Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Es ist gar nicht so einfach, eine Auswahl von interessanten NuJazz-Platten zusammen zu stellen, zumal die Annäherung an dieses schillernde Etikett „NuJazz“ ein unglaublich weites und unübersichtliches Feld von Labels, Künstlern und Stilen eröffnet. Die vorliegende Plattenschau kann deshalb auch nur einen winzigen Ausschnitt dessen berücksichtigen, was im Plattenladen im Fach „NuJazz“ alles einsortiert wird. Mit Sicherheit stößt man in diesem Zusammenhang immer wieder auf „Jazzanova“, sei es als Interpret oder als Verantwortliche für einen Remix. Das letztjährige Debut-Album des äußerst produktiven DJ- und Produzenten-Kollektivs trägt den Titel „In Between“ und wurde von der Kritik mit vielen Lorbeeren gekrönt. NuJazz ist bei Jazzanova ein vielschichtiges Geflecht aus elektronisch generierten (Break) Beats, akustisch eingespielten Riffs und Soli, teilweise überlagert von souligen Vocals. Kennzeichnend sind die zahlreichen Gastauftritte bedeutender Künstler wie beispielsweise David Friedman oder Doug Hammond. Jazzanova haben mit ihrem Sound die Entwicklung des NuJazz in den letzten Jahren nachhaltig beeinflusst, in Berlin hat sich in ihrem Dunstkreis unter dem Dach des Sonar Kollektivs eine bunte Mischung von kreativen musikalischen Köpfen versammelt. Auf der aktuellen Compilation „Sonar Kollektiv“ präsentiert Dixon einen Querschnitt durch die sehr vielseitigen Produktionen des Labels zwischen HipHop, Drum’n’Bass, Dub und Electronica. Neben Berlin kann insbesondere München als eine der NuJazz-Hauptstädte der Republik gelten. Dort arbeiten Michael Reinboth und sein Label Compost Records seit inzwischen neun Jahren an immer neuen Definitionen des NuJazz. Wegweisend ist etwa die seit 1994 bestehende Compilation-Reihe „Future Sounds of Jazz“. Bezeichnend für diese Serie ist die Mischung aus unbekannten Stücken des Club-Undergrounds, unter anderem von Debüt-Künstlern, mit bekannten Namen der Szene. „Future Sounds of Jazz“ ist das Gegenkonzept zu den zahllosen Lounge-, Chillout- und Downbeat-Samplern, die mit den immergleichen Tracks in neuer Variation den Markt in den letzten Jahren überschwemmt haben. Die neueste Zusammenstellung – Volume 9 – ist ungewöhnlich stark von elektronischen Sounds geprägt, eine Tendenz, die sich insgesamt in den NuJazz-Veröffentlichungen der letzten Zeit widerspiegelt. Die Breite des musikalischen Spektrums des NuJazz basiert auf der Idee der Bricolage, der Verbindung von „retro“ mit „future“ und somit der Fusion von unterschiedlichen Musikstilen. Der Freiburger Plattensammler Rainer Trüby hat seine Liebe zur brasilianischen Musik, zum Jazz und zum Soul in bester NuJazz-Manier mit dem Sound der Clubkultur verwoben und sich auf diese Weise innerhalb weniger Jahre zu einem international gebuchten DJ hochgemixt. Die aktuelle Single „High Jazz“ des Trüby Trios liegt in Form von zwei Maxis mit mehreren Remixen vor, die sehr gut die Bandbreite von NuJazz-Produktionen verdeutlichen: Einerseits in Instrumentierung und Arrangement eher „retro“ an tradierten musikalischen Formen des Jazz ausgerichtet, andererseits als „future“-orientierte elektronische De- und Rekonstruktion des ursprünglichen Tracks angelegt. Das in Nürnberg angesiedelte Label Stereo Deluxe markiert einen weiteren Fokus der NuJazz-Szene(n), seine Veröffentlichungen unterstreichen die internationalen Querverbindungen der musikalischen Entwicklungen in Deutschland, Österreich, Großbritannien, Skandinavien und anderswo. So fusioniert das Album „Nhu Golden Era“ der Bobby Hughes Combination äußerst elegant musikalische Patterns des Jazz Sambas der 60er Jahre mit Soundfragmenten aus dem Skandinavischen Jazz der 70er und mit elektronischen Beats. Die Instrumentalparts wurden hierbei von namhaften Gastmusikern des norwegischen Contemporary Jazz eingespielt. Einen Überblick über die vielgestaltigen Produktionen des Labels bietet die Compilation „Stereo Deluxe One“. Auch der Schweizer Minus 8 hat sich der Überwindung klassischer Hörgewohnheiten verschrieben und ist mit seiner Compilation-Reihe „Science Fiction Jazz“ immer wieder für eine NuJazz-Überraschung zwischen Samba, Drum’n’Bass und Downbeat gut. Die siebte Auflage ist letztes Jahr bei Mole erschienen, das mit seinen „Listening Pearls“ ebenfalls seit 1996 elementare Beiträge zur Evolution des NuJazz beisteuert. Zum Schluss noch ein kurzer Ausflug in die USA zum Label Ubiquity und dem zweiten Album von P’taah, die sich vorgenommen haben, festgelegte Regeln der Dance Music, die etwa für House-Tracks gelten, gezielt aufzubrechen. „Staring At The Sun“ beinhaltet 14 Stücke, die auf sehr unterschiedliche Art und Weise Rhythmen, elektronische Sounds und akustische Spuren miteinander verschmelzen und so teils experimentell, teils sphärisch klingen. Eine weitere bemerkenswerte Platte von Ubiquity heißt „City To City“. Der Name des dahinter stehenden Projekts „Cuica“ weist schon auf die brasilianischen Einflüsse hin, die den Sound des Albums wesentlich bestimmen. Lateinamerikanische Musik ist auch ganz allgemein – ebenso wie afrikanische Musik – eine der wichtigsten musikalischen Inspirationsquellen des NuJazz. NuJazz, so lässt sich abschließend festhalten, steht im Zeichen des stilistischen Eklektizismus. Traditionelle Formen werden mit digitalen Mitteln neu variiert und modifiziert, alte „retro“-Sounds werden als Samples zu Puzzleteilen der neuen elektronischen Klangstrukturen. Bei allem Begriffswirrwarr wird eines zunehmend deutlich: Unter der Flagge von „NuJazz“, „Future-Jazz“ oder „Jazz-not-Jazz“ (Reinboth) wird seit einigen Jahren auf teils sehr innovative Weise an neuen Ausdrucksformen des Jazz gearbeitet. Michael Staiger cd-tipps(bei Longplayern beziehen sich die angegebenen Bestellnummern auf das CD-Format, die meisten Alben sind jedoch auch als Vinyl-Ausgabe erhältlich)
links
|
|