„Tunnel Visions“ – ARK NOIRs Debüt-CD bei enja

Jazz not Jazz – im Universum elektronischer Beatmusik kombiniert mit Improvisationselementen bleibt es weiter spannend. Ein Schmelztiegel für diese neuen Impulse ist seit geraumer Zeit die „Metropole“ München. Abgesehen von Clubs die diese Musik fördern, wie den Harry Klein Club, das Milla oder der Jazz Club Unterfahrt, entstehen und etablieren sich in diesem Bereich hoch interessante Formationen wie ARK NOIR. Bands wie SLATEC, LBT oder letztlich die JazzRausch BigBand sind Vor- und Wegreiter für das, was in der Szene gerade abgeht und passiert. Die Münchner Band ARK NOIR, gegründet vor gut vier Jahren vom Saxophonisten Moritz Stahl und Bassisten Robin Jermer, fand mit dem Schlagzeuger Marco Dufner sowie Tilman Brandl an der Gitarre musikalisch Gleichgesinnte, und als fast ein Jahr später noch Pianist und Keyboarder Sam Hylton dazu kam war das Kollektiv komplett. Seitdem ist viel passiert. Unzählige Auftritte, in der sich ARK NOIR kompositorisch weiter entwickelt hat und kontinuierlich den Horizont erweiterte. Der Titel ihres aktuellen Albums „Tunnel Visions“ ist gleichzeitig eine von der Band organisierte Festivalreihe, die im Münchner Club Milla mittlerweile regelmäßig stattfindet und außer ARK NOIR, Gleichgesinnten wie Newcomern eine Auftritts-Plattform bietet. …

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Gefühl von „Zimt ohne Zucker“ – Hannah Köpf mit neuem Album „Cinnamon“

Zart, fast gläsern singt diese Stimme vom Werden und Vergehen, „Golden Leaves (that turn to brown)“. Dabei, und das ist vielleicht das Besondere an dem wunderbar weichen Mezzosopran von Hannah Köpf, keine Spur zerbrechlich. Immer ist da auch eine stabile Beständigkeit, die verspricht, abends nicht einfach verschwunden zu sein, wenn die Sonne untergegangen und die Songs verklungen sind. Das hat auch viel mit der Musik der Kölnerin zu tun, die von einer countryaffinen Jazzband aus den Weiten von Alabama und Louisiana ins dicht besiedelte Europa geholt wird. Köpfs mittlerweile viertes Album, nach vorherigen Jazz- und Singer-Songwriteralben, besticht durch eine astreine Americana-Stimmung. Zehn Songs voll leichter Melancholie, verhaltener Freude und Erinnerungen an Dinge, wie den Zimtgeruch im Haus der Großmutter. Der hat dem Album zu seinem ungewöhnlichen Titel verholfen. Eine getragene Gitarrenmelodie, eine dunkle Trommel, die sich vor dem anrührenden Song verneigt und eine zurückgenommene Fiddle, die im Hintergrund weite Räume öffnet. „Cinnamon“ erzählt davon, wie Köpf durch den vertrauten Geruch des Gewürzes ins Haus ihrer Oma zurückversetzt wird. Das überwältigende Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit, welches sie dabei erlebt, ist allerdings durchsetzt von der Gewissheit …

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Schnelldurchlauf: Neue Aufnahmen von Phraim bis zum Modern String Quartet

Durch- und abgehört hat Huflaikhan in der Hörbar der nmz: Rainer Böhm + Norbert Scholly: El Movimiento del Gato Negro [2019] | Håkon Kornstad Trio: Im Treibhaus [2019] | Modern String Quartet: The Rite Of Swing [2019] | Don Byron, Aruán Ortiz: Random Dances and (A)tonalities [2018] | Clemens Christian Poetzsch: Remember Tomorrow [2019] | Francesco Tristano: Tokyo Stories [2019] | Jamie Saft: You Don’t Know the Life [2019] | Phraim: Phraim [2019] Rainer Böhm + Norbert Scholly: El Movimiento del Gato Negro [2019] Håkon Kornstad Trio: Im Treibhaus [2019] Modern String Quartet: The Rite Of Swing [2019] Don Byron, Aruán Ortiz: Random Dances and (A)tonalities [2018] Clemens Christian Poetzsch: Remember Tomorrow [2019] Francesco Tristano: Tokyo Stories [2019] Jamie Saft: You Don’t Know the Life [2019] Phraim: Phraim [2019]

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„Evans in England“ – Resonance veröffentlicht Live-Mitschnitt des Bill Evans Trios von 1969

Bei der aktuell auf dem Resonance Label erschienenen CD „Evans in England“ handelt es sich um einen äußerst hörenswerten Live-Mitschnitt des Bill Evans Trios, der im Dezember 1969 im Londoner Ronnie Scott’s Club aufgenommen wurde. Es ist die mittlerweile vierte Bill Evans Live-Trio-Produktion (neben Top of the Gate (23.10.1968), Black Forest (20.06.1968) und Hilversum 22.06.1968)) mit bis dato unveröffentlichtem Material, das Resonance den geneigten Hörern und Bill Evans Fans zugänglich macht. Während bei den Konzerten in Hilversum und Villingen (Black Forest) Jack De Johnette mit von der Partie war, saß bei den Konzerten im Greenwich Village (Top of the Gate) und im Ronnie Scott’s Club, neben Eddie Gomez am Bass, Marty Morell am Schlagzeug. Dieses Trio zählt unbestritten zu den herausragenden Evans-Formationen. Hoch virtuos, mal aufbrausend und gleichzeitig mit Feingefühl begegnen Gomez und Morell dem Spiel von Bill Evans, fordern ihn mit Soli, Läufen, spannenden Rhythmussequenzen und geben musikalisch Vollgas. Angesichts der mittlerweile gut dokumentierten Auswahl an Tonträgern dieses Trios, ist hier trotzdem auch der eine und andere musikalische Schatz zu hören. So spielt das Trio eine frühe Aufnahme des Evans-Klassikers „The Two Lonely People“ …

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Jazzszene kompakt im „Musikleben in Deutschland“

Das Deutsche Musikinformationszentrum (MIZ), eine Einrichtung des Deutschen Musikrats, legt mit seiner aktuellen Publikation „Musikleben in Deutschland“ eine umfassende Dokumentation zu Strukturen und aktuellen Entwicklungen des Musiklebens vor. Darin finden nicht nur umfangreiche Tabellen und Schaubilder mit Daten des MIZ, sondern vor allem fundierte Beiträge der 22 Fachautoren aus Wissenschaft, Kulturpolitik und Musikpraxis mit vielen Hintergrundinformationen Platz. Mit dem Ziel, das gesamte deutsche Musikleben abzubilden, behandeln die einführenden, allgemeinen Kapitel über musikalische Bildung neben der klassischen Musik auch Popmusik, Jazz und weitere Musikstile. Der Schwerpunkt liegt hier aber natürlich auf der Klassik, die zahlenmäßig den größten Teil der musikalischen Bildung ausmacht. Auch Franz Willnauer geht in seinem Beitrag über Festspiele und Musikfestivals auf den Jazz ein. Beispiele der zahlreichen, auch schon früher gegründeten Jazzfestivals in Westdeutschland sind hier leider nicht angeführt, dafür aber die Besonderheit solcher Veranstaltungen in der DDR. Dort seien in den 1970er und 1980er Jahren viele Festivals als eine Mischung von politischer Vereinnahmung – die DDR versuchte, als Reaktion auf die amerikanische „Jazz Diplomacy“, den Jazz ebenfalls für ihre politische Agenda zu nutzen – und „Schaffung von Freiräumen“ durch populäre Musik entstanden. …

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Fusion konsequent ins Heute weitergedacht: Mark Guilianas „Beat Music“ im Dortmunder domicil

Der New Yorker Mark Guiliana gehört zurzeit zu den gefragtesten Schlagzeugern: Er trommelt bei Avishai Cohen und bildet ein Duo mit Brad Mehldau. Vor allem: Sein Schlagzeugpart ist auf David Bowies – verblüffend jazzaffinen – letzten Album „Blackstar“ verewigt. Mark Guilianas Konzert im Dortmunder domicil bereicherte die Konzertreihe anlässlich des 50jährigen Bestehens des Dortmunder Jazzclubs – und wurde dem hohen Anspruch bestens gerecht! Wenn Guiliana mit einer eigenen Band auf Solopfaden wandelt, braucht dieser vielseitige Weltklasse-Rhythmiker keine eitle Selbstdarstellung. Umso mehr ist beim aktuellen „Beat Music“-Projekt das stringente greifbare Thema das Herzensanliegen: Um „Fusion“ geht es, diese zeitlose Verschmelzung von Jazz mit Rock und elektronischer Musik. Und wie eine solche Praxis wie ein aufnahmefähiger Schwamm alle Sounds und Trends vorzugsweise aus einem elektronischen Universum aufzusaugen in der Lage ist… Im Dortmunder domicil gibt Guilianas komprimiertes, von jeder virtuoser Eitelkeit befreites Schlagzeugspiel einer solchen Klangwelt den mächtigen, facettenreich ausdifferenzierten Puls. Also darf im Kollektiv in entrückte Galaxien abgehoben werden, was vor allem die beiden Keyboarder sicherstellen. Sam Crowe und Nicholas Semrad degradieren nicht etwa ihre Synthesizer zum „Werkzeug“ oder Füllmittel, sondern spielen diese Geräte als das, …

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Elliot Galvin: Neues Album „Modern Times“

Elliot Galvins neues Trio Album „Modern Times“, erschienen auf Edition Records, ist auf mehrere Weise eine ganz besondere Aufnahme und stellt schon allein mit dem Titel die Produktion auf den Kopf. „Modern Times“ bietet musikalisch absolut moderne, fesselnde Musik. Aber wie sie zustande gekommen ist und unter welchen Umständen sie aufgenommen wurde ist eine eigene Geschichte, die technisch gesehen im vorigen Jahrtausend angesiedelt ist. Die komplette Aufnahmesession wurde live eingespielt, gemixt und direkt auf Vinyl aufgenommen (mit einemNeumann VMS70 lathe), jede Seite mit einer durchgehenden Aufnahme! Bei einigen Schallplattenliebhabern kommen da Erinnerungen hoch an das legendäre Jeton Label mit seinen direct-to-disc Aufnahmen. Genau so ist „Modern Times“ entstanden und auch gemeint. Produziert mit einer Technik aus der Prä-Tonband Ära der dreißiger Jahre, die heutzutage eher selten ist, gleichwohl für Musiker als auch Tontechniker eine besondere Herausforderung. Gleichzeitig musikalisch ein Statement gegen oftmals „überproduzierte“ Studiomucke, die wie hier puristisch eingespielt, ihren wahren Charakter entfaltet: da wird ehrlich, direkt, ohne Umschweife musiziert und improvisiert. Gegründet wurde das Elliot Galvin Trio bereits 2014 mit Tom McCredie am Bass und dem Schlagzeuger Simon Roth. Seitdem ist viel passiert. Im …

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Neue CD des Vincent Eberle Quintetts

Endlich ist es soweit: mit „Equilibrium“ erscheint nun der zweite Tonträger des Vincent Eberle Quintetts. Seit mittlerweile 5 Jahren besteht die Formation und seit dem Debut „Holding“ ist viel passiert. Was auf einer Jam Session im Münchner Club Milla begann, ist in der Zwischenzeit mit mehreren wichtigen Musik-Preisen ausgezeichnet worden und hat sich zu einer veritablen wie festen Größe im Jazzbereich etabliert. Gemeinsam mit dem Pianisten Leo Betzl, Maximilian Hirning am Bass, Sebastian Wolfgruber an den Drums sowie Paul Brändle an der Gitarre, wird die Gruppe auf der CD soundtechnisch noch von Jonas Brinckmann am Baritonsaxophon und der Bassklarinette unterstützt. Hier ist der Titel Programm: „Equilibrium“ beschreibt übersetzt einen Zustand, in dem sich einwirkende Kräfte ausgleichen, also quasi ein Gleichgewicht bilden. Besser könnte man die vorliegende Aufnahme des Eberle Quintetts wirklich nicht beschreiben. Sämtliche Kompositionen stammen aus der Feder des Bandleaders. Was mit einem herrlichen Groove gleich zu Beginn startet, entwickelt sich im Lauf der Stücke zu einem vielschichtigen, luftig melodischen Klangkosmos, der zu jeder Zeit ein Gleichgewicht herstellt zwischen Harmonien, Improvisationen, Solisten und Rhythmus. Vergleiche seien hier erlaubt, Vorbilder wie Chick Corea, Wayne Shorter …

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Tiefenentspannt: Die neue Solo-CD „Invisible Colours“ des Essener Pianisten Thomas Hufschmidt

Tief in sich ruhend wirken diese Solostücke: Thomas Hufschmidt, Pianist und Folkwang-Professor scheint auf seiner neuen CD „Invisible Colours“ dem vielbeschäftigen, mit vielen Projekten und Lehrtätigkeiten angefüllten Alltag konsequent entsagen zu wollen. Denn der musikalische Fluss, der hier aufkommt, wirkt wie eine tief in sich ruhende Innenschau eines erfahrenen Musikers, der sich durch nichts und niemanden aus der Ruhe bringen lässt. Auf betont unaufgeregte Weise verbindet der Essener hier Eigenkompositionen und Lieblingstandards. Idyllische fast schwärmerische Impressionen stehen am Anfang eines „Prelude“, das uns sagt, dass der Frühling mit ganz viel Sonnenstunden nun kommen kann. Dann nimmt Denny Zeltons „Morning Touch“ Fahrt auf, bevor auch wieder freundliche Ruhepole gesetzt werden. Völlig in sich ruhend bekräftigt Hufschmidts eigenes Titelstück, dass es mit diesem Repertoire auf Augenhöhe rangiert. Immer pflegt das Spiel des Esseners eine kluge Ökonomie: Statt vieler ruheloser Tongirlanden „malt“ Hufschmidt lieber mit breiten, imaginären Pinselstrichen leuchtende, warme Emotionen – durch wohldosierte harmonische Wirkungen, die sich abwechseln, entwickeln, ergänzen und einander bereichern! Komponiertes und Improvisiertes fließt hier ebenso ineinander. Hufschmidts Eigenkomposition „Planet Brico“ eröffnet durch reibungsvolle Intervalle eine wunderbar tiefsinnige Reflexion, in der auch Umwege und …

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Ein New Yorker im Ruhrgebiet – ein Recklinghäuser in New Work: Stefan Bauer und sein neues Album „Voyage West“

Der Vibrafonist Stefan Bauer ist mit Leib und Seele ein New Yorker, genauer gesagt ein Musiker aus Brooklyn, aber ebenso ein bekennender, aus Recklinghausen stammender Ruhrgebietsmusiker, der regelmäßig zu seinen vielbeachteten „Heimspielen“ viele Jazzgrößen aus NRW mobilisiert. Und Bauer ist in bestem Sinne ein musikalischer Reisender. In dieser Hinsicht betreibt er seit Jahren seine international besetzte Band „Voyage“ als einen überaus flexiblen Melting Pot unterschiedlicher Einflüsse. Der neuesten Wurf dieser Band, das Album „Voyage West“ featured vor allem die israelische Sängerin Tammy Scheffer. Üblicherweise agiert diese Vokalkünstlerin als gleichberechtigtes „Instrument“ in der Band, sticht aber auf dem neuen Album durch besonders ausgiebige Bravourparts hervor, derweil ihr die Bandmitglieder mit umgemein flexibler Spielfreude den roten Teppich ausrollen. Scheffer, der es vor allem nahöstliche und indische Musikstile angetan haben, verwebt auf den langen Stücken eine weit ausgedehnte Melismatik mit den Jazzimprovisationen ihrer Band, wobei es vor allem immer wieder zu aufregenden unisono-Parforecitten kommt. Das neue Album eröffnet in dieser Hinsicht erfrischende, neue Inspirationsquellen, etwa traditionelle nordische Melodien oder musikalische Themen, die wie alte englische Folktunes wirken. Gemeinsam schöpft die Band daraus ein aufregend variantenreiches Farbspektrum. Vor allem …

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