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Dossier Seite 25-26 |
Not a nine-to-five-job, but a way of life! Jazzmusiker in Deutschland Existenzbedingungen heute
Wie schön wäre es, wenn alle Jazzmusiker
von den Auftritten in Clubs, bei Konzerten, auf Festivals und vom Verkauf
ihrer Platten leben könnten. Dazu die Einnahmen aus der Verwertung
von Urheberrechten, ein, zwei Tourneen ein glückliches Musikerleben
könnte das sein. Könnte. Denn die Wirklichkeit sieht anders
aus, die große Mehrheit kann vom Spielen allein ihren Lebensunterhalt
nicht bestreiten. Antworten geben zehn musikalische Werdegänge von deutschen
Jazzmusikern im Alter von 26 bis 50 Jahren und unterschiedlicher Stilistik
(Mainstream Jazz bis Avantgarde). Ausführliche, mehrstündige
biografische Interviews dienten als Grundlage einer umfangreichen Magisterarbeit
am Musikwissenschaftlichen Seminar der Universität Münster.
Befragt wurden eine Musikerin und neun Musiker. Namen werden hier aus
Datenschutzgründen nicht genannt. Vier der Musiker leben heute ausschließlich vom Komponieren und Konzertieren, weitere vier unterrichten an Musikhochschulen und geben Privatunterricht oder Workshops, zwei unterrichten an Musikschulen und geben ebenfalls Privatunterricht. Jazzmusiker? Hart und kreativ zugleich! Die wissenschaftliche Literatur beschreibt bis heute kein einheitliches
Berufsbild des Jazzmusikers. Denn im Vergleich zu Berufsmusikern im klassischen
Bereich, die in der Regel als Orchestermusiker oder Solisten beschäftigt
sind und einen mehr oder weniger vorgegebenen geregelten Arbeitsablauf
haben, lassen sich Jazzmusiker mit Ausnahme der (Rundfunk)-Bigbands nicht
in solche Kategorien einteilen. Wichtiger als das Alter ist jedoch der Zugang zur Jazzmusik: Die übrigen fünf fassten ihren Entschluss interessanterweise erst nach einer nicht-musikbezogenen Ausbildung (Graphik-Design, Sozialpädagogik, Sport) im Alter zwischen 22 und 35 Jahren. Was waren die Gründe dafür? Hier spielte der starke Einfluss des Elternhauses eine Rolle. Vor einem eher als unsicher geltenden Berufsziel soll etwas Ordentliches erlernt werden. Interessanterweise wurden gerade diejenigen zu etablierten Jazzmusikern, die im Elternhaus eine ablehnende Haltung gegenüber ihrem Berufwunsch erfuhren. Sie sind heute nicht auf Unterrichten angewiesen, sondern leben vom Komponieren und Musizieren. Existenzbedingungen Die Einkommensverhältnisse sind von Musiker zu Musiker sehr unterschiedlich. Allgemeine Aussagen sind kaum möglich, da es keine verlässlichen repräsentativen statistischen Daten darüber gibt. Die vermeintlich aktuellsten Daten liefert noch immer der Künstler-Report von 1975, worin das Einkommen von Rock- und Jazzmusikern zu den niedrigsten und meist unregelmäßigsten zählt. 1983 stellte sich bei einer Umfrage von 156 deutschen Jazzmusikern heraus, dass der Großteil der Musiker 300 DM (60 Prozent) monatlich verdient. Auch das Urheberrecht hat einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Existenzbedingungen der deutschen Jazzmusiker. Die Pauschalabrechnungen von Veranstaltern und Rundfunkanstalten, die über verschiedene Punktbewertungen bis hin zur unzureichenden Honorierung von Improvisationen gehen, werden als ungünstig bewertet. Anders dagegen in der Schweiz und in Frankreich, wo die Verwertungsgesellschaften seit 1985 keine Trennung zwischen der sogenannten E- und U-Musik mehr kennen. Ein einziger befragter Jazzmusiker kann von 20 Konzerten im Jahr und vom Komponieren gut leben, da er in der höheren E-Wertung bei der GEMA eingestuft ist. In vielerlei Hinsicht wird die finanzielle Situation beklagt. Die Konkurrenz-Situation: Finanziell bin ich mit dem nicht zufrieden, was ich erreicht habe. (34, w) Und wenn du etabliert bist, dann hat das, was du bietest, auch seinen Preis. [...] Und der [...] ist [...] zu hoch, weil der schon wieder so nah an dem Preis ist, den die richtig großen Stars aus den Staaten haben, dass die Veranstalter sich überlegen, ja dann nehmen wir doch lieber die. Die Kompromiss-Situation: Ich kann nicht davon leben, aber ich tue es. (38, m). Für einen weiteren Musiker sind die Jazzmusiker [...] die am schlechtesten bezahlten Musiker von allen Stilistiken, die es überhaupt gibt. Dadurch entsteht ein Missverhältnis, das dem Jazzmusiker nicht erlaubt, sich doch mehr auf seine wesentliche Arbeit zu konzentrieren, weil er immer seine Brötchen noch woanders verdienen muss und will. (43, m). Zum Beispiel auch durch Unterrichten. Nach den Ausführungen der Jazzer ist der Musikeralltag heute stressiger, die Arbeitsbedingungen sind schlecht und es gibt Ärger mit Veranstaltern. Zudem fehlt eine gute Infrastruktur für Auftrittsmöglichkeiten in Jazzlokalen oder bei Festivals in Deutschland. Dadurch reduzieren sich die Verdienstmöglichkeiten erheblich. Bleibt festzuhalten: Die Existenzbedingungen für Jazzmusiker haben in den letzten Jahren eine ungünstige Entwicklung genommen. Vier befragte Musiker, die lieber konzertieren würden, sind dazu übergegangen, Unterricht an Musikhochschulen zu geben. Dies ist für sie ausdrücklich ein Kompromiss. Das aktive Musizieren und Komponieren sowie das Spielen in Jamsessions hat bei den Musikern einen deutlich höheren Stellenwert. Darin können sie all ihre Kreativität entfalten. Keiner der Befragten würde derzeit zusätzlich in einem jazzmusikfremden Job arbeiten. Berufsalltag heute trotz Einbußen zufrieden Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass die Jazzmusiker hinsichtlich der Zufriedenheit zwei Ebenen, eine musikalische und eine finanzielle, unterscheiden. Die musikalische Ebene beschreibt die allgemeine Selbstzufriedenheit
der Musiker im Hinblick auf ihr musikalisches Schaffen: Es gibt offensichtlich
Momente, in denen sie sehr glücklich sind als Musiker. Sie sind zufrieden,
dass sie davon leben können, dass sie hin und wieder mit interessanten
Leuten spielen und verschiedene Projekte haben. Der Älteste unter den Befragten beurteilt das Zufriedensein als prozesshafte Entwicklung langsam wird es mehr (50, m) und verbindet dies neben seinem Anspruch auch mit dem Älterwerden: Die ganzen früheren Jahre waren so eine Suche. Das hat sich dann langsam geändert und im Moment ist es so, dass ich nicht mehr so suchen muss, sondern aus all dem, was da ist, kommt es mehr zu mir.. Fazit: Die befragten deutschen Jazzmusiker existieren heute sicher unter erschwerten Bedingungen. Jedoch distanzieren sie sich von dem reinen Fixiertsein auf die finanzielle Situation, denn Geld ist für sie drittrangig. Im Vordergrund steht die Musik und das eigene Musizieren - eben just a way of life. Sabine Westerhoff-Schroer Ein ausführlicher Beitrag erschien unter dem Titel: Musikalische Werdegänge von Jazzmusikern Eine Untersuchung anhand biographischer Interviews im Jahresband des Arbeitskreises für musikpädagogische Forschung (AMPF), Verlag Die Blaue Eule 1997, S. 201217
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