Er ist ein Star, den keiner kennt. Bekannter sind seine partiellen Arbeitgeber. The Brecker Brothers, James Brown,
Al Green, Sting, Eric Clapton oder Miles Davis. Hiram Bullock hat mit allen gespielt. Oder sie mit ihm. Auf hunderten
von Alben hat er seine Spuren hinterlassen, von Barbra Streisand über Carla Bley bis hin zu Steely Dan. Keine
Musikrichtung, keinen Trend, keinen Style hat er ausgelassen. Nebenbei veröffentlichte er seine viel beachteten
Soloalben, beginnend 1986 mit From all Sides bis ins Jahr 2001, in dem er mit Color Me sein
achtes Soloalbum vorstellt. Sven Ferchow traf Hiram Bullock am Rande der PopKomm in Köln und sprach mit ihm über
seine Kindheit, seine musikalische Vergangenheit und seine neue CD.
jazzzeitung: Ihr Vater war bei der CIA. Konnten Sie überhaupt wie ein normales Kind aufwachsen?
Hiram Bullock: Ja, natürlich. Es war sicherlich anders, wenn mein Vater das Haus verließ, denn
er ging für sechs Monate oder ein Jahr weg. Für mich als Kind bedeutete es aber nur, dass mein Vater zur
Arbeit ging. Ich wusste nie, wo er gerade war, weil er undercover arbeitete. Das war schon komisch.
Dennoch darf man nicht glauben, dass alle, die bei der CIA arbeiten, Verrückte sind. Das sind stinknormale
Menschen, die gar nicht so interessant erscheinen, aber deshalb sind sie so gut in dem, was sie leisten. Man nimmt
sie nicht wahr.
jazzzeitung: Behandelte man Sie in ihrer Kindheit, als Sie Klavier spielten und nicht Baseball, als Außenseiter?
Bullock: Ich war immer ein verrücktes, aber auch sehr intelligentes Kind in der Schule. Ich hatte stets
die besten Noten. Verglichen mit den anderen Kindern war ich schon etwas seltsam, ich fühlte mich aber sehr
wohl in dieser Rolle. Selbst innerhalb der Familie nahm ich eine Ausnahmestellung ein. Ich war der einzige Junge
und sehr viel jünger als die restlichen Familienmitglieder.
jazzzeitung: Sind nicht alle erfolgreichen Musiker bereits in der Kindheit anders gepolt?
Bullock: Ich weiß es nicht genau. Ich war eben verrückt und durcheinander als Kind. Ich konnte
damit umgehen. Ob sich das verallgemeinern lässt, wage ich zu bezweifeln.
jazzzeitung: Wenn man Ihre Arbeitsnachweise betrachtet, scheint es fast so zu sein, dass Sie Ihr Leben gegen
Musik eingetauscht haben. Führen Sie noch ein privates, musikloses Leben?
Bullock: Natürlich. Ich gehe zum Beispiel sehr gern ins Kino. Ich denke nicht die ganze Zeit an Musik.
Ich höre kaum Musik. Musik war für mich stets wie spazieren gehen. Ich habe bereits mit Musik Geld verdient
ohne es wirklich zu merken. Dann mache ich noch jede Menge Sport wie Racketball oder Tennis. Ich reise ziemlich
viel, lese Bücher und koche. Natürlich sind die meisten meiner Freunde Musiker. Das sind eben die Leute,
die ich kenne und mit denen ich arbeite. Dennoch habe ich Freunde, die mit Musik nichts am Hut haben.
jazzzeitung: Einige dieser Freunde wie Randy Brecker, Don Alias oder David Sanborn haben Sie ins Studio eingeladen,
um zusammen mit ihnen Ihre neue CD Color Me zu produzieren und komponieren. Der Gesamteindruck der CD
ist sehr relaxt, humorvoll und ausgeglichen. Lässt sich das nahtlos auf Ihr momentanes Leben übertragen?
Bullock: Ich denke, das ist bei mir wie bei den meisten Menschen: Mancher Tag ist besser als der vorhergehende.
Grundsätzlich bin ich ein glücklicher Mensch. Jeder Tag, an dem man aufwachen darf und nicht wirklich
krank ist, ist ein guter Tag. Natürlich lässt sich immer ein guter Grund finden, um sich schlecht zu fühlen,
wenn man nach Gründen sucht. Dennoch ist das Leben an sich schon eine gute Sache.
jazzzeitung: Leben kann auch spontan sein. Ebenfalls eine Eigenschaft der neuen CD. Waren die Kompositionen
und Aufnahmen tatsächlich spontan oder hatten Sie einen Masterplan zur Hand?
Bullock: Das sollte ich der Reihe nach erzählen. Alles hat sich irgendwie entwickelt. Es war nicht
wirklich sehr spontan. Ich schreibe viele Songs. Eigentlich schreibe ich ständig. Vor dem Color Me-Album
habe ich so genannte Themen-Aufnahmen gemacht. Also mal eine Rockplatte, dann Latin, später wieder
eine Jazzaufnahme und so weiter. Viele Songs, die ich für Color Me geschrieben habe, hätte
ich auf diesen Themen-Alben gar nicht verwenden können. Sie hätten überhaupt nicht zum
jeweiligen Stil gepasst. Das Color Me-Album war letztendlich ein back to Hiram-Album. Man
kann hören, dass die Songs von mir geschrieben wurden. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet war Color
Me sehr zufriedenstellend für mich. Ich glaube, das Album beweist das recht deutlich.
jazzzeitung: Ist Ihr musikalisches Herz eigentlich im Jazz platziert?
Bullock: Nein, auf keinen Fall. Ich habe schon ab und zu Jazz gehört, Miles Davis zum Beispiel, und
lese das ein oder andere Magazin. Meine Wurzeln finden sich eher im Rock oder Funk. James Brown war der erste Künstler,
den ich live gesehen habe. Als ich mit der Musik begann, spielten wir Songs von den Rolling Stones oder Deep Purple.
jazzzeitung: Haben Sie noch Träume und Projekte, die Sie noch verwirklichen wollen?
Bullock: Ja, ich möchte unbedingt mit Stevie Winwood und Peter Gabriel spielen. Ich hätte auch
gerne eine eigene Hit-Platte mit einer Single, die absolut jeder gehört hat. Zwar bin ich sehr populär
in Japan und es macht mir Spaß auf der ganzen Welt zu spielen und zu hören, wie manche Leute meine Songs
singen, dennoch fehlt mir irgendwie dieser eine Hit. Ja, da gibt es schon noch einige Träume. Natürlich
werde ich nie so viele Platten wie Britney Spears verkaufen, dennoch werden es genug Platten sein, um weiterhin
Musik zu machen, gutes Essen zu genießen und um die Welt fahren zu können. Wenn ich wirklich Geld verdienen
möchte, wäre ich ein Investment-Banker geworden.
Hiram Bullock wird im Frühjahr nächsten Jahres auf Deutschlandtournee kommen. Infos unter www.esc-records.de
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