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Jazzzeitung
2002/03 ::: seite 14
portrait
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Er ist davon überzeugt, dass der Rundfunk die besten Arbeitsbedingungen für eine Big Band bietet. Fast
zwanzig Jahre war Wolfgang Hirschmann, der am 8. Januar 2002 fünfundsechzig geworden ist, für die WDR Big
Band Köln tätig, zunächst Anfang der 80er-Jahre als freiberuflicher Tonmeister, seit 1987 als fest
angestellter Orchester-Manager. Er hat das ehemalige WDR Tanzorchester Werner Müller zu einer der weltweit besten
Big Bands gemacht. Fünf Grammy-Nominierungen, die jüngste erst vor kurzem für Intersections
mit Lalo Schifrin, belegen die internationale Anerkennung. Im Big-Band-Bereich hat er sie sich schon früher erworben,
denn er hat alle Aufnahmen der legendären Kenny Clarke-Francy Boland-Big Band betreut. Eva Küllmer sprach
mit Wolfgang Hirschmann, auch über die Jahre vor seiner Tätigkeit beim WDR.
Eva Küllmer: Wolfgang, du bist in Breslau geboren, studiert hast du Tonmeister in Detmold und Düsseldorf
und bist schon während des Studiums sozusagen vom Fleck weg engagiert worden. 1958 wurdest du von der EMI Elektrola
in Köln als Musikregisseur und Produzent engagiert, zuständig warst du für alle musikalischen Bereiche.
Du hast beispielsweise mit Rolf Kühn, Gitte, Lotti Krekel und Marlene Dietrich produziert. Du hast nie musikalische
Berührungsängste gehabt.
Wolfgang Hirschmann: Nein, auch bei Stockhausen nicht. Das war 1962.
Küllmer: Wie war die Zusammenarbeit mit Friedrich Gulda?
Hirschmann: Das war eine besondere Freundschaft. Fritz war der wilde, unheimlich talentierte Musiker, den ich
kennen lernen konnte, 1961. Da war ich gerade drei Jahre bei der EMI und ich fuhr mit dem Auftrag, ein Klavier-Konzert
von Friedrich Gulda aufzunehmen, nach Berlin. Und ich wusste natürlich nicht, dass es eine Jazzangelegenheit
war. Es hieß, es sei eine Komposition von Gulda. Die Musiker saßen unten und haben alle geprobt. Das war
schon eine merkwürdige Besetzung. Benny Bailey war dabei, da habe ich gestaunt mit Klassik kann das nicht
viel zu tun haben. Das war auch so, es war eine Gulda-empfundene Jazz-Komposition. Und Gulda ist gewöhnt, wie
jeder Klassiker, Stücke aufzunehmen nach Sektionen, die schwersten Teile einer Komposition mit dem Ensemble zuerst
und dann vorne und hinten, dann wird es zusammengeschnitten. Das war die klassische Art, und ich wusste das nicht.
Ich habe mir das Stück angehört, das die unten geprobt haben. Fritz wollte dann wissen, können
wir das mal hören?. Ich sagte ja klar. Ich war der Meinung, dass er nun hochkommt und hört,
was die anderen spielen. Er war aber davon ausgegangen, dass ich alles aufgenommen habe und dass wir es nur noch zusammenschneiden
müssten. Das war natürlich der erste Krach, den wir hatten und seitdem haben wir uns bestens verstanden.
Das ging weiter, bis er auch hier gearbeitet hat. Ich bin überall hingefahren, wo er war. Zum Schluss habe ich
diese Chance genutzt und ihn gebeten, nach Köln zu kommen und zwar in Verbindung mit Joe Zawinul. So haben wir
dann ein Konzert für beide arrangiert, bei dem auch die Big Band mitspielte. Das war sehr interessant, vor allem
Brahms Variationen über ein Thema von Haydn an zwei Klavieren.
Küllmer: Mit Joe Zawinul blieb die Verbindung bis heute. Denn Anfang des Jahres auf deiner letzten Tournee
mit der WDR Big Band Köln standen auch Kompositionen von Joe Zawinul auf dem Programm.
Hirschmann: Ja, wir kamen gerade zurück. Wir waren ja eingeladen in die USA, von der IAJE die internationale
amerikanische Jazzlehrervereinigung , eine Gala für Joe Zawinul zu spielen. Er wurde ausgezeichnet. Es
war der erste Preis, der für Musiker aus dem nicht amerikanischen Sektor verliehen wurde und er war als erster
Europäer für diesen Preis nominiert.
Wir durften in Long Beach mit Vince Mendoza spielen, er hat sich unheimlich gefreut. Das Projekt wird noch einmal
wiederholt und auf Platte produziert, in diesem Jahr im Oktober auf dem Leverkusener Jazzfest.
Küllmer: Du hast häufig mit amerikanischen Musikern gearbeitet, mit Komponisten, Arrangeuren und
Dirigenten. Hat das unter anderem damit zu tun, dass die Band heute auch in Amerika einen sehr guten Ruf hat?
Hirschmann: Also erst einmal muss man überlegen, mit wem arbeitet man. Ich hab hier ein Orchester vorgefunden,
das besetzt war wie eine Big Band, aber noch längst keine Big Band war. Die Tradition der Big Band war eine amerikanische
Entwicklung, es war deren Musik, deren Orchester, deren Form. Sie haben nicht diese historische Vergangenheit in der
klassischen Musik, sind nicht so belastet, sondern offener für solch eine Arbeit. Das ist keine Frage der Qualität.
Dass wir jetzt in Amerika bekannt sind, das ist natürlich auch eine Folge dessen, dass wir die Leute hier hatten.
Aber es ist ein Irrtum zu glauben, wenn ich drei Amerikaner hole, bin ich weltberühmt, das ist Unsinn. Die Aufgabenstellung
war, ein Ensemble zu schaffen, welches alleine für sich, durch die musikalische, die musikalisch-technische Kompetenz
in der Ensemblearbeit Aufmerksamkeit erreicht. Das ist entscheidend. Und das war ja auch so, wir haben in Europa die
ersten Connections gehabt, 1990/91 in Montreux: da ist einem Mann wie Quincy Jones natürlich der Mund heruntergefallen,
wie der seine Sachen aufgelegt hat, und die Jungs haben das vom Blatt gespielt, ohne Probe. Da war die erste Akzeptanz
und das spricht sich sofort herum. Dass sich das ergänzt, unsere Arbeit mit der eines Komponisten, der einen
Auftrag bekommt, der uns nutzt und ihm auch, das ist selbstverständlich. Aber es ist eine Arbeit, die man auch
dahingehend verstehen sollte, dass sich die Medien total verändert haben und dass da auch Futter
sein muss. Ich kann nicht mit einer Sendung, die in Nordrhein-Westfalen optimal ist, international irgend jemand hinter
dem Ofen hervorlocken. So muss ich eine Arbeit leisten, die auch da interessant ist. Daher die Zweigleisigkeit: eine
auf Nordrhein-Westfalen abgestimmte, gute Arbeit, die gleichzeitig auch international verwendbar ist.
Küllmer: Wäre das auch eine Empfehlung für deinen Nachfolger Lukas Schmidt?
Hirschmann: Nein, das würde ich nicht sagen der Lukas weiß schon was er will. Ich hoffe,
dass er für sich persönlich andere Akzente setzt, sonst wird irgendwann einmal der Punkt kommen, wo man
vergleicht und das ist nicht gut. Also wenn man Nachfolgearbeiten angeht, sollte man immer darauf achten, dass es
nicht eine Verlängerung dessen ist, was war, sondern dass es aufbaut auf dem, was man gesehen hat und andere
Akzente setzt, so dass frisches Blut hereinkommt.
Küllmer: Was machst du jetzt im Ruhestand oder ist es eher ein Unruhestand?
Hirschmann: Was es genau sein wird, weiß ich noch nicht, aber es ist auf jeden Fall eine Fertigstellung
des Rohmaterials, das wir im Archiv haben...
Küllmer: ...da liegen ja noch viele Schätze...
Hirschmann: ...da sind ja bewusst auch Schätze eingespielt worden, da ja Musik nicht schlecht wird. Auf
gut Deutsch: da liegen einige gute Weinsorten im Keller, sprich Jazz-Musik auf Mehrspur, von 1988 an, alles digital
Mehrspur, Gott sei dank. Jetzt habe ich die Chance, mich damit zu beschäftigen, zusätzlich zu der aktuellen
Arbeit, die der Lukas leisten wird. Insofern berührt sich das nicht. Aber es hat einen Sinn: Die Band kann vorführen,
was sie eigentlich für ein Kapital eingespielt hat.
Küllmer: Also kann man sich freuen, dass in den nächsten Jahren noch ganz viele schöne Aufnahmen
mit der WDR Big Band Köln herauskommen werden. Dafür wünsche ich viel Erfolg.
Abschrift eines Interviews vom 4. Februar 2002 aus der Sendung Resonanzen
auf WDR 3
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