Der Pianist und Sänger Max Neissendorfer samt seinem verschiedenen
Big-Band-Formationen und seinem Trio ist aus der deutschen Jazzszene schon
lange nicht mehr wegzudenken. Während seiner Auftritte, so zum Beispiel
am 17. Februar im Karstadt Kulturcafé in Nürnberg, gibt der
bekennende Entertainer alles, was die alte Schule hergibt. Da wird noch
ins Handtuch geschwitzt, mit dem Publikum in seinem Rücken geflirtet
und zusammen mit Michel Poffet am Bass und David Elias an den Drums präsentiert
er gekonnt lässig Evergreens wie „Angel Eyes“, „Willow
Weep For Me“, den „Stormy Monday Blues“ oder Eigenkompositionen
wie den Titelsong des gleichnamigen Albums „Relax“ (David
Records 2004). Neissendorf ist aber auch legitimer Nachfolger Joe Haiders
als Leiter der Neuen Jazz School Munich, das Unterrichten ist ein wichtiger
Bestandteil seines Musikerarbeitslebens. Ursula Gaisa sprach mit ihm.
Jazzzeitung: Wie wird man denn ein „Scat Max“?
Max Neissendorfer: Das wird man einfach, indem man plötzlich
so genannt wird von Kollegen. Außerdem prägt dieser „Kosename“
das musikalische Umfeld, in dem man sich bewegt…
Jazzzeitung: Und wie und wann hast du den Scatgesang
für dich entdeckt?
Neissendorfer: Ich habe die Soli, die ich am Klavier
gespielt habe, immer mitgesungen, auch als Kind hatte ich viel gesungen,
hatte das aber wegen eines Problems bei einem Auftritt verdrängt,
alles ins Klavier gelegt und nur noch so für mich gesungen. Irgendwann
haben die Künstler, auch Sängerinnen, die mit mir aufgetreten
sind, mir dann gesagt: Jetzt sing doch mal! Und irgendwann hat mir der
Schlagzeuger David Elias während eines Gigs in der ehemaligen DDR
einfach ein Mikro vor die Nase gestellt und mich auch zum Singen aufgefordert.
Und dann ging’s los – von Anfang an war der Schwerpunkt dabei
auf dem Scatten.
Jazzzeitung: Hattest du dabei Vorbilder?
Neissendorfer: Natürlich hab’ ich mich umgesehen,
aber ich habe mich nie an Scattern direkt orientiert. Dadurch dass ich
immer alles mitgesungen habe, was ich auf dem Klavier gespielt habe, konnte
ich das einfach irgendwann auch ohne das Piano. Das war eine ganz natürliche
Entwicklung, deshalb bin ich beim Scatten wahrscheinlich am meisten daheim,
bei mir selber. Das Scatten strengt mich überhaupt nicht an. Das
kann ich morgens um drei, im Kopfstand oder im Liegen, ganz egal.
Jazzzeitung: Kann man das denn Schülern beibringen?
Neissendorfer: Ja klar, das ist schließlich die
natürlichste, ursprünglichste Art zu singen: ohne Text einfach
eine Melodie zu modulieren. Das ist wie, wenn sich zwei treffen und sich
gegenseitig eine Melodie vorträllern: „Kennst du das?“
(singt)
Und das ist auch für den Gesangsunterricht wichtig, dass man erst
einmal ohne Text singt und dann sozusagen erst die Wörter draufsetzt,
damit man dem ursprünglichen Klang, bei dem man sich selber wohl
fühlt, auch nahe bleibt.
Jazzzeitung: Ein Schwerpunkt ist ja auch das Entertainment,
oder?
Neissendorfer: Ich finde es gehört dazu, dass man
ein bisschen mit dem Publikum redet, denn ein Auftritt soll ja auch Spaß
machen. Dieses Seriöse im Jazz ist auch schön und das soll es
ja auch geben, aber ich sehe das etwas anders.
Jazzzeitung: Vermittelst du das auch beim Unterrichten?
Neissendorfer: Ja. Mir ist es wichtig, immer wieder darauf
hinzuweisen, dass man Freude am Musikmachen haben sollte, und an dieser
Freude soll man die Leute teilhaben lassen, wenn man auf die Bühne
geht. Denn in erster Linie macht man das ja für sich…
Jazzzeitung: Zurück zur Ausbildung – du
bist der Nachfolger des Gründers und Leiters der Jazz School München,
Joe Haider. Wolltest du das schon immer machen oder bist du dort eher
durch Zufall reingerutscht?
Neissendorfer: Ich bin dort ja selber ausgebildet worden
und habe mich mit der Zeit mit Joe Haider angefreundet. Wir hatten auch
eine Band zusammen, irgendwann sagte er: „Magst nicht Klavierunterricht
geben an der Jazzschule?“ Das war für mich ganz am Anfnag meiner
Karriere, als ich nicht so genau wusste, wo kriegt man die Kohle her,
ein Chance. Vom Gefühl her war das auch das Richtige, weil ich nicht
etwas gemacht habe, was mir fremd gewesen wäre.
Jazzzeitung: Hat aber von Anfang an Spaß gemacht
oder wächst man da eher rein?
Neissendorfer: Unterrichten ist ja im prinzip nichts
anderes als Entertainment, als ein Auftritt auf der Bühne, denn meistens
muss man die Schüler ja erst einmal begeistern für etwas. Oft
sind sie ja etwas orientierungslos, dann muss man die Begeisterung entfachen
in ihnen, indem man ihnen von sich selber erzählt.
Jazzzeitung: Man will also etwas weitergeben?
Neissendorfer: Erstens das, und es geht um diese Art
von freiheitlicher Atmosphäre, die beim Improvisieren vorherrscht,
es gibt ja keine Vorschriften. Es gibt Maßgaben, nach denen man
sich richten muss inhaltlicher Art, aber eigentlich kann dir niemand etwas
vorschreiben, es kann auch niemand sagen, das ist jetzt richtig oder falsch,
das kann man nur mutmaßen. In der Klassik ist das einfacher, da
weiß man, das geht so (scattet Mozarts A la turca), wenn das nicht
kommt, sagt man – „der Pianist ist eine Lusche“, aber
im Jazz kann man eigentlich machen, was du willst. Das ist das, was man,
finde ich, vermitteln sollte: diese Freiheit. Der Lehrer kann Vorbild
sein, innerlich bin ich aber mehr zum Coaching übergegangen, denn
als Lehrer hat man immer eine Erwartungshaltung, das habe ich mir abgewöhnt.
CD-Tipp
Scat Max Neissendorfer Trio: Relax
David Records, www.davidrecords.de
www.scatmax.de
www.powermusicagency.de
www.jazzschool.de
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