Ganz viele Gitarrensaiten schwingen hier in den vier Rezensionen aus der ersten Augustwoche. Rezensionen in der HörBar der neuen musikzeitung. Sven Jungbeck invites Peter Weiss: Conversation With Six-String People Blind Spot & Philipp Wisser: Frontmirror Jazando Guitar Duo – La Fiesta Sven Jungbeck invites Sven Jungbeck lud ein, die Gastmusiker:innen durften größtenteils, wie man auf der Produktseite erfährt, selbst entscheiden, welche Titel sie spielen wollten. Und „rehearsals“ habe es auch nicht gegeben. Und alles läuft wie am magischen Schnürchen auf den 17 Tracks ab. Vielfalt in im Genre garantiert. Eine eigenartige kitzlige entspannte Platte ist das Resultat. Peter Weiss: Conversation With Six-String People Das geht alles ästhetisch auf ist aber kein immer leichtes Hörvergnügen, dem man sich blindmithörend überlassen könnte. Ich empfehle als besonders den Flow findend: „Nadved“ oder „Ohm“. Aber Geschmackssache. Blind Spot & Philipp Wisser: Frontmirror Anders als beim Debut-Album, das ich in der HörBar als „durchlaufend“ okay, könnte aber auch anders sein, wenig sonderbar fand, sind in dieser Trioformation die Dinge gerne etwas windschief gegen die Zeit – und das lässt wieder nach- und aufhorchen. Dadurch entstehen schöne neue Zeitbilder. Jazando Guitar …
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In unregelmäßigen Abständen werden hier „Medien“ wie Tonträger, Filme, Bücher oder Bildtonträger besprochen.
Klingendes Wimmelbild: Reza Askaris Trio Roar ft. Christopher Dell neu auf CD
(Von Sophie Emilie Beha) Diese CD springt mich an: knalliges Orange des Tonträgers auf absolutem Schwarz. Genauso in-my-face ist die Musik der Gruppe Roar. In zehn Stücken vereint die Band um Bassist Reza Askari Plötzlichkeit, Zielstrebigkeit, Komplexität und Fragmentarisches – stets durchdrungen von Humor und basaler Spielfreude. „Guts“ beginnt zunächst noch relativ gemäßigt-geordnet – zu sich schnell abwechselnden Rhythmen der Drums gesellen sich Melodiefetzen von Saxophonist und Klarinettist Stefan Karl Schmid, dann türmen sich schnell Rhythmen, Muster, Texturen und Einfälle auf. Alles schillert, blitzt und blinkt. Generationsübergreifend: Aus Trio wird Quartett Auf Roar‘s drittem Album macht Vibrafonist Christopher Dell aus dem Trio ein Quartett. Sein Spiel ist dabei entweder mit präziser Richtungsansage, die sich mühelos in den Gesamtklang der drei anderen integriert, oder mit betonter Zurücknahme. Die einzelnen Musiker kennen ihre Plätze in dieser Gruppe und agieren stets entschieden, egal ob sie dabei dem Solo des Kollegen folgen, selbst die Richtung angeben oder im Flow Klangflächen ausmalen. So entstehen Schlüssigkeit und ein großer Bogen. Die Stücke folgen aufeinander logisch und natürlich, wie von selbst. Nach dem freifließenden „Nessogenic Psymass“ lösen sich in „Maining Part Two“ …
WeiterlesenZwölf Schattierungen: Das Julia Hülsmann-Quartett mit neuer CD
(Von Sophie Emilie Beha) Die Kompositionen von Hülsmann und ihren Bandkollegen für das achte ECM-Album sind im gemeinsamen Spiel entstanden, geboren aus einer natürlichen Kontinuität. „Fluid“ beispielsweise ergab sich aus einem Online-Projekt, das die coronabedingt ins Wasser gefallene Usbekistan-Tour ersetzen sollte. The Next Door Julia Hülsmann hat es ursprünglich für ihr Quartett und die Trompeterin Hildegunn Øiseth geschrieben, auf „The Next Door“ erklingt es in einem schimmernden Arrangement mit einem freifließenden, wie locker aus dem Ärmel geschüttelten Klavier-Solo. Es wird abgelöst von Uli Kempendorff – demjenigen, der das neunzehnjährige Trio zum Quartett ergänzt. Aus seinem Tenor-Saxofon perlen endlos erscheinende Sechzehntelketten. Sein Spiel ist dabei immer klar, nie verhangen und geht konfliktlos auf das Spiel der anderen ein. Von Kempendorff stammt das Stück „Open Up“. Hier tänzelt er über stolpernde Becken-Rhythmen und schraubt sich schwindelfrei in Höhen, nur um danach seinen Bandkolleg*innen Platz zu machen. Die Auswahl der Stücke für die CD sei ein demokratischer Prozess gewesen, sagt Hülsmann. Und genau hier liegt das Qualitätsmerkmal dieses Albums: Balance. Wie in einem Mobile ist hier das große Ganze wie das kleine Detail genau austariert, und zwar weniger …
WeiterlesenTiming, Murks und Bleeps – Jazz-CDs in der HörBar Juni 2022/01
Übersichtliches und Unübersichtliches. Manchmal tönelt es recht kreisförmig, manchmal fliegt man flugs fort. Rezensionen in der HörBar der neuen musikzeitung. AHL6: If Life Were A Liquid Oded Tzur: Isabela Moritz Fasbender: RABBITS (EP) AHL6: If Life Were A Liquid … Der rhapsodische Stil im Versuch, ihn rhythmisch immer wieder zu kanalisieren und einzufangen, bereitet schon auch mal Wahrnehmungsverdruss. Man muss sich nicht nur zwischen den Tracks hörakustisch umstellen, sondern dies auch relativ häufig und schnell innerhalb dieser. Es ist eine Frage des Timings – und zugegebenermaßen, da ist jede:r Zuhörer:in anders empfänglich. … Oded Tzur: Isabela … Es ist das Saxophonspiel des Bandleaders Oded Tzur, der in seinen Improvisationen manchmal fast hilflos vor seiner eigenen Konzeption wirkt, formlos formelhaft in mancherlei nur wenig erweiterten Pentatonelei; bzw. schockreduzierten Modalität. Man kann es natürlich auch für besonders tiefgründig und -sinnig halten. … Moritz Fasbender: RABBITS (EP) … Insgesamt ist es wirklich ein Vergnügen, dem Lauf der Stücke zu folgen, die einerseits so klar im narrativen Ablauf sind, wie sie in der inneren Struktur von viel Spürsinn geprägt sind. …
WeiterlesenCovers & Cinema – Jazz-CDs in der HörBar Juli 2022/02
Es gibt hier einiges Gecovertes, obwohl? Eigentlich sind es ja Standards. Nur halt nicht die Üblichen. Es gibt Depri-Musik, Luftiges und Cineastisches: The Rick Hollander Quartet: Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band | Baier / Wehrmann: Connected | Florian Hartz‘ Flo & Fauna: Try Harder | Lothar Dithmar: Trains and Rivers | Lukas Langguth Trio: Save Me From Myself. Rezensionen in der HörBar der neuen musikzeitung. The Rick Hollander Quartet: Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band Baier / Wehrmann: Connected Florian Hartz‘ Flo & Fauna: Try Harder Lothar Dithmar: Trains and Rivers Lukas Langguth Trio: Save Me From Myself The Rick Hollander Quartet: Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band Eine große Freude. Die Platte der Beatles wird aufs netteste aus dem Pophimmel auf den Jazzboden geholt und hoppelt da wie ein Hase vermittels Steeldrums und des unspektakulär-klugen Gesangs über die doch teils komplexen Kompositionen von John Lennon, Paul McCartney und George Harrison mit kindischem Vergnügen und verschmitztem Ernst. Baier / Wehrmann: Connected Das Duo mit den beiden aus Funkpopjazz „groovyoutainment“ über die Kapelle „sidesteps“ bekannten Musikern hat sich ein paar Pop- und Rocksongs vorgeknöpft und …
WeiterlesenFest der Nachdenklichkeit – Wolfgang Torkler und René Bornstein mit ihrer CD „scapes“
Von Mathias Bäumel. Das Auge schweift über weite Landschaften, von schwarzem Licht zu gleißenden Himmeln, von Wolkentürmen bis zu goldenen Linien, in denen Welten scheinbar vergehen. Eine Stimmung, die an Melancholie erinnern mag, aber eher mit Besinnlichkeit, Besinnung und Sinnhaftigkeit zu tun hat. Nicht die Trauer über ein Verlieren des Gewesenen, sondern das Fühlen der Weite des Seienden von Himmelshorizont zu Himmelshorizont erklingen. Landschaften leuchten, glimmen, glühen, glänzen, schimmern, flimmern, schraffiert, schattiert, Klänge, Motive, Melodien, Themen nicht weit entfernt von minimal music, Landschaften der Unerreichbarkeit, scapes. Musikereignis Der Pianist Wolfgang Torkler und der Kontrabassist René Bornstein stellten am 22. Juli 2022 bei einem Open-Air-Konzert ihr neues, am 1. Juli 2022 veröffentlichtes Album „scapes“ vor. Dieses Musikereignis ist zugleich der Festival-Auftakt des Dresdner Palais Sommers. Weich, kräftig, summend Ästhetisch darf das vorliegende Duo-Album als Erweiterung der Piano-Solomusik Torklers gelten. Über die schrieb Klaus Hübner im Jazzpodium: „Fast bedächtig spricht Torklers Sound die Sprache der strengen Melodik eines Keith Jarrett und den wiederkehrenden Minimalismen eines Brad Mehldau.“ Dazu ist nicht nur der weiche, kräftige, tief summende Klang von Bornsteins Kontrabass eine ideale Ergänzung, Vervollständigung, Erweiterung der Torklerschen Musik, …
WeiterlesenKammer- und Jammermusikalisches – Jazz-CDs in der HörBar Juni 2022
Wolfgang Muthspiel: Angular Blues | Alex Bayer: Radar | martell beigang: musical matrix | KontraSax: Die Kunst des Reisens. Rezensionen in der HörBar der neuen musikzeitung. Wolfgang Muthspiel: Angular Blues Alex Bayer: Radar martell beigang: musical matrix KontraSax: Die Kunst des Reisens Muthspiel: Angular Blues … Man möchte diese Musik so in den Arm nehmen, wie umgekehrt sie das selbst mit ihren Hörerinnen und Hörern versucht. Irdische Perfektion mit friedlichster Klangabsicht in himmlischer Sphäre. … Alex Bayer: Radar … Schweben oder stolpern. Als Hörerin oder Hörer muss man das immer wieder neu ausbalancieren, will man nicht einfach nur im Strom fortgerissen werden. Ein musikalischer Strudel, der einen eher nicht einsaugt als vielmehr ausspuckt je tiefer man ihn hineinzugeraten scheint. … martell beigang: musical matrix … Drumset-Set-Spiel wie in der „Pavane“ irritiert in seiner Konventionalität. Anderes wirkt wie ein angerüpeltes Stück von Steve Reich, wenn es durch eine Nyman-Walze geschoben wird. Das ist nicht ohne Vergnügen wie in der „Gaillarde“ oder dem „Marche“. Aber man lasse sich nicht täuschen. … KontraSax: Die Kunst des Reisens … Heraus kommt ein 11-teiliges Reisestück. Introvertiert? Ja, das auch. Aber …
WeiterlesenNicole Johänntgen solo 2: „Ich kann das Wort Zeit neu interpretieren“
(Von Stefan Pieper) Eng getaktete Zeitmaße sind überwunden auf der zweiten Solo-CD der Saxophonistin Nicole Johänntgen. Hier sind – wortwörtlich genommen – höhere Dimensionen im Spiel. Aus einzelnen Tönen werden Intervalle, die sich zu Motiven formen. Immer neu und immer anders gefärbt. Vielleicht so, wie ein Naturszenario am Morgen allmählich erwacht? Das hektische Zeiterleben bleibt irgendwo unten im Tal zurück, wenn die Musik weiter auf diesem Weg nach oben trägt. Die in Zürich lebende Saxophonistin wählte für ihre zweite Soloaufnahme die Capella di San Gottardo – in 2100m Höhe gelegen auf dem Scheitelpunkt der berühmten Alpenpassstraße – mit einer nachhall-gesättigten Akustik, die manchmal fast selbst zu einem Musikinstrument wird. Ist der Mensch nicht ganz klein angesichts der Größe einer solchen Berglandschaft? Oder ist er doch ganz im Mittelpunkt? Das improvisierte Spiel ganz mit sich allein wurde zur Meditation über solche Seinsfragen. Freiheit und Logik Erst nach vier Stücken formen die Töne und Motive dieses Soloalbums zum ersten Mal eine zusammenhängende Melodie, was wie die Erfüllung eines Planes wirkt, in dem trotz aller assoziativen Freiheit viel Logik im Spiel ist. Aber Nicole Johänntgen ist eine viel …
WeiterlesenVadim Neselovskyi „Odesa“ – Impressionen aus seiner Heimatstadt
Der ukrainische, in Odessa geborene, Pianist und Professor am renommierten Berklee College of Music Vadim Neselovskyi setzt seiner Heimatstadt Odessa mit „Odesa: A Musical Walk Through A Legendary City“ ein musikalisches Denkmal. Konzipiert und entstanden ist das Album lange vor dem russischen Angriff auf die Ukraine. Kurz vor dem Tod seines Vaters hat er ihm noch ein paar Stücke vorgespielt und sich nicht zuletzt durch seine Reaktion bestärkt gefühlt auf dem richtigen Weg zu sein, auch wenn sowohl Intention des Werkes als auch der Blick „seinerzeit“ noch ein vollkommen anderer war. Aufgenommen wurde das Piano Solo Album zwischen August 2020 im Sendesaal Bremen und September 2021 in den Kölner Riverside Studios. Eine der ersten „Odesa“ Live-Versionen wurde am 11. März 2021 im Rahmen eines Streaming Konzertes, coronabedingt ohne Publikum, aus dem Jazzclub Unterfahrt übertragen. Seinerzeit bereits klanggewaltig und mitreißend, aber noch etwas leichtfüßiger, sorgenfreier und natürlich politisch längst nicht so relevant wie bei Neselovskyis nächstem Münchner „Odesa“ Solo-Konzert in der Unterfahrt am 28. April 2022, bei dem an einigen Stellen, wie in „Odesa 1941“, die Zerstörung durch die russische Armee im Ukraine Krieg klanglich einen …
WeiterlesenHeiner Schmitz – „Tales From The Wooden Kingdom“
Von Dietrich Schlegel. Elias Canetti beschrieb in seinem philosophischen Hauptwerk „Masse und Macht“ (1960) den Hang der Deutschen zur Mystifizierung des Waldes mit den Worten: „In keinem modernen Lande der Welt ist das Waldgefühl so lebendig geblieben wie in Deutschland. Das Rigide und Parallele der aufrechtstehenden Bäume, ihre Dichte und ihre Zahl erfüllt das Herz des Deutschen mit tiefer und geheimnisvoller Freude. Er sucht den Wald, in dem seine Vorfahren gelebt haben, noch gern auf und fühlt sich eins mit den Bäumen… Man soll die Wirkung dieser frühen Waldromantik auf den Deutschen nicht unterschätzen. In hundert Liedern und Gedichten nahm er sie auf…“ Refugium Wald Konfrontiert mit diesen Sätzen gerät Heiner Schmitz, Jazzmusiker und Komponist, Schöpfer seines – nach der „Odyssee“ und „Sinns & Blessings“ – neuen großorchestralen Werkes „Tales From The Wooden Kingdom“, ins Grübeln, sieht sich in gewisser Weise bestätigt und versucht zu beschreiben, was Wald für ihn bedeutet: „Wald ist für mich in erster Linie ein Refugium, in dem man zu sich kommen kann, seine Gedanken schweifen lässt, den urbanen, sozusagen unbewaldeten Alltag abstreifen und durchatmen kann…“ Die Frage, ob er …
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