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It Dont Mean A Thing If It Aint Got That Schwing, das könnte das geheime Motto der Blue Note-Gründer Alfred Lion & Frank Wolff gewesen sein. Wer uns auf die Spur gebracht hat? Der Filmemacher Julian Benedikt, Jahrgang 1963, der den jüdischen Berliner Lebenskünstlern, die in den 30ern nach New York emigriert sind, ein filmisches Denkmal gesetzt hat.
Der Schwing also, er bestimmt das Bewusstsein, egal ob man auf die 1 und 3 tanzt, wie Alfred Lion, oder doch auf die 2 und 4. Es sind solche Petitessen, die das Labelportrait Blue Note A Story of Modern Jazz so sympathisch machen. Und dann die vielen Breaks: Da wird etwa eine 78er-Platte von 1940 aus der Papierhülle genommen. Sidney Bechet, Summertime steht auf dem Etikett in freudiger Erwartung dreht sich im Kopf schon das alte Lullaby da erklingt plötzlich ein typischer Sixties-Rare-Groove aus der Blue Note-Kiste. Genial: Lust & Schmerz & Lust in einem langen Augenblick. Genial? Des Rätsels Lösung ist banaler. Julian Benedikt hat aus der Not eine Tugend gemacht. Für das Erklingen von Summertime hätten die Gershwin-Erben 25.000 Dollar pro angebrochener Minute verlangt, erzählt Benedikt, und das bei einem Film, den am Ende in Deutschland (beachtliche) 80.000 Zuschauer gesehen haben. Liebe auf den ersten Blick hieß Anfang der 90er-Jahre der vielleicht beste Film mit dem Schauspieler Julian Benedikt. Regie bei diesem Kammerspiel führte Rudolf Thome, der den vielbesungenen 68ern seinen ganz eigenen Film gwidmet hat, Rote Sonne. Für den Soundtrack konnte er den wunderbaren Drummin Man Chico Hamilton verpflichten, der in den Sixties Roman Polanskis Ekel vertont hat. Benedikt jedenfalls war von Hamilton, dessen Dancefloor-Klassiker Conquistadores er in der Diskothek kennen gelernt hat, so begeistert, dass er sofort einen Film über ihn machen wollte. Benedikt, der sich im Gespräch als gemäßigter Jazz-Fan outet, entfernte sich nach Dancing to a Different Drummer jedenfalls immer mehr von der Schauspielerei, und näherte sich immer mehr dem Jazz an. Diese Annäherung geschah anfangs über das Cover-Art-Design und die Jazzfotos eines William Claxton etwa. Eine dem Jazz durchaus gemäße Form der Annäherung. Denn wer könnte nicht süchtig werden nach den Jazz-Ikonen eines Frank Wolff oder William Claxton und danach der Musik verfallen? Zwei großen Fotografen jedenfalls hat der unglaublich begeisterungsfähige Regisseur in den letzten Jahren seine Zeit geschenkt: dem Erotomanen Helmut Newton und dem Jazzmaniac William Claxton, der einst mit Chet Baker den einen oder anderen Joint geraucht hat. Zwei Perfektionisten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Während der coole Newton schon zu Beginn das Foto im Kopf habe und deshalb auch gar keine Beziehung zum Model aufbauen wolle, brauche der warmherzige Claxton die Nähe. Nach The Lion and the Wolf, wie Benedikt sein Blue Note-Projekt ursprünglich nennen wollte, kommt nun also im Sommer sein neuester Film ins Kino: Jazz Seen (Score: Till Brönner; Soundtrack: Universal). Listen with Your Eyes war dafür der Arbeitstitel. Ein schöner Titel, der anspielt auf das eigentliche Interesse Benedikts: die Verschmelzung von Sound & Vision, Musik & Image. Am Ende des Gesprächs verrät er uns schließlich noch sein neuestes Projekt: die Boris-Vian-Story. Sein erster Spielfilm. Wir dürfen gespannt sein. Viktor Rotthaler
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