Egal ob Steuererklärung, Südtiroler Rundungen oder Stücke wie Hamburg, Amsterdam, Luxemburg – was sich Matthias Schriefl in seinen Kompositionen musikalisch vornimmt, strotzt vor Energie, Spontaneität und vor allem Witz. Mit langjährigen Bandkollegen und Wegbegleitern wie Jens Düppe, Robert Landfermann, Kalle Kalima, Jonas Burgwinkel, Johannes Behr oder Christian Lillinger fräst sich Schriefl sprichwörtlich durch seine Stücke. Klanglich unterstützt wird Shreefpunk dabei von Streichern der Münchner Philharmoniker und dem singenden wie jodelnden Streichtrio Netnakisum. Yes! Das funktioniert und egal, ob ultraschneller Bebop, Metal-Gitarren-Soli, Streicher-Pizzicato, Stubenmusi, Blues, Punk oder Pseudo-Funk – es lässt sich alles musikalisch mit nur einem Wort zusammenfassen: Shreefpunk! Das Konzept „Keine Angst vor Einfachem, keine Angst vor Komplexität“ geht auf und lässt den Hörer – fest im Sattel – auf Schriefls wildem Ritt an seiner musikalischer Weltanschauung teilhaben. Das Gute an Shreefpunk ist, dass es sich bei Schriefls Musik nicht um verkrampfte oder verkopfte Kompositionen handelt, sondern ihm und seinen Mitstreitern der Schalk kräftig im Nacken sitzt, gepaart mit solidem Handwerk und entsprechendem musikalischen Freigeist. Das ist letztlich auch das Wesen von Shreefpunk und macht diese Aufnahme ungemein spannend! Matthias Schriefl: „Keine angst voR …
WeiterlesenKategorie: Rezension
In unregelmäßigen Abständen werden hier „Medien“ wie Tonträger, Filme, Bücher oder Bildtonträger besprochen.
Eintauchen in ein frühes Emigrantenleben: Musikproduzent Ulrich Balß offenbart mit New-York-Fotobuch das Vermächtnis seines Großvaters
Mit der ausgefransten Metapher „wie Sand am Meer“ könnte man einen Fotoband über die Weltmetropole New York City schnell abhaken und beiseite legen. Dann schreibt der Autor, der Bremer Musikproduzent und Verleger Ulrich Balß, auch noch, dass sich „das Buch maßgeblich von den vielen New-York-Büchern unterscheidet“. Sagt doch jeder, mag man denken, und beraubt sich damit vielleicht einer überraschenden Entdeckung und einer exemplarischen Familiengeschichte, die sich über drei Generationen erstreckt. „New York – Past & Present“ ist zweisprachig gehalten und grenzt damit das Vergleichsangebot schon deutlich ein. Es enthält Aufnahmen von einem historischen New York des Jahres 1928 und aktuelle Bilder. Eine weitere Eingrenzung. Bei den Texten greift es auf Briefe und Aufzeichnungen des Leipziger Buchbinders Theodor Trampler zurück, der 15 Monate in New York lebte, um seine Familie in Deutschland durchzubringen. Und nicht zuletzt liegt dem querformatig gehaltenen Foto-Brief-Tagebuch-Band noch eine Musik-CD bei, die Songs von 1928 bis heute umfasst, interpretiert von New Yorker Musiker/-innen. Zusammen genommen widerlegen alleine die Fakten jeden Anflug von Skepsis einem „alten Wein in neuem Schlauch“ aufzusitzen, um eine weitere Metapher ins Spiel zu bringen. Tatsächlich ist das Fotobuch …
WeiterlesenRezension: Keith Jarrett: La Fenice
Man weiß nicht so genau, was noch in den Archiven von ECM schlummern mag, aber da scheint es ja in Sachen Jarrett kaum ein Ende zu geben. Nun also eine Aufnahme aus dem „Gran Teatro La Fenice“ in Venedig. Man schreibt das Jahr 2006. Und Keith Jarrett schreibt eine weitere Improvisation. Von den langen improvisatorischen Gleisen der 70er bis 90er Jahre hat er sich längst entfernt. Sein Soloabend ist dokumentiert auf zwei CDs und besteht aus acht „Parts“ und vier Standards; insgesamt 97 Minuten. Wie schon in anderen Solo-Aufnahmen nach 2000 wirken die Improvisationsgleise bei Jarrett kondensierter als bei den Lang-Improvisationen aus der Zeit davor (beginnend mit dem „Köln Concert“ den Konzerten in Lausanne und Bremen (Danke für den Hinweis, Herr Ries) und einstweilen endend mit „A Multitude of Angels“) – oder anders: sie sind schlicht kürzer. Zwischen den „Parts“ wechselt Jarrett die musikalischen Hemisphären wie bei einer Art Solo-Suite. Es gibt nicht gerade allzu viele Pianist*innen, die über ein derlei umfangreiches Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten verfügen und es jeweils technisch und praktisch umsetzen können: Das reicht in der Aufnahme aus Venedig von 2006 von wild …
WeiterlesenNach Folk-Jazz kommt der elektronische Folk: Sophie Hunger kreiert stellare Sounds aus Electropolis
Moleküle hört sich natürlich besser an, als Entrümpelung. Bevor Sophie Hunger aber daran gegangen ist, ihr neues Album „Molecules“ aufzunehmen, hat sie ganz viel entrümpelt. Vielleicht entrümpeln müssen, denn bei der Schweizerin hatte man schon bislang den Eindruck, sie lässt Bekanntes gern zurück und setzt sich neu zusammen. Das Unerwartete, Überraschende, manchmal auch Ungewöhnliche als konzeptioneller Gegenentwurf zum Vorhersehbaren. Nach dem erfolgreichen, folkig-jazzigen „Supermoon“ unternimmt sie mit ihrem sechsten Studioalbum einen besonders gründlichen Schnitt. Ohne Wehmut hat sie herkömmliche Instrumente über Bord geworfen und dafür Synthesizer, Drumcomputer und digitale Klänge in ihre Musik geholt. „Minimal electronic folk“ bezeichnet sie die pochenden Grooves und coolen Klänge, aus welchen sich ihre bildhaft-lyrischen Songs zusammensetzen. Erstmals singt sie zudem ausschließlich auf Englisch, lässt die anderen Sprachen hinter sich. „Ich wusste immer, dass es mit dem Sprachenmix nicht ganz koscher ist“, begründet sie ein wenig fadenscheinig ihre Entscheidung für den internationalen Markt. Nicht zuletzt ist „Molecules“ ihr persönlichstes Album. Denn neben den politischen Minen, die überall explodieren, ist auch ihre eigene Welt auseinander geflogen. Eine Welt in Aufruhr. Dieser rückt Hunger mit oft scharfkantig assoziativer Sprache, eigenwilligen Gedankenketten und …
WeiterlesenJazziger Soul in sanften Registern: Das Debütalbum von Leona Berlin
Nicht immer braucht es Künstlernamen. Leona Berlin, die „irrtümlich“ aus Karlsruhe stammt, bleibt auch mit bürgerlichem Namen im Gedächtnis. Die 27-Jährige lernte schon als Kind von ihrer Mutter die ganz Großen ihres Fachs wie Aretha Franklin und James Brown kennen; später formte insbesondere Alicia Keys ihre musikalische Prägung – Einflüsse, die auch bei ihren eigenen Songs immer wieder durchschimmern. Leona Berlins selbstbetiteltes Debütalbum ist bewegend, allein schon wegen der Songtitel: Die Newcomerin ist „Walking“, „Moving“ und „Flying“ – und das gerade mal innerhalb einer knappen Stunde Laufzeit. Für die gebürtige Baden-Württembergerin markiert die Aufnahme schon seit 2014 ein Herzensprojekt. Lange hatte sich die Suche nach passenden Produzenten schwierig gestaltet, bis Leona ihren Erstling schließlich im Alleingang produzierte und damit direkt bei einem der ganz großen Labels landen konnte. In Sachen Songwriting zeigt die Soulstimme durchaus musikalisches Gespür, verlässt sich jedoch stets auch auf die Mithilfe renommierter Komponisten der Szene. Die 13 so entstandenen Klanggebilde irgendwo zwischen Neo-Soul und Pop-Jazz ernähren sich überwiegend von verspielten Piano-Samples, angereichert mit Orgel, Streicher, Synthies sowie experimentierfreudigen Effekten aus der Aufnahmetechnik. Auf Basis dieser stabilen Projektionsfläche zelebriert Leona vielschichtige Gesangs-Layer, …
WeiterlesenDVD Open Land – Meeting with John Abercrombie
Open Land Meeting John Abercrombie A Film by Arno Oehri & Oliver Primus A Music Heritage Production ECM Der Lichtensteiner Filmemacher und Regisseur Arno Oehri interviewte den letztes Jahr leider viel zu früh verstorbenen Gitarristen John Abercrombie ausführlich zuhause in Greenwich/Connecticut und besuchte mit ihm Stationen seines Lebens. Herausgekommen ist dabei ein sehr persönliches Portrait. Abercrombies Werdegang wird behutsam beleuchtet, treue Begleiter kommen zu Wort, wie z.B. der New Yorker Gitarrenbauer Ric McCurdy, der akribisch darauf bedacht ist individuelle Gitarrenlösungen und Spezialanfertigungen für sein Klientel zu finden oder seine Frau Lisa, die ihm all die Jahre zur Seite stand. John Abercrombies erste Begegnung mit seinem zukünftigen Instrument wird von ihm selbst mit Humor und Augenzwinkern beschrieben (wer hätte gedacht, dass er zuerst von Chuck Berry und dessen Gitarre fasziniert war), seine Anfänge auf der akustischen Gitarre, der weitere Werdegang abseits des Mainstream bis hin zu seinem kreativen Improvisationsstil. Der Meister erzählt selbst gelassen und ruhig was ihn bewegte, beeinflusste und wie er letztlich zum Jazz kam. Dabei konnte sich Abercrombie auf seine Familie verlassen, die ihn zwar kritisch beäugte …
WeiterlesenGrooves aus Röntgenbildern und Poesie: Rim Bannas letztes Werk
Zwei Tage vor seinem Tod ist David Bowies Album „Blackstar“ erschienen. Es wurde als finale Inszenierung des Mannes „der vom Himmel fiel“ empfunden, der selbst zum Kunstwerk geworden war, als sein künstlerisches Vermächtnis. Die heuer im März verstorbene Sängerin Rim Banna hat die Veröffentlichung ihres letzten Albums nicht mehr erlebt. Wie der Popstar hat die 51-jährige Musikerin bis zuletzt an ihren Texten und der Musik gearbeitet. Sie hat sich ihre künstlerische Integrität bewahrt und die Fäden in der Hand behalten. „Voice of Resistance“ ist somit ebenfalls zum Vermächtnis geworden, ein kraftvolles und trotziges Zeichen sich angesichts eines vorhersehbaren Todes nicht unterkriegen zu lassen. Zugleich ist es aber auch ein phänomenales musikalisches Statement. Auf höchst vitale und faszinierende Weise verbindet es elektronische Sounds und komplexe Beats mit akustischem Pianojazz, Poesie und „Datensonifikation“ zu mitreißenden clubtauglichen Grooves. Der Widerstand, die „Resistance“, geht bei diesem letzten Album weit über eine politische Haltung hinaus, wie sie lebenslang zu der Aktivistin gehört hat. 2009 war bei Rim Banna eine Krebserkrankung diagnostiziert worden. Sechs Jahre später setzte eine langsame Lähmung der Stimmbänder ein, da arbeitete sie gerade an ihrem 13. Album …
WeiterlesenThomas Quasthoff – Nice’n’Easy: Futter für entspannte Stunden
Man muss seine großartige Winterreise von Schubert nicht unbedingt kennen, um seine Riesenstimme und Fähigkeiten Gefühle auszuloten zu schätzen. Vor sechs Jahren, als der Sänger mit dem superben Bassbariton angekündigt hatte, sich von klassischen Konzertbetrieb zurückzuziehen, war die Betroffenheit groß. Danach war Thomas Quasthoff zwar weiterhin live zu erleben, allerdings nurmehr als Schauspieler und Kabarettist, wo er sein humoristisches Talent ausleben konnte, und als Jazzsänger. Im Unterschied zu anderen klassischen Sängern, die in ein fachfremdes Genre hineinschmecken, um ein größeres Publikum oder zusätzliche Quellen zu erschließen, stand bei dem heute 58-Jährigen der Jazz am Anfang seiner beispiellosen Karriere. Angetriggert von seinem Bruder, „habe ich immer Jazz gesungen. Es war durchweg Teil meines musikalischen Lebens“, sagt Quasthoff selbst. Nach acht langen Jahren hat Thomas Quasthoff vergangenes Jahr ein neues Jazzalbum aufgenommen. Gestern wurde das nach Frank Sinatras gleichnamigen Album von 1960 betitelte „Nice`n´Easy“ veröffentlicht. Nach diversen Platten mit kleinen Bands ist es Quasthoffs erste Produktion mit einer Bigband. Für den Berliner, der an der Hanns-Eisler-Musikhochschule auch Gesang unterrichtet, ist damit ein lang gehegter Traum in Erfüllung gegangen. Knapp ein Dutzend Jazzstandards und Musicalklassiker hat er mit …
WeiterlesenKeeping a Tradition: Joshua Redman mit neuer CD „Still Dreaming“
Joshua Redmans neue CD „Still Dreaming“ ist alles anderes als eine nostalgische Hommage oder gar Reminiszens an das „Old and New Dreams“ Quartett seines Vaters. In den siebziger Jahren stand diese Formation um den Saxophonisten und Joshuas Vater Dewey Redman gemeinsam mit Trompeter Don Cherry, Charlie Haden am Bass und Drummer Ed Blackwell für eine konsequente Fortführung des modernen Jazz-Geistes, der sich, ganz im Geiste ihres Weggefährten Ornette Coleman, in den frühen sechziger Jahren manifestierte. „Old And New Dreams“ – das waren ungestüme, kollektive Improvisationen die seinerzeit zelebriert wurden, das Ausleben musikalischer Freiheiten, energiegeladen, erdig, immer humorvoll mit musikalischem Schalk im Nacken und im weitesten Sinn bereits ein „Tribute to Ornette Coleman“. Der Einfluss dieses Quartetts hat natürlich seine Spuren bei Joshua Redman hinterlassen. Nun war die Zeit reif, aus seiner Begeisterung für „Old And New Dreams“ etwas Neues zu schaffen: ohne nostalgisches Pathos – höchstens als Verbeugung vor seinem Vater… „Still Dreaming“! Mit Ron Miles hat Joshua Redman einen Trompeter gefunden, der, von Don Cherrys Spielweise beeinflusst, eine eigene Sprache auf seinem Instrument entwickelt hat. Scott Colley studierte in jungen Jahren selbst bei Charlie …
WeiterlesenMaxime Bender: Universal Sky
Die typisch luxemburgische Namensgebung lautet „französischer Vorname plus deutsch klingender Familienname“. Also liegen die Dinge wohl auch klar bei Maxime Bender, einem hochmotivierten Saxofonspieler, der den europäischen Jazzhimmel bereichert. Klug aus dem Miteinander von Sprachen und Stileinflüssen zu schöpfen, das gehört zum Leben in Luxemburg, und das zeichnet Maxime Benders verschiedene Projekte allemal aus. Im nahen Frankreich ist der kosmopolitische Saxofonist für seine jüngste Band (eine von insgesamt dreien! ) „Universal Sky“ fündig geworden. Sie besteht aus dem Gitarristen Manu Codja, einem Hammondorgelspieler namens Jean-Yves Jung und dem Schlagzeuger Jerome Klein. Lassen wir die Musik für sich sprechen, denn diese ist auf dem „Universal Sky“ – Album regelrecht selbsterklärend: Ein funkiges Lick eröffnet die erste Nummer, der Kommentar folgt sofort. Die Hammondorgel lädt das Klangbild druckvoll auf. Aber bevor der Drive der Rhythmusgruppe ins Schleudern gerät, holt die Musik in wohldosierten Art Ruhepolen. Um dann wieder alle Charakterdarsteller von der Leine zu lassen, um die Kunst des Diskurses, aber auch des Umspielens zu pflegen. Zu Beginn des Stückes „Movement of the Unknown“ bläst Maxime Bender ein langes Sopransolo – nicht nur hier blitzen diese starken …
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