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Spaß und Groove sind die häufigsten Vokabeln in Joe Zawinuls Kommentaren zu seinem neuen Album „Brown Street“, das rechtzeitig zu seinem 75. Geburtstag und zum 20-jährigen Bühnenjubiläum seiner Band Syndicate erschienen ist. Als unangefochtener Maestro der Jazzfusion feiert er sich damit zunächst selbst: er ist Komponist aller Titel, dominanter Solist, Produzent, Besitzer des BirdJAM Labels sowie des Aufnahmeortes „Joe Zawinul’s Birdland“ in Wien. Kurzum: Joe Zawinul hat in Österreich und auch weltweit Markenstatus (ja, es gibt sogar eine Briefmarke mit seinem Konterfei), er ist ein Jazztrumpf mit Erfolgsgarantie.
Nun lenkt „Brown Street“ die Aufmerksamkeit allerdings zu einer Phase der Zawinul-Biographie, als er mit Weather Report eine bis dahin kaum vergleichbare Popularität auch außerhalb der Jazzszene hatte, bei Kritiker-Polls in den USA serienweise Spitzenwerte erhielt und so zur Keyboard-Kultfigur wurde. Maßgeblich war Joe Zawinul an der Öffnung des Jazz für Rockrhythmen beteiligt: zuerst mit dem Funk-Hit „Mercy, Mercy, Mercy“ für das Cannonball Adderly Quintett (1961-1970), dann bei Miles Davis und den „In A Silent Way“ – Sessions (1969) und am einflussreichsten durch Weather Report, 1971 mit Saxophonist Wayne Shorter gegründet und mit ihm zusammen bis 1985 dauerhaft kreativ und international erfolgreich etabliert. Die Musik von Weather Report entwickelte sich von relativ freien Experimenten mit elektronischen Effekten zu ziemlich festen Strukturen, wobei melodische Riffs und diffizile Rhythmen aus slawischer und anderer Folklore entlehnt und geschmeidig angepasst wurden. Frappierend schöne Akkordprogressionen reflektierten die global verstreuten Klangquellen wie in einem Fokus – soll heißen: im Keyboard von Joe Zawinul, wo er diverse Clips speicherte und zu Kaleidoskop-Songs umarbeitete. Sein überragendes Talent, aus exotischen Grooves, gesangsgeeigneter Melodik und typischer Jazzphrasierung stilistisch stimmige Synthesen zu formen, wirkte wie ein Katapult für den Erfolg von Weather Report. Charts- und Grammy-Nominierungen und andere Auszeichnungen begleiteten dessen spektakuläre Karriere, die 1977 mit dem überschwänglich heiteren „Birdland“, nun schon ein Evergreen, einen Ruhmesgipfel erreicht hatte. Leider nahm Joe Zawinul gerade „Birdland“ für sein Weather-Report-Memorial-Projekt mit der WDR Big Band Köln nicht ins Programm. Stattdessen übernahm er neun Arrangements des Kernrepertoires, die Vince Mendoza bereits angefertigt hatte. An vier Terminen probte Joe Zawinul mit der WDR Big Band Köln „nicht sehr lang, vielleicht zwei oder drei Stunden pro Tag. Manchmal hab’ ich die Probe sogar abgebrochen, weil ich nicht wollte, dass jemand zu akademisch an die ganze Sache herangeht. Ich wollte, dass alles ziemlich locker ist und dass die Band einfach die Musik so nimmt wie sie kommt.“ Etwas zu locker war diese Einstellung. Denn die WDR Big Band ist oft nur die Verdoppelung von Joe Zawinuls Keyboardpart oder Riff-Servierer für Solotrips wie bei „Brown Street“, wo Heiner Wiberny am Altosax und Paul Shigihara an der E-Gitarre eigene Kontrapunkte versuchen. Meist vergeblich. Sogar die überragende Solistin dieses Konzerts, Karolina Strassmayer, kann zwar am Altosax mehrmals expressives Temperament demonstrieren, doch auch sie muss sich dem unnachgiebig treibenden Groove, „der für mich an erster Stelle steht. Ohne ihn spiele ich gar nicht erst“, so Joe Zawinul, beugen. Besonders drückend ist dieser permanent hohe Energiepegel auf dem „Black Market“ und bei der „Procession“, weil die Pulsfrequenz nicht entspannt wird oder rhythmische Wechsel auch solistischen Freiraum hätten geben können. Das elastische Bass-Percussion Fundament bei Weather Report ist hier zugunsten intensiver Tanzstimulanzien gehärtet worden. Wenige Intermezzi lassen ahnen, dass dieses Projekt nicht nur Joe Zawinul in Großformat präsentiert, etwa „In A Silent Way“ mit impressionistischen Harmoniegebilden und einem einfühlsamen Trompetensolo von John Marshall oder die rasante „Fast City“, die durch polyrhythmische Kicks überrascht. Joe Zawinul bleibt, wie nicht anders zu erwarten, souverän in diesem Hochdruckgebiet seiner Musik, schaltet an den Registern seiner Synthesizer und freut sich über die gute Laune des Publikums. Jedes Solo von ihm bringt noch einige Gran mehr Tanztreibstoff ins Geschehen. In seinem Birdland hat er am 26. Oktober 2005 „richtig viel Spaß“ gehabt. Hans-Dieter Grünefeld |
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