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Jazzzeitung

2007/03  ::: seite 13-15

rezensionen

 

Inhalt 2007/03

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / News / break // kurz, aber wichtig
all that jazz: Die Welt der Avatare
no chaser: Der Druckfehlerteufel
jazzfrauen: Carla White
Farewell: Zum Tod des Klarinettisten Tony Scott


TITEL

Für eine Nacht oder fürs Ganze Leben?
Jazz meets Klassik– ein Statement von Roland Spiegel


DOSSIER -
MAHAVISHNU FOREVER
Original und Widmung • Von Hans-Jürgen Schaal


BERICHTE
/ PREVIEW
Marc Brenken hat die Ruhrgebiets-Jazzszene für sich entdeckt || Burghausen 2007 || Der Saxophonist Rosario Giuliani || New Generation Jazzwettbewerb 2007 || Neuer Deutscher Jazzpreis || David Sanchez Group in Memmingen || Das Trio CEG in Bad Pyrmont


 PORTRAIT / INTERVIEW
Zum 70. Geburtstag von Pierre Favre || Joachim Kühn und die Kalimba – eine interkulturelle Begegnung

 JAZZ HEUTE
Jung, talentiert, deutsch sucht Veranstalter
ACT fördert mit der Reihe „Young German Jazz“ gezielt junge Talente
Förderung mit System

Bundestag debattiert über Jazz


 PLAY BACK / MEDIEN

CD.
To Bi or not to bi
Biréli Lagrène auf Djangos Spuren

CD.
CD-Rezensionen
CD.
Analog - Digital
CD.
Critics Choice
CD. Scheffners Liste
DVD. DVD-Rezensionen
Bücher:
Neue Jazzbücher zu Lee Morgan und zur Jazzszene der DDR || Lee Tanner: The Jazz Image
Noten. Peter Wicke, Wieland & Kai-Erik Ziegenrücker: Handbuch der populären Musik und anderes


 EDUCATION
Ausbildung. Ausbildungsstätten in Deutschland - Fortbildungen, Kurse (pdf) (62 kb)
Abgehört 49. Auf dem Jazzgitarren-Olymp (1/2)
John Scofields Solo über Pat Methenys „The Red One“

CD-Rezensionen

Jermaine Landsberger/Paulo Morello Hammond Eggs
In & Out Records IOR CD 77087-2

Als sich Jazzpianist Jermaine Landsberger vor vier Jahren zum ersten Mal an der Orgel präsentierte, durfte man den Beginn einer wunderbaren Freundschaft erleben. Der explosive Tastenvirtuose schien vom Strominstrument zusätzlich elektrisiert und
schwang sich zu neuen Höhenflügen auf. Nun hat es aber doch ein wenig gedauert, bis er dieser Leidenschaft in einer festen Besetzung und mit CD-Aufnahme frönen konnte.
Damals wie jetzt mit von der Partie ist Gitarrist Paulo Morello, der in den vergangenen Jahren nicht nur jede Menge Samba- und Bossa-Erfahrung gemacht hat, sondern auch in Sachen Orgeltrio seine Feuertaufe hinter sich hat: Bei niemand Geringerem als dem legendären Jimmy Smith sprang er ein und wurde – als einziger weißer Gitarrist nach Larry Corryell und Pat Martino – von dem wenig zimperlichen Grantler nicht gleich wieder von der Bühne geschickt. „Thank god you play a black guitar“ war einer der Sprüche, die er da zu hören bekam.
Für ihre gemeinsame CD „Hammond Eggs“ wollten Paulo Morello und Jermaine Landsberger aber bewusst nicht nur die Blues- und Groove-Kiste auspacken. Eigene Kompositionen, darunter Landsbergers vertrackte Coltrane-Hommage „Gypsy Steps“, und auf wundersame Weise überlieferte Nummern des sagenumwobenen Gitarristen Costa Lukacs geben der Scheibe einen angenehm nachdenklichen Charakter, der auch die beiden großartigen Standard-Deutungen „If you could see me now“ und „Alone together“ prägt.
Juan Martin Koch

Sonore
Only The Devil Has No Dreams

FMP, Jazzwerkstatt 013

Das sind Energiestöße, wie man sie lange nicht mehr gehört hat. Drei Klangmeister an den Saxophonen und Klarinetten. Energiestöße, reine Tonaktivität, kaum gebändigt durch Organisationsströme. Peter Brötzmann, Mats Gustafsson und Ken Vandermark veranstalten hier ein Klang-, Ton-, Geräuschgewitter, das donnert, knistert, schäumt, strömt, dunkelt, erhellt. Immer wieder ist es von höchster Erstaunlichkeit, wie hier Krach in musikalisch kinetische Energie umgewandelt wird – und umgekehrt. „Straight Into The Light“, gleich die erste Nummer der knapp 50-minütigen Musikwalzen eröffnet einen Tonkosmos extremen Ausmaßes: kochend, kreischend, grummelnd, pulsierend – Tripelquasaren gleich. Das alles wirkt dann wie eine geradezu neue Lebensform: Prometheus spielte in Wirklichkeit Saxophon. Manchmal wie im Muster eines „Wir bauen eine Stadt“-Diktums, mal im Muster der bloßen Durchdringung aus sich selbst, eine Art musikalische Selbstverzehrung, eine sich selbst einstülpende Lebensform, nachgerade sich selbst verdauend: Schwarze Löcher. Man muss beim Hören den Eindruck gewinnen, dass man miterlebt, wie es sein muss, wenn Materie entsteht. Eine ungeheuerliche Platte, Jetztzeit! (Und dann, irgendwo eine größere kleine Terz, für sich, ein Blues im Urzustand, vor seiner Entstehung.) „Two Birds In A Feather“: gleichwie herzensbeladen, ein Flugversuch unter Gravitationszwang. Abheben ohne Abgehobensein. Wolf Kampmann schreibt im Booklet: „Nicht einmal das Zufälligste ist hier dem Zufall geschuldet.“ So ist es, genau so war aller Anfänge Anfang.
Martin Hufner

Charles Tolliver Big Band
With Love

Blue Note/Mosaic 0946 3 69315 2 4

Man will es einem so hochkarätigen Musiker wie Charles Tolliver einfach gönnen, dass er sich mit dem Klangkörper seiner Big Band erfolgreich bewährt. Und das fällt mit der vorliegenden CD-Veröffentlichung „With Love“ wirklich nicht schwer. Tolli-ver präsentiert einen erstklassigen Big-Band-Sound und die Kompositionen stammen aus seiner eigenen Feder, abgesehen von einer wenig inspirierten Interpretation des Monk-Klassikers „Round Midnight“. Ansonsten drehen die Bläser voll auf, es geht richtig ab und wenn der Sound schön schräg wird, ist es doch immer wieder ein gemanagtes Chaos, das geordnet zu den Ursprungsthemen zurückfindet.
Es gibt ein Wiederhören mit alten Bekannten wie Billy Harper, Victor Lewis, Cecil McBee oder Howard Johnson, und auch Jason Jackson oder Robert Glasper sind mit von der Partie. Alle bewegen und bewähren sich im Kontext der musikalischen Konzeption Tollivers, der seiner Big Band viel abverlangt, aber auch entsprechend solistische Freiheiten gewährt. Seine Arrangements sind nicht allzu vertrackt oder gekünstelt. Tolliver mag klare Melodielinien gepaart mit schrägen Einlagen und freien Improvisationen im Rahmen des Klangkörpers einer Big Band. Interessant wird es dann, wenn Tolliver selbst ansetzt – er hat über die Jahre hinweg nichts von seiner Ausdruckskraft an der Trompete verloren. Alles in allem ein erstklassiges Album und ein hervorragender Einstand für Charles Tolliver bei Mosaics neuem, eigenen Label, das über Blue Note vertrieben wird!
Thomas J. Krebs

PUNKT
Crime Scenes

Jazzland Records

„Punkt“ sind Jan Bang und Erik Honoré, verstärkt durch Sidsel Endresen, David Sylvian, Nils Petter Molvær, Arve Henriksen, Audun Kleive, Eivind Aarset und Origami Ios. „Punkt“ produziert mit allen Mitteln der elektronischen Daten- und Musikverarbeitung. Herausgekommen ist dabei eine Art abgesägte Clubbing-Moderne: Punkt! Musik, die sich an durchaus gängigen Stilmitteln der so zu nennenden Popelektronik anlehnt, diese gleichwohl durchmischt mit einer rhythmischen Anspruchsleistung, wie sie sich im besten Jazz orten lässt. Zwischen sound-convenience (Klangannehmlichkeit) und structural disobedience (strukturellem Ungehorsam) findet die Musik ihren eigenen Ort, der gleichwohl nicht auf einer Karte beschreibbar wäre. „Crime Scenes“ als „Crime Scenes“ also auch in musikalischer Hinsicht. Der Tatort realisiert sich als akustische Relation. Als Bild schwebt da eine Fahrt durch nächtliche Kanäle vor, an deren Rändern Dinge geschehen, in deren Prozess sich nicht eingreifen lässt – man wird unruhig und ist gelähmt. Und schon kommt das nächste Stück. Kaltheiß, Gänsefell, scharfsüß. Doch in all der der Electronica-Sample und Re-Sample-Formhaftigkeit, entgeht man nicht einer gewissen Attitüde. In der Eigendistanzierung durch die Klangselbstbezüglichkeit, verliert man das Verhältnis von Eigenem und Fremdem. Es entsteht eine Form verdrahteten Naturalismus‘. Der musikalische Überschuss wird ironieresistent. Dann zappeln nur die zerrissenen Wort- und Tonströme im Gefängnis ihrer totalen Beherrschung und wirken sehr müde.
Martin Hufner

Roscoe Mitchell
Composition/Improvisation Nos 1, 2 + 3

ECM 1872

Die 14 Musiker, die im Rahmen eines Münchner Improvisationssymposions 2004 zum Transatlantic Art Ensemble zusammengefasst wurden, bildeten wohlweislich keine geschlossene Einheit, zu disparat war ihr Hintergrund, zu verschieden ihre Spielauffassung. Dabei waren die talentierten Musiker, die sich aus Roscoe Mitchells Not Factory Group und Evan Parkers Electro-Acoustic Ensemble zusammensetzten, hoch motiviert und hatten eine Woche Probenzeit. An ihrer Disziplin und Spielfreude kann es nicht gelegen haben, dass die Aufnahmen kalt und steif wirken. Die Ideengeber, Mitchell und Parker, brachten zwar zwei wichtige Strömungen gegenwärtiger improvisierter Musik zusammen, doch Mitchells Stück ist insgesamt zu lang geraten, klingt konstruiert und steif. Die Szenen aus seiner „Composition/Improvisation Nos. 1 ,2 + 3“, die der Saxophonist des Art Ensemble zu einer neunteiligen Suite zusammengefasst hat, gereichen allenfalls der Neuen Musik zur Ehre. Komposition und Improvisation, für Mitchell immer zwei Seiten einer Medaille, verschränken sich hin und wieder, doch Noten dominieren. Die führenden europäischen Improvisatoren, die schon in Barry Guys London Jazz Composers Orchestra zusammengearbeitet haben, und Musiker wie der aufstrebende Trompeter Corey Wilkes oder der quirlige Pianist Craig Taborn können nicht verleugnen, dass aus der Great Black Music ein zahnloser Tiger wird.
Reiner Kobe

Charlie Mariano
Silver Blue

Enja 9507

Mit herzerweichendem Ton demonstriert Mariano die hohe Kunst des Balladenspiels. Am Ende seiner Karriere ist sein Stil zur höchsten Reife gelangt. Ein paar Klassiker hat sich der Saxophonist vorgenommen, darunter „Prelude to a kiss“ und „My Funny Valentine“ sowie vier Originals, die aus eigener Feder stammen. Nach wie vor hat der 83-jährige Amerikaner in Köln, diesmal von „seiner liebsten europäischen Rhythmusgruppe“ getragen, wie die Plattenfirma mitteilt, eine vitale Ausstrahlung, die Respekt erheischt. Sein Altsax hat immer noch den richtigen Biss, der die melodisch-atmosphärisch dichten Balladen immer wieder expressiv aufmischt.
Reiner Kobe

Biréli Lagrène: Routes to Django
Le chant du monde 1493/Har. Mundi

Das Debüt-Album Biréli Lagrènes, an zwei grandiosen Abenden im Mai 1980 aufgenommen, ist jetzt erstmals als CD erschienen. Sie erinnert an ein musikalisches Wunderkind. Der 13-jährige Gitarrist besaß damals schon frappierende Fingerfertigkeit. Er hatte großen Respekt vor Django Reinhardt, dem Übervater aller Sinti-Gitarristen. Der Junge versuchte ihn nachzuahmen, was erstaunlich gut gelang. Der naturbelassene Instrumentalklang wurde mit lyrischem Vibrato verbunden. Lagrène wusste mit Einfallsreichtum und bemerkenswertem Feeling zu begeistern, und hat sich zu einem der ganz Großen seines Genres gemausert.
Reiner Kobe

Mario Biondi & High Five Quintet „Handful of Soul“
intuition

In Italien hat Mario Biondis Debüt einen Senkrechtstart hingelegt; innerhalb weniger Wochen erreichte die Platte den Gold-Status. Der italienische Sänger gibt hier seiner langjährigen Leidenschaft für Soul, Rhythm`n Blues und Jazz Ausdruck. Die wurde schon in der Kindheit begründet, als der kleine Mario stundenlang die Kassetten des Vaters hörte, von James Brown bis Al Jarreau.
Die Platte lässt die Blütezeit des Soul aufleben. Experimentierfreudig geht es nicht gerade zu, auch die wenigen Neukompositionen sind stilistisch den Standards angeglichen. Konservativ ist auch die Konzentration auf die Singstimme Biondis, die in ihrer rauen Sinnlichkeit allerdings von faszinierender Qualität ist. Für das High Five Quintet, eine fünfköpfige Band aus Parma, bleibt allerdings nur die Aufgabe der instrumentalen Untermalung. Da kommen in erster Linie Nostalgiker auf ihre Kosten.
Mario Biondi stammt von der Ostküste Siziliens. Die Großmutter war Opernsängerin, der Vater Liedermacher, die musikalische Verwandtschaft brachte dem Jungen die Grundlagen der Gesangstechnik bei. Inzwischen lebt der 37-Jährige in Parma.
Dort hat er sich bis vor kurzem mit kleineren Auftritten und Aufnahmen von Dance Music über Wasser gehalten. Heute genießt er seinen Erfolg, der sogar zu
einer Einladung zum renommierten Schla-
gerfestival San Remo führte.
Antje Rößler

Lars Danielsson & Leszek Mozdzer: Pasodoble
ACT 9458-2

Wann sich Lars Danielsson und Leszek Mozdzer zu einem Duo-Album zusammenfinden würden, war letztlich nur eine Frage der Zeit und bedurfte noch eines letzten Anstoßes des Produzenten Siggi Loch. Der polnische Pianist Leszek Mozdzer, der bereits mit Danielssons letztem Projekt „Mélange Bleu“ auf Tour war, veröffentlichte in Polen bereits zwei äußerst erfolgreiche Trio-CDs mit Danielsson und dem israelischen Percussionisten Zohar Fresco. Mozdzer gilt als einer der begabtesten Jazzmusiker der jungen Generation in Polen und ist sicherlich auch einer der erfolgreichsten Musiker seines Landes. Er begann mit fünf Jahren Klavier zu spielen und studierte in Danzig klassische Musik und Komposition, was bei seinen Improvisationen schnell deutlich wird. Sein Spiel ist unglaublich facettenreich, differenziert und brillant, ohne sich dabei in technische Spielereien zu verlieren. Auf der Duo-CD „Pasodoble“ musizieren die beiden beseelt und kommunizieren tiefgehend miteinander. Bis auf einen traditionellen Folksong „Eja Mitt Hjärta“ stammen die Stücke allesamt aus den Federn der beiden Musiker. Es waren zu viele Ideen da, als einfach nur Standards zu spielen: „Wir werden Musik spielen, das ist alles“, sagte Danielsson, als er mit dem hoch motivierten Mozdzer ins Studio ging, und genau das haben beide getan. „Pasodoble“ ist ein spannendes Werk, das eine herrlich inspirierte, innige Stimmung verströmt.
Thomas J. Krebs

Maja Christina
Quite A Night

Brambus Records

Die Schweizerin Maja Christina präsentiert ihr eigentliches Debüt-Album, nach einem etwas untergegangen Album 2003. Es hat Jazz, Soul und Blues. Als wäre er frisch auferstanden. Dezent die Instrumentierung, famos und gewinnend der Gesang. Die Handarbeit der Begleitband ist so schnörkellos wie effektiv, dass man stets den Eindruck hat, die Herrschaften schlürfen nebenbei noch standesgemäß eine Flöte Champagner. In ihren Songs, natürlich selbst geschrieben, verpackt Maja Christina anrührende Liebesgeschichten, deckt mit warmen Balladen ihr und unser Seelenleben auf, oder bringt uns mit den oft zitierten Midtempo-Songs zum Fingerschnipsen, Fußwippen und Schulter zappeln. Nie wirkt das durchkonstruiert oder abgeriegelt. Jeder Song ist eine Einladung. Zu verdanken ist das wohl auch einem ordentlichen Studium an der Jazzschule in Basel, an der sie Gesang und Klavier studierte, und etlichen Workshops bei bekannten Musikern wie Darmon Meader (New York Voices), Maria Joao, Diana Krall, Bobby McFerrin, und Dianne Reeves. Im Herbst wird sie dann wohl live in Deutschland zu sehen sein. Mit dabei: Roland Köppel (piano, hammond), Emanuel Schnyder (bass), Pascal Graf (drums), Marco Figini (guitar) und Thomas Achermann (alto sax). Nicht nur das ist zu empfehlen, auch Reinhören in das wunderbare Album wird einige Abende des Lebens verschönern, versüßen und anreichern.
Sven Ferchow

Scat Singing
The Art of Vocal Jazz (Sampler)

SAGA JAZZ 36, rec. 1927–49

Scat – das Singen von aneinandergereihten Silben ohne Textbedeutung – ist eine Form des Jazzgesangs, die in den 20erJahren entstand und später vor allem im Bebop (Bop Scat) eine Rolle spielte. Sie ermöglicht Sänger und Sängerinnen, mit den Melodieinstrumenten „gleichzuziehen” und wie diese zu improvisieren. Es ist allerdings eine spezielle Kunst, die vor allem eine sehr sichere Beherrschung von Jazzrhythmen voraussetzt. Ihre Entstehung wird Louis Armstrong und seinem „Heebies Jeebies” von 1926 zugeschrieben, aber das war nicht die erste Aufnahme.
Am 16. April 1924 sang Don Redman in dem Stück „My papa doesn‘t two-time no time” des Fletcher Henderson Orchesters 16 Takte Scat. Doch erst Armstrong machte diese Art des Singens populär und hob sie auf eine hohe Qualitätsebene. Mit seinem großartigen „Hotter than that” von 1927 fängt unsere CD auch an.
Die insgesamt 22 Titel bieten eine vorzügliche Einführung in den frühen Scatgesang, wobei auch Überraschungsgäste wie Ethel Waters, Bing Crosby, Budd Johnson, Buddy Rich, Mel Thormé (mit Roy Eldridge) und der Tänzer Bunny Briggs auftauchen. Den Bop Scat vertreten vor allem Dave Lambert, Ella Fitzgerald, Dizzy Gillespie und Joe Carroll. Leider fehlt Babs Gonzales. Und natürlich ging es mit dem Scat nach 1949 weiter. Wir hoffen also auf ein Vol. 2.
Joe Viera

Thomas Rückert
Blue In Green

Pirouet PIT 3020

Farben, Farben, Farben – darum geht es auf der neuen CD von Thomas Rückert nicht allein im Titel. Weniger Standardinterpretationen – deren gibt es drei: „Old Devil Moon“, „I Should Care“ und ein harmonisch erweitertes „Blue In Green“ – als das immer reizvoll fließende Spiel mit Tönen und Tönungen, mit Abstufungen und Schattierungen, mit Leuchtkraft und Transparenz. Thomas Rückert (p), sein Bru-
der Jochen (dr), und Matthias Pichler (b), nehmen mit auf einen sanft quirlenden Trip durch heiter-melancholisch kommunizierende Formen und Farben, Klänge und Nuancen.
Tobias Böcker

Joe Sachse: Riff
Jazzwerkstatt 003

Auf seinem fünften Solo-Album vollführt Sachse ganz seine Kunst. Der Gitarrist spielt straighte Titel ebenso virtuos wie stille Miniaturen oder atemberaubende Läufe. Er entwirft verschiedene Stimmungsbilder, hält eineinviertel Stunden lang
die Spannung. Zwischen stiller Reflexion und berstenden Rhythmen spielen sich die 22 Titel ab, von denen mehr als die Hälfte von Sachse selber stammt. Das Ganze gestaltet sich so vielfarbig, dass man oft glaubt, zwei Gitarristen gleichzeitig zu hören. Verblüffend, wie Sachse das alles ohne Tricks schafft. Die Gitarre ist für ihn nicht nur Melodie- und Rhythmusinstrument, sondern ebenso Bass und Perkussionsinstrument.
Reiner Kobe

Branford Marsalis, Braggtown
Marsalis Music/Universal Jazz

08749 4600042 0

Willkommen in „Braggtown“, wo es für Branford Marsalis (ts, ss) keinen Grund zum Prahlen gibt. Denn er hat zwar dort (in einem Stadtteil von Durham, North Carolina) gewohnt, aber der seltsame Name bezieht sich nicht auf Musik seines Albums. Vielmehr ist sein Quartett mit Joey Calderazzo (p), Eric Revis (b) und Jeff „Tain“ Watts (dr) in alle Finessen des postmodalen Jazz eingeweiht. Das Idol John Coltrane ist allgegenwärtig, insbesondere bei den exzessiven Skalengirlanden zu „Jack Baker“, der zudem leger in Polyrhythmen tänzelt. Diese subtil fortgebildete Stilreplik ist auch in den szenischen Aktionen eines obskuren „Blakzilla“ (parodistisch nach dem japanischen Horrorfilm) zu hören. Solch hohe Energiepegel und Expressivität beruhigen sich in der poetischen Ballade „Hope“ und in dem sanften Cantus „O Solitude“ (nach Henry Purcell) mit melodischem Balsam. So hat das Branford Marsalis Quartett für „Braggtown“ einen ausgereiften Sound und noch wachsendes kreatives Potential parat.
„ Die Band wird einfach immer besser", bestätigt der Saxophonist und Labeleigner Branford Marsalis. „Ich weiß, daß mein Ton sowohl auf dem Tenor als auch auf dem Sopran heute stärker fokussiert ist und daß sich meine Technik immens verbessert hat. Und dieselbe Art von Entwicklung kann man auch bei Joey, Revis und ‚Tain' heraushören."
Hans-Dieter Grünefeld

Mosaic Select
Andrew Hill – Solo

Mosaic Select 23 MS-023

Nach einer Reihe von Erfolgen für Blue Note in den Sechziger Jahren verschwand Hill von den Bühnen der New Yorker Clubs. Er nahm eine Lehrposition an und trat für eine ganze Weile nur noch auf dem flachen Lande auf, bis er dann 1976 zusammen mit seiner kränkelnden Frau ganz nach Kalifornien zog. Mit der vorliegenden Veröffentlichung von Solo-Piano-Aufnahmen schließt Mosaic Records in seiner Select-Reihe erneut eine wichtige Lücke im Schaffenswerk des Ausnahmepianisten Andrew Hill. Nach ersten für die Fangemeinde überraschenden Solo-Ausflügen aus dem Jahre 1975 („Hommage“ und „Live at Montreux“) spielte er 1978 für das Label Fantasy weitere Solo-Aufnahmen ein. Auf drei CDs sind nun die kompletten Sessions mit über zwei Stunden unveröffentlichtem Material zusammengestellt, die Andrew Hill im Jahr 1978 aufgenommen hat. Dabei musste man noch zaubern, waren die Master-Tapes der beiden einzigen für kurze Zeit bei Artist House erhältlichen Titel „From California with Love“ und „Reverend Du Bop“ verschollen. Sie wurden in exzellenter Kleinarbeit mit hervorragendem Klangergebnis für die Wiederveröffentlichung von Archiv LPs neu gemastert. Wer Andrew Hill kennt, weiß, dass es sich bei den vorliegenden Aufnahmen um musikalisch einzigartige Leckerbissen handelt. Zu beziehen ist diese 3-CD-Box wieder direkt bei Mosaic unter: www.mosaicrecords.com.
Thomas J. Krebs

Pietro Tonolo
Your Songs – The Music Of Elton John

ObliqSound OS 506

Der Saxophonist Pietro Tonolo hat sich für sein Elton-John-Projekt „Your Songs“ eine absolute Traumband zusammenstellen können. Mit von der Partie sind Gil Goldstein an Piano und Akkordeon, der Bassist Steve Swallow sowie der großartige Paul Motian an den Drums. Bereits in den 90er-Jahren spielte Tonolo bei Paul Motian als Saxophonist und so ist auch die gemeinsame Vergangenheit wiederum eine gute Basis für dieses neue Vorhaben. Kompositionen von Elton John für Jazz-Quartett zu arrangieren, diese Idee ist gar nicht so weit hergeholt. Schon nach den ersten Tönen wird klar, dieses Konzept funktioniert und belegt, wie musikalisch differenziert Elton Johns Hits sind. Die großartigen Songs machen so noch mal mehr Spaß und eignen sich hervorragend für ein klassisches Jazz-Quartett. Klassiker wie „Tiny Dancer“ oder „Goodbye Yellow Brick Road“ erwecken mit Tonolos Quartett den Eindruck als wären es Jazz-Standards aus dem Real Book. Ohne viel Schnörkel werden die Songstrukturen vorgestellt, um dann mit facettenreichen Improvisationen und leisen, aber eindringlichen Tönen den lyrischen Harmonien Tribut zu zollen. Als Verbeugung vor dem Maestro steuerte Pietro Tonolo noch eine eigene Komposition, „White Street“, sowie einen Epilog für dieses wundervolle Album bei. Zeitlos schöne Themen, hervorragend interpretiert, keine Musik für zwischendurch, sondern zum Nachhorchen!
Thomas J. Krebs

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