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Es gibt ein altes Schwarzweiß-Foto von Manfred Bründl und seinem Bass. Er schmiegt sich an ihn, die Augen geschlossen, den Kopf leicht schräg an eine der hölzernen Schultern des Instruments gelehnt, scheint er ganz tief hineinzuhören in die Töne, die seine Finger gerade dem Bauch des Basses entlocken, die jedem einzelnen davon Raum und Persönlichkeit geben, indem sie andere weg lassen, weil diese nur die Kraft der wichtigen Töne schmälern würden. Die Kunst sei, jedem einzelnen Ton seinen Platz zu geben, sagt Manfred Bründl, und er spiele immer noch zu viele Töne. „Man muss lernen, Dinge wegzulassen.“ Manfred Bründl denkt bei diesen Worten zwar an sein Solo-Spiel. Doch sie stehen auch für seine Laufbahn als einer der führenden Jazz-Bassisten in Deutschland – und sie stehen darüber hinaus für sein ganzes Leben. Im April erschien „Respect“, das neue Album seines Quartetts „Silent Bass“. Die CD ist ein neuer Höhepunkt im Leben des Musikers und Komponisten Bründl. Möglich wurde diese Qualität nicht zuletzt dadurch, dass der 46-Jährige etwas weg gelassen hat: Die Leitung des Instituts für Jazz an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar. Acht Jahre lang hatte er viel Energie ins Management gesteckt, hatte um die gute Marktposition der kleinen Fachuniversität im Vergleich zu den Instituten in den großen Städten gekämpft. Sein Leben als Künstler aber wurde ärmer. „Man muss es leben, um es ehrlich rüber zu bringen“, sagt Bründl. Also: Komponieren, Spielen, Auftreten, die Reaktionen des Publikums, der Kollegen, der Medien erfahren. Der letzte Ton verklingt. Den Bruchteil einer Sekunde ist es ganz still im „Podium“, einem Jazz-Club in Bayreuth. Bründl und seine Mitmusiker Achim Kaufmann (Piano), Hugo Read (Saxophon) und Jo Thönes (Schlagzeug) halten inne. Dann setzt der Beifall ein, erst verhalten, dann immer kräftiger, lauter. Langsam löst sich das Publikum aus dem konzentrierten Zuhören, bereitet sich vor auf die nächste Komposition, die wieder melodisch und rhythmisch hoch komplex sein wird, aber dennoch nicht verkopft. Auch dem ganz normalen Zuhörer verbaut Manfred Bründl den Zugang zu seiner Musik nicht.Was „Respect“ so außergewöhnlich macht, ist die Verbindung zu anderen Künsten wie der Architektur, der Malerei, der Literatur. Bründl widmet seine Stücke Genies der Musik wie Gustav Mahler, Carl Czerny oder Arnold Schönberg. Er feiert aber auch Leonardo da Vinci, Ernest Hemingway, Egon Schiele und Le Corbusier. Manfred Bründl wird durch sie inspiriert, durch ihr Wirken in der Moderne, in der auch der Jazz seinen Platz hat. Indem er den Zuhörer über andere Künste nachdenken lässt, hilft er einem Gesamtverständnis der modernen Kunst auf die Sprünge. Und nicht selten ist es auch hier die Kunst, etwas wegzulassen. Die klaren Formen der Architekten wie eben bei Le Corbusier, der Verzicht auf jede Verzierung, die Aufhebung von Grenzen etwa zwischen Innen und außen. „Die Architekten“, meint Bründl, „schafften das bereits in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Der Jazz zog erst in den 50er-Jahren in der Cool-Ära nach.“ Bründl braucht keine Zitate, um auf solche Zusammenhänge aufmerksam
zu machen. Der Zuhörer kommt von allein drauf – und die Stücke
verhallen nicht, sondern wirken lange nach, mehr in Stimmungen als in
Melodien oder Rhythmen. Bei „Leonardo“ etwa flirren die Ideen
da Vincis durch die Luft; „Nelson“, das dem Politik- und Lebenskünstler
Mandela gewidmet ist, versprüht den unerschütterlichen Optimismus
des südafrikanischen Nationalhelden; und schließlich das quicklebendige
„Gustav“ für den vor über 100 Jahren so innovativen
und heute klassischen Komponisten Mahler. Begonnen hat Manfred Bründls Karriere in seiner Heimatstadt Regensburg im Jazzkeller des väterlichen Freundes Richard Wiedamann. In dem düsteren Gemäuer reifte in endlosen Sessions die Erkenntnis, dass am Anfang der Musik der Rhythmus stehe und das Ziel die Seele sein müsse. Bründl ließ Regensburg hinter sich. Die Grazer Hochschule für Musik und darstellende Kunst schloss er mit dem Jazz/Klassik-Diplom ab; er spielte mit Albert Mangelsdorff oder Charly Mariano, erhielt den Jazzpreis der Stadt Frankfurt am Main und spielte mit eigener Formation („Basslab“) mehrere Alben ein; und schließlich baute er in Weimar ein Hochschulinstitut auf, was ihn letztlich auch lehrte, den Blick auf das Wesentliche zu richten. Wie auf dem alten Schwarzweiß-Foto steht Manfred Bründl auch auf der Bühne im kleinen Bayreuther Jazz-Club, lehnt sich ein wenig an seinen mächtigen Kontrabass, die Augen geschlossen, beinahe so, als hörte er jedem einzelnen Ton nach, den er gerade gespielt hat. Er sagt, es sei mächtig anstrengend, diese Konzerte zu spielen. Diese Musik fordere in jeder Sekunde die volle Aufmerksamkeit. Und dennoch wirkt er relaxed, sein innerer Blick hat sich geweitet, die Sicht ist frei auf das Wesentliche. Dinge, die nicht so wichtig sind, werden weg gelassen. Wie wichtig es ist, auf etwas zu verzichten, das war und ist für Manfred Bründl eine dauerhafte Erfahrung. Und es geht soweit, dass man auch lernen muss, auf die geliebte Musik, auf das Musik machen immer wieder einmal zu verzichten. „So schön es ist, unser neues Album dem Publikum live zu präsentieren: Ich muss zwischendurch auch abschalten, muss nach Weimar zu meiner Frau und zu meinen Töchtern.“ Und im Garten warten drei Bäume, die versetzt werden müssen. Manfred Sauerer |
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