
auch einer der erfolgreichsten Musiker seines Landes. Er begann mit fünf
Jahren Klavier zu spielen und studierte in Danzig klassische Musik und
Komposition, was bei seinen Improvisationen schnell deutlich wird. Sein
Spiel ist unglaublich facettenreich, differenziert und brillant, ohne sich
dabei in technische Spielereien zu verlieren. Auf der Duo-CD „Pasodoble“ musizieren
die beiden beseelt und kommunizieren tiefgehend miteinander. Bis auf einen
traditionellen Folksong „Eja Mitt Hjärta“ stammen die
Stücke allesamt aus den Federn der beiden Musiker. Es waren zu viele
Ideen da, als einfach nur Standards zu spielen: „Wir werden Musik
spielen, das ist alles“, sagte Danielsson, als er mit dem hoch motivierten
Mozdzer ins Studio ging, und genau das haben beide getan. „Pasodoble“ ist
ein spannendes Werk, das eine herrlich inspirierte, innige Stimmung verströmt. Maja Christina Die Schweizerin Maja Christina präsentiert ihr eigentliches Debüt-Album,
nach einem etwas untergegangen Album 2003. Es hat Jazz, Soul und Blues.
Als wäre er frisch auferstanden. Dezent die Instrumentierung, famos
und gewinnend der Gesang. Die Handarbeit der Begleitband ist so schnörkellos
wie effektiv, dass man stets den Eindruck hat, die Herrschaften schlürfen
nebenbei noch standesgemäß eine Flöte Champagner. In ihren
Songs, natürlich selbst geschrieben, verpackt Maja Christina anrührende
Liebesgeschichten, deckt mit warmen Balladen ihr und unser Seelenleben
auf, oder bringt uns mit den oft zitierten Midtempo-Songs zum Fingerschnipsen,
Fußwippen
und Schulter zappeln. Nie wirkt das durchkonstruiert oder abgeriegelt.
Jeder Song ist eine Einladung. Zu verdanken ist das wohl auch einem ordentlichen
Studium an der Jazzschule in Basel, an
der sie Gesang und Klavier studierte, und etlichen Workshops bei bekannten
Musikern wie Darmon Meader (New York Voices), Maria Joao, Diana Krall,
Bobby McFerrin, und Dianne Reeves. Im Herbst wird sie dann wohl live in
Deutschland zu sehen sein. Mit dabei: Roland Köppel (piano, hammond),
Emanuel Schnyder (bass), Pascal Graf (drums), Marco Figini (guitar) und
Thomas Achermann (alto sax). Nicht nur das ist zu empfehlen, auch Reinhören
in das wunderbare Album wird einige Abende des Lebens verschönern,
versüßen und anreichern. Scat Singing Scat – das Singen von aneinandergereihten Silben ohne Textbedeutung – ist
eine Form des Jazzgesangs, die in den 20erJahren entstand und später
vor allem im Bebop (Bop Scat) eine Rolle spielte. Sie ermöglicht Sänger
und Sängerinnen, mit den Melodieinstrumenten „gleichzuziehen” und
wie diese zu improvisieren. Es ist allerdings eine spezielle Kunst, die
vor allem eine sehr sichere Beherrschung von Jazzrhythmen voraussetzt.
Ihre Entstehung wird Louis Armstrong und seinem „Heebies Jeebies” von
1926 zugeschrieben, aber das war nicht die erste Aufnahme. Thomas Rückert Farben, Farben, Farben – darum geht es auf der neuen CD von Thomas
Rückert nicht allein im Titel. Weniger Standardinterpretationen – deren
gibt es drei: „Old Devil Moon“, „I Should Care“ und
ein harmonisch erweitertes „Blue In Green“ – als das
immer reizvoll fließende Spiel mit Tönen und Tönungen,
mit Abstufungen und Schattierungen, mit Leuchtkraft und Transparenz. Thomas
Rückert (p), sein Bru- Joe Sachse: Riff Auf seinem fünften Solo-Album vollführt Sachse ganz seine Kunst.
Der Gitarrist spielt straighte Titel ebenso virtuos wie stille Miniaturen
oder atemberaubende Läufe. Er entwirft verschiedene Stimmungsbilder,
hält eineinviertel Stunden lang Branford Marsalis,
Braggtown Willkommen in „Braggtown“, wo es für Branford Marsalis
(ts, ss) keinen Grund zum Prahlen gibt. Denn er hat zwar dort (in einem
Stadtteil von Durham, North Carolina) gewohnt, aber der seltsame Name bezieht
sich nicht auf Musik seines Albums. Vielmehr ist sein Quartett mit Joey
Calderazzo (p), Eric Revis (b) und Jeff „Tain“ Watts (dr) in
alle Finessen des postmodalen Jazz eingeweiht. Das Idol John Coltrane ist
allgegenwärtig, insbesondere bei den exzessiven Skalengirlanden zu „Jack
Baker“, der zudem leger in Polyrhythmen tänzelt. Diese subtil
fortgebildete Stilreplik ist auch in den szenischen Aktionen eines obskuren „Blakzilla“ (parodistisch
nach dem japanischen Horrorfilm) zu hören. Solch hohe Energiepegel
und Expressivität beruhigen sich in der poetischen Ballade „Hope“ und
in dem sanften Cantus „O Solitude“ (nach Henry Purcell) mit
melodischem Balsam. So hat das Branford Marsalis Quartett für „Braggtown“ einen
ausgereiften Sound und noch wachsendes kreatives Potential parat. Mosaic Select Nach einer Reihe von Erfolgen für Blue Note in den Sechziger Jahren
verschwand Hill von den Bühnen der New Yorker Clubs. Er nahm eine
Lehrposition an und trat für eine ganze Weile nur noch auf dem flachen
Lande auf, bis er dann 1976 zusammen mit seiner kränkelnden Frau ganz
nach Kalifornien zog. Mit der vorliegenden Veröffentlichung von Solo-Piano-Aufnahmen
schließt Mosaic Records in seiner Select-Reihe erneut eine wichtige
Lücke im Schaffenswerk des Ausnahmepianisten Andrew Hill. Nach ersten
für die Fangemeinde überraschenden Solo-Ausflügen aus dem
Jahre 1975 („Hommage“ und „Live at Montreux“) spielte
er 1978 für das Label Fantasy weitere Solo-Aufnahmen ein. Auf drei
CDs sind nun die kompletten Sessions mit über zwei Stunden unveröffentlichtem
Material zusammengestellt, die Andrew Hill im Jahr 1978 aufgenommen hat.
Dabei musste man noch zaubern, waren die Master-Tapes der beiden einzigen
für kurze Zeit bei Artist House erhältlichen Titel „From
California with Love“ und „Reverend Du Bop“ verschollen.
Sie wurden in exzellenter Kleinarbeit mit hervorragendem Klangergebnis
für die Wiederveröffentlichung von Archiv LPs neu gemastert.
Wer Andrew Hill kennt, weiß, dass es sich bei den vorliegenden Aufnahmen
um musikalisch einzigartige Leckerbissen handelt. Zu beziehen ist diese
3-CD-Box wieder direkt bei Mosaic unter: www.mosaicrecords.com. Pietro Tonolo Der Saxophonist Pietro Tonolo hat sich für sein Elton-John-Projekt „Your
Songs“ eine absolute Traumband zusammenstellen können. Mit von
der Partie sind Gil Goldstein an Piano und Akkordeon, der Bassist Steve
Swallow sowie der großartige Paul Motian an den Drums. Bereits
in den 90er-Jahren spielte Tonolo bei Paul Motian als Saxophonist und so
ist auch die gemeinsame Vergangenheit wiederum eine gute Basis für
dieses neue Vorhaben. Kompositionen von Elton John für Jazz-Quartett
zu arrangieren, diese Idee ist gar nicht so weit hergeholt. Schon nach
den ersten Tönen wird klar, dieses Konzept funktioniert und belegt,
wie musikalisch differenziert Elton Johns Hits sind. Die großartigen
Songs machen so noch mal mehr Spaß und eignen sich hervorragend für
ein klassisches Jazz-Quartett. Klassiker wie „Tiny Dancer“ oder „Goodbye
Yellow Brick Road“ erwecken mit Tonolos Quartett den Eindruck als
wären es Jazz-Standards aus dem Real Book. Ohne viel Schnörkel
werden die Songstrukturen vorgestellt, um dann mit facettenreichen Improvisationen
und leisen, aber eindringlichen Tönen den lyrischen Harmonien Tribut
zu zollen. Als Verbeugung vor dem Maestro steuerte Pietro Tonolo noch eine
eigene Komposition, „White Street“, sowie einen Epilog für
dieses wundervolle Album bei. Zeitlos schöne Themen, hervorragend
interpretiert, keine Musik für zwischendurch, sondern zum Nachhorchen! |
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