Von Mathias Bäumel. Bereits vor sechs Jahren trat der slowenische Ausnahmegitarrist Samo Šalamon mit einem reinen Gitarren-Ensemble an die Öffentlichkeit (CD „Ives“ mit den Gitarristen Manu Codjia und Mikkel Ploug), nun hat er während der Corona-Zeit den ersten Teil eines fantastischen neuen Gitarrenprojekts vorgelegt: „Almost Alone, vol. 1“. Das Projekt, für das Samo die Kompositionen geschaffen hat, stellt insgesamt 36 brillante Jazzgitarristen aus 35 verschiedenen europäischen Ländern vor. Nach dem nun veröffentlichten ersten Teil sollen die beiden Folgealben im Laufe der kommenden Monate veröffentlicht werden. Jetzt schon vermitteln die auf der ersten CD enthaltenen Stücke eine vielfältige Welt an Gitarren-Duo-Sounds von Free, Rock und Folk über New Age bis Noise, diese Scheibe ist deshalb wohl ein Muss für alle unvoreingenommenen Gitarrenfans! Neben Šalamon selbst greifen noch folgende Gitarristen in die Saiten: Alex Machacek (Österreich), Rafal Sarnecki (Polen), Cenk Erdogan (Türkei), Andre Fernandes (Portugal), Kalle Kalima (Finnland), Jacob Young (Norwegen), Albert Vila (Spanien), Dušan Jevtović (Serbien), Lorenzo Di Maio (Belgien), Philipp Schaufelberger (Schweiz) und Spiros Exaras (Griechenland). Wer neugierig ist, welche weiteren Gitarristen in Duos mit Samo Šalamon auf den nachfolgenden beiden CDs vertreten sind, findet eine …
WeiterlesenKategorie: Rezension
In unregelmäßigen Abständen werden hier „Medien“ wie Tonträger, Filme, Bücher oder Bildtonträger besprochen.
Klaviertrio Eastern Flowers: Das neue Album „Tendu“ von Jarry Singla, Ramesh Shotham und Christian Ramond überwältigt
Pianist Jarry Singla, der Perkussionspieler Ramesh Shotham sowie Bassist Christian Ramond bilden das Trio Eastern Flowers. Alle drei haben indische Wurzeln und schöpfen seit zehn Jahren gemeinsam-gleichberechtigt aus der indischen und vorderasiatischen Kultur – machen sich dabei die Errungenschaften des Jazz als universelles, für jede Abenteuerreise bereitstehendes Vehikel zu Nutze. Davon zeugt auch das bestechende neue Album TENDU! Jarry Singla schöpft auf Klavier und Harmonium aus dem Reichtum indischer Stilistiken, ebenso aus westlich-klassischer Tonalität und dringt auch immer wieder in die Freiheiten der Neuen Musik ein. So subjektiv und tief persönlich, dass nicht selten eine fragile Lyrik daraus hervor geht. Viel hypnotische Kraft setzen die in den Stücken ausgiebig repetierten Ostinato-Tonskalen frei und bieten weiten Entfaltungsraum für das bewegliche Bassspiel von Christian Ramond und die vielen sinnlichen und auch melodischen Prozesse in der Perkussionskunst von Ramesh Shotham. Jedes Detail verblüfft beim Hören der acht Stücke aufs Neue, ein erstaunliches großes Ganzes bekräftigend: Fragil und mystisch mutet die Introduktion des ersten Stückes Eviri Mela an. Aber dann verdichtet sich alles und treiben rhythmische Phrasen von Bass und Perkussion wie ein unerbittlicher Transmissionsriemen nach vorne. Das Stück …
WeiterlesenKreuzüber Bach: Gunther Tiedemann und Michael Villmow erheben die zweite Cellosuite in neue Sphären
Johann Sebastian Bachs Cellosuiten sind wie der heilige Gral für dieses Instrument. In einzigartiger Weise verwirklicht der Komponist sein Anliegen, die barocke Mehrstimmigkeit auf das Potenzial des Cellos herunter zu brechen. Im Projekt „Kreuzüberbach“ suchen und finden der Cellist Gunther Tiedemann und der Saxofonist Michael Villmow hier neue, erstaunliche Aus- Um- und Abwege. Der genreübergreifende Cellist aus Köln und der aus Hamburg stammende Saxofonspieler zeigten sich bei den Aufnahmesessions in der Zisterzienserkirche der Abtei Marienstatt sowie in der Pauluskirche Köln-Dellbrück ihrer hohen künstlerischen Verantwortung würdig. Was immer Gunther Tiedemann und Michael Villmow in wohlüberlegter Konstellation anstellen, die Melodien und Harmonien funktionieren nach wie vor sehr unmittelbar aus sich selbst heraus. Denn die Musikalität, ja, das filigrane Musikantentum von Gunther Tiedemann und Michael Villmow wirkt wie eine neue Luft zum Atmen für die barocken Tanzsätze Gigue, Sarabande, Courante und Co. . Bachs herausfordernde Bündelung der Stimmführung auf einem einzigen Instrument wird zum Teil wieder aufgehoben, was Raum gibt für überraschende Dialoge zwischen zwei sehr unterschiedlichen Instrumenten. Gerne überlässt Tiedemann die Melodieführung dem Saxofonisten. Dessen manchmal durchaus an Jan Garbarek erinnernder Sound wirkt wie ein fein geführter …
WeiterlesenTiroler Witz trifft lupenreinen Jazz – GRAPHA: bös’lecker
Es kursiert aktuell eine beeindruckende Aufnahme auf dem Label Chaos Records von einer Band namens GRAPHA mit dem wundersamen Titel „bös’lecker“. Die Rezeptur dieser Miniatur-Bigband ist verblüffend einfach: ein Bläserquintett und eine erstklassige, dynamische Rhythmusgruppe präsentieren eine Mischung aus nostalgischen Swing-Arrangements, gepaart mit treibenden Grooves. Folkloristischer Tiroler Witz trifft hier auf lupenreinen Jazz. Das passt! Die Kompositionen, größtenteils aus der Feder des Bandleaders und Saxophonisten Raphael Huber, fließen musikalisch unverkennbar im West-Coast Style mit Verve und gleichzeitigem Augenzwinkern, denn es blitzt regelmäßig der Jazz-Schelm auf und führt den Hörer in immer wieder überraschende Gefilde. Kennt jemand z.B. noch Cesare Andrea Bixios Schlager 30ger Jahre Schlager „ Mamma“ …grins… das muss man sich trauen: Heintjes 60ziger Jahre Schnulzenadaption wurde hier kräftig entstaubt und einem verschmitzten sound-lifting unterzogen – so kann man „Mama“ unbeschwert und ohne Scham hören. Groovige Band Hinter GRAPHA stecken wie bereits erwähnt der Tiroler Saxophonist und Arrangeur Raphael Huber, des Weiteren der großartige Vincent Eberle an Trompete/Flügelhorn und Schlagwerker Clemens Coreth unterstützt bei einigen Songs den Groove sowie mit ausgefeilter Stimme. Posaunist Thorben Schütt und Jonas Brinckmann am Baritonsaxophon sind verantwortlich für den …
WeiterlesenUngeahnte emotionale Räume: Simin Tanders neues Album „Unfading“ betört
Sie ist so reich und voller archaischer Kraft, diese Welt jenseits der alltäglichen „emotionalen Normalität“. Es müssen nur die Tore aufgestoßen werden. Die aktuelle CD von Simin Tanders neuem Quartett wirkt wie ein kostbarer Schlüssel dafür. Sehnsuchtsvolle Musik Die Stimme der deutsch-afghanischen Sängerin transportiert pures, manchmal archaisches Gefühl – ungefiltert direkt, zugleich zerbrechlich. Großartig, wenn eine künstlerische Entwicklung und vor allem eine konsequent erarbeitete Stimm-Beherrschung auf dieses und kein anderes Resultat hinaus läuft. Auf ihrem neuen Album „Unfading“ steht Simin Tander eine neue Band zur Seite. Die 15 Stücke dieser Platte erklingen nicht einfach so, sie wandern vielmehr über imaginäre Firmamente, breiten sich aus und ergreifen Besitz. Dafür sorgt allein schon das in sich ruhende, atmende Timing im Schlagzeugspiel von Samuel Rohrer. Melancholie ist die Grundsubstanz. Traurigkeit? Sehnsucht? Die Zustände, die sich auf Anhieb so stark ausbreiten, verweigern sich der üblichen Beschreibung: „Es ist etwas, was war und wieder da ist, nach vorne geht, im neuen Glanz erstrahlt, eine Endlosigkeit besitzt. Ich verbinde damit eine sanfte, endlose, weibliche Bewegung“, formuliert Simin Tander ihr künstlerisches Anliegen. Vielseitiges multikulturelles Repertoire Sie vertont in den Eigenkompositionen des neuen …
WeiterlesenPalo Alto: Unveröffentlichter Konzertmitschnitt des Thelonious Monk Quartet neu bei Impulse!
Besondere Veröffentlichungen werfen ihre Schatten voraus. Mit gut sechs Wochen Verzögerung erscheint nun auf Impulse! Records endlich der mit Spannung erwartete und bis dato unveröffentlichte Konzertmitschnitt des Thelonious Monk Quartet, aufgenommen 1968 in Palo Alto. Faszinierende Hintergrundgeschichte Nach einem bereits sensationellen Archivfund im Jahr 2017 mit unveröffentlichten Aufnahmen des Monk Quintetts aus dem Jahr 1959, zum 100. Geburtstag Monks auf Sam Records erschienen (siehe dazu https://www.jazzzeitung.de/cms/2017/05/thelonious-monk-les-liaisons-dangereuses-1960-sam-records/), hat das legendäre Impulse! Records Label nun einen besonderen Monk-Leckerbissen am Start, der nicht zuletzt aufgrund seiner Hintergrundgeschichte fasziniert. Kurz nach der Ermordung von Dr. Martin Luther King Jr. nahmen in den USA die Rassenunruhen dramatisch zu. Nicht verschont wurde seinerzeit auch die weitgehend weiße Universitätsstadt Palo Alto in Kalifornien. Ein halbes Jahr nach dem Anschlag hatte der damals sechzehnjährige Schüler Danny Scher an der Palo Alto High School einen ganz eigenen Traum: er hatte sich in den Kopf gesetzt ein Benefizkonzert an seiner Schule veranstalten, um Spenden für das internationale Komitee der High School zu sammeln und zum Thema Einheit und Frieden in seiner Gemeinde beizutragen. Seine Entschlossenheit und Durchsetzungskraft zahlte sich letztlich aus. Nach komplizierten Verhandlungen gelang …
WeiterlesenBunte Socken und ganz viel Überjazz: Das Horst Hansen Trio auf der münsterländischen Kolvenburg
Die Intellektuellen unter uns strapazieren gerne das Modewort vom „Narrativ“. Dahinter verbirgt sich der uralte Wunsch, eine Geschichte erzählt zu bekommen. Dass man damit jedes Publikum für sich gewinnt, demonstriert das „Horst Hansen Trio“ seit nunmehr fast zehn Jahren – und bot eine Neuauflage seiner Kunst auf einer malerischen Wiese hinter der münsterländischen Kolvenburg. Die musikalischen Farben im „Horst Hansen Trio“ sind derweil so bunt wie die Socken der fünf…. Sie fühlen sich von einem alten Krefelder Jazz-Urgestein und Tanzmusiker namens Horst Hansen inspiriert, den sie auf ihrem neuen Album auch in raren O-Ton-Dokumenten zu Wort kommen lassen. Bei allem schrägen Humor ist dies ein warmherziges Statement fürs Lokalkolorit beim Jazzklub Krefeld, der für die musikalische Sozialisation prägend war. „Live in Japan“ heißt das neue Album hochtrabend – wurde aber in der Abgeschiedenheit einer Schweizer Berghütte aufgenommen. Die ironische Überspitzung einschlägiger Hype-Attribute gehört zur künstlerischen Erzählung dieser Musiker ohne Schuhe. Und deren Lügengeschichten auch immer etwas charmant „ehrliches“ anhaftet… Alleinstellungsmerkmale Genug zum schrägen Überbau, denn auch die Musik bietet genug Alleinstellungsmerkmale auf: Es lebt eine tiefe gemeinsame Bandchemie, die sich beständig weiter entwickelt und live …
WeiterlesenCD-Rezension: Vincent Glanzmann – Gerry Hemingway: Compositon O
Perkussives Soundereignis Das Interesse des Schweizer Perkussionisten Vincent Glanzmann gilt insbesondere der Zusammenarbeit mit anderen Perkussionisten. Beispiel dafür ist seine langjährige Arbeit mit dem in der Schweiz lebenden, New Yorker Schlagzeuger Gerry Hemingway. Das große „O“ mit Unterstrich im Titel des ersten Duo-Albums von Gerry Hemingway und Vincent Glanzmann könnte auf durchaus banale Weise auch als erstauntes und begeistertes „Oh!“ gelesen und umgedeutet werden. Die beiden Perkussionisten, die verschiedenen Generationen angehören, arbeiten seit längerem zusammen und ergänzen sich mit ihren klanglichen Ideen und Äußerungen aufs Trefflichste. Dabei verschwindet der Alters- und vermutbare Erfahrungsunterschied gänzlich hinter rollenden Klangwellen, dröhnendem Blech und subtilsten Zirpen und Klingeln. Es ist ein sechsteiliger Tanz auf Becken und Tom, Perkussionsinstrumenten und Harmonika, gekoppelt mit feiner Singstimme und halluzinogener elektronischer Verstärkung. Subtile Klangspielereien wie von Glaskugeln bringen die proletarische Schufterei metallener Rhythmen aus dem Tritt und lassen sie ermattet am Rand der Hörbarkeit niedersinken, bevor sie in einem Tumult blecherner Aufgeregtheit und kreischender Rechthaberei kulminieren. Übergangslos findet man sich zwischen kuhglockenartigem Gebimmel und sisyphosschem Soundgeschiebe wieder. Schaben, kratzen, schnarren und wischen, es tut sich ein buddhistisch lächelndes Gewebe aus Geräuschen, Klängen und …
WeiterlesenCD-Rezension: Markus Stockhausen: Wild Life
Schöpferische Freiheit in spiritueller Dimension Der Jazztrompeter Markus Stockhausen teilt mit seinem Vater Karlheinz Stockhausen das Bekenntnis zur schöpferischen Freiheit in einer durchaus spirituell zu nennenden Dimension. Markus Stockhausen spricht hier gerne von „Intuition“. Das Eintauchen in den Kosmos der neuen Dreier-CD „Wild Life“ macht deutlich, dass hier zwischen den sieben Beteiligten eine tiefe Übereinkunft herrscht. Sämtlicher Spieler schwingen sich in den meist überlangen Stücken zur Höchstform auf, reißen Grenzen ein, kehren ihr Inneres nach außen. Alles wurde so aufgenommen wie gespielt, so dass sich nahezu jede Postproduktion erübrigte. Falsch liegt, wer bei „Wild Life“ die wilde Skizzenhaftigkeit irgendeines Sessionmitschnitts vermutet. Auch benötigen die ausgiebigen Kollektivimprovisationen kein langes Herantasten und Suchen, bis irgendwann mal der große Moment geboren ist. Ebenso wenig läuft hier einer der Beteiligten Gefahr, sich in freitonale Labyrinthe zu verirren, denn dafür sind alle Beteiligten viel zu sehr in einem klar definierten spielerischen Vokabular geerdet und einigen sich auf eine gemeinsame Schwingung- agieren eben möglichst „intuitiv“. Markus Stockhausen (Trompete), Simon Stockhausen (Elektronik und Saxofon), Florian Weber, (Piano, Synthesizer, Stimme), Jörg Brinkmann, (Cello), Michelangelo Flamma (E-Bass), Christian Thomé (Drums, Elektronik) und Bodek Janke …
WeiterlesenArt Blakey & The Jazz Messenger – Neuerscheinung
Jazzfans aufgemerkt! Es gibt sie wirklich noch von Zeit zu Zeit: musikalische Zufallsfunde und Entdeckungen. So auch hier bei Art Blakey & The Jazz Messengers mit dem 1959 aufgenommenen, bis dato komplett unveröffentlichten Blue Note Album „Just Coolin‘“. Eine zudem äußerst interessante Besetzung, die leider nur kurzzeitig existierte, mit Tenorsaxophonist und Messengers-Gründungsmitglied Hank Mobley, Lee Morgan an der Trompete, Pianist Bobby Timmons und dem Bassisten Jymie Merritt. Die Session fand statt am 8. März 1959 unter Rudy van Gelder in seinem legendären Hackensack Studio. „Just Coolin‘“ ist quasi der Blue Note Jazz-Messengers „Missing Link“ zwischen Herbst 1958 und Frühjahr 1959. Also nach dem legendären Album „Moanin‘“ mit Benny Golson und noch vor den umwerfenden Live Aufnahmen vom April 1959 „At The Jazz Corner Of The World“, das fünf Wochen nach „Just Coolin‘“ aufgenommen wurde. Warum diese Aufnahmen bisher unveröffentlicht geblieben sind lässt sich nur vermuten, in den offiziellen Blakey-Diskografien sind sie bisher als „Blue Note rejected“ aufgeführt. Wahrscheinlich hat man sich seinerzeit im Nachgang entschieden, die Studioaufnahmen, nach der erfolgreichen Veröffentlichung des Live-Albums, in den Archiven zu lassen – bis heute. Ein echter Glücksfall, dass dieses …
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