Am 1. Juli 2005 wird im Rahmen einer Pressekonferenz am Berliner Einsteinufer
der offizielle Gründungsvertrag des Jazzinstituts Berlin durch Vertreter
der Universität der Künste Berlin und der Hochschule für
Musik Hanns Eisler unterzeichnet. Damit geht nach jahrelangen erregten
Diskussionen zusammen, was nach Ansicht des Berliner Senats zusammengehört:
die Jazzabteilungen der beiden Berliner Musikhochschulen firmieren ab
sofort unter einem gemeinsamen Dach, die Zahl der Studierenden wird um
ein Drittel verringert, neue Formen des Studienabschlusses (Bachelor,
Master) werden eingeführt. Im Interview zeichnet der Professor für
Kontrabass Siegfried Busch (Universität der Künste) den langen
Weg zum Jazzinstitut Berlin nach und verweist auf dessen zeitgemäße
Ausrichtung.
Jazzzeitung: Handelt es sich beim Jazzinstitut Berlin
um eine Fusion oder eine Neugründung?
Siggi Busch: Eigentlich ist es eine Neugründung.
Seit Jahren schwirrt in Berlin der Gedanke eines Jazzzentrums umher und
jetzt ist es auf Anregung des Senats dazu gekommen. Natürlich steht
die Absicht von Einsparungen dahinter, denn während bisher an der
Hochschule für Musik Hanns Eisler circa 90 und an der Universität
der Künste etwa 30-40 junge Leute Jazz studieren, werden es am neuen
gemeinsamen Jazzinstitut Berlin insgesamt nur noch circa 80 Studierende
sein. Ich bin über die Reduzierung der Studentenzahl übrigens
gar nicht so traurig, denn die Abgänger wollen in diesem Bereich
ja auch alle Geld verdienen.
Jazzzeitung: Wo knüpft das Jazzinstitut Berlin
organisatorisch an?
Busch: Das Jazzinstitut Berlin ist bei der Universität
der Künste angesiedelt.
Jazzzeitung: Das klingt paradox, wo doch der Anteil
der Studenten von der Hochschule für Musik Hanns Eisler viel größer
ist?
Busch: Wahrscheinlich ist die organisatorische Potenz
der Universität der Künste größer. In jedem Fall
wird das Jazzinstitut Berlin von beiden Hochschulen finanziell getragen
und auch die Stellen bleiben den einzelnen Hochschulen zugeordnet. Zudem
müssen beide Partner den Gründungsvertrag unterschreiben.
Jazzzeitung: Die laufenden Dozentenverträge werden
nicht angetastet?
Busch: Die Schrumpfung betrifft zunächst hauptsächlich
die Studentenzahlen. Wir bekommen ein neues Haus am Einsteinufer, ein
ehemaliges Kino, das bislang von der Filmhochschule genutzt wird. Das
Gebäude umfasst einen Veranstaltungssaal für bis zu 400 Zuschauer
und wird komplett renoviert. Die Übergangsphase bis zum kompletten
Bezug des Gebäudes dauert ungefähr ein Jahr, in dieser Zeit
bleiben die Studierenden auf verschiedene Bezirke verteilt. Später
wird die Reduzierung der Studentenzahlen dann auch Auswirkungen auf die
Lehraufträge haben, auslaufende Verträge werden möglicherweise
nicht verlängert.
Jazzzeitung: Bei soviel Neugestaltung war der Planungsaufwand
vermutlich immens?
Busch: In der letzten Zeit haben wir uns hauptsächlich
mit dem Aufbau der Studiengänge beschäftigt. Vorrangige Themen
waren die Aufnahmeprüfungen, die Studienordnung und der Abschluss,
insbesondere die neuen Studiengänge Bachelor und Master. Letztere
haben im Musikbereich Modellcharakter für Deutschland, weshalb uns
der Erfahrungsaustausch mit Kollegen an anderen Hochschulen wichtig ist.
Eine weitere Innovation betrifft die Führungsebene. Für das
Jazzinstitut Berlin wurden zwei Direktoren gewählt, ein Geschäftsführender
Direktor und ein Künstlerischer Direktor. Der Geschäftsführende
Direktor ist nicht nur für die Organisation, sondern auch für
die Mittelwerbung zuständig. In diesem Bereich steckt viel Potential,
in Amerika funktioniert das sehr gut. Den Posten des Geschäftsführenden
Direktors wird Gert Müller von der Hochschule für Musik Hanns
Eisler bekleiden, den Posten des Künstlerischen Direktors Peter Weniger
von der Universität der Künste.
Jazzzeitung: Handelt es sich um Absicht, dass beide
Hochschulen einen Direktor stellen?
Busch: Ja, das ist vertraglich geregelt.
Jazzzeitung: Mit welchen Änderungen müssen
die Studenten rechnen?
Busch: Momentan organisieren wir insbesondere die Zuordnung
der Studenten. Dabei muss mit Feingefühl beachtet werden, dass Studierende
nicht kurz vor ihren Prüfungen einer neuen Lehrkraft zugeteilt werden.
Jazzzeitung: Wenn die Jazzabteilungen der UdK und der
Hanns Eisler zusammengehen, trifft Westidentität auf Ostidentität.
Busch: Die Abteilung Jazz und Popularmusik an der Hochschule
für Musik Hanns Eisler ist aus der Abteilung Tanz- und Unterhaltungsmusik
entstanden, wie es vor 1989 hieß. Die Ausrichtung war sehr handwerklich
orientiert, es wurde viel Wert auf Notenlesen und größere Besetzungen
gelegt. Wir an der UdK waren immer so klein, dass eine klassische Bigband
keinen Sinn macht. Die Ausbildung an der UdK wurde stark von künstlerischen
Persönlichkeiten geprägt wie zum Beispiel von Jerry Granelli,
der sehr ensembleorientiert arbeitete und großen Wert darauf legte,
dass die Studenten selber Stücke schreiben.
Je mehr ich jedoch mit der Materie zu tun habe, desto mehr stelle ich
fest, dass die Unterschiede inzwischen gar nicht mehr so groß sind.
Die Jazzbands in der Stadt Berlin sind jedenfalls sehr gemischt bezüglich
ihrer Hochschuleinflüsse. Unsere ganz jungen Studenten fragen inzwischen
auch gar nicht mehr nach, denen ist das egal. Allerdings war der theoretische
Anteil des Studiums bis zuletzt an der Hochschule für Musik Hanns
Eisler sehr viel größer. Eine andere Besonderheit waren die
Studienbedingungen der Sänger, die an der Hanns Eisler eine viel
bessere Ausstattung inklusive Schauspielunterricht hatten. Zum Leidwesen
der Betroffenen wird dieser Bereich bluten müssen.
Jazzzeitung: Beeinflussen Trendbegriffe wie „Popakademie“
oder „Musik(selbst)-management“ die inhaltliche Konzeption
des Jazzinstituts Berlin?
Busch: Wir wollen die Ausrichtung auf Neue Medien stärken.
Bislang waren Themen wie Selbstvermarktung, Musikbusiness et cetra bei
uns eher unterbelichtet und spielten sich hauptsächlich im Zuständigkeitsbereich
des Career Centers ab. In der Studienordnung des Jazzinstituts Berlin
werden diese Bereiche jedoch für alle Studierenden festgeschrieben.
Wir werden zu diesem Zwecke externe Kräfte etwa aus Plattenfirmen
als Dozenten hinzuziehen. Dieser neue Weg war übrigens ein expliziter
Wunsch des Berliner Senats.
Interview: Al Weckert
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