Die schweizer Vokalistin Fiona Grond hat über die Jahre ihren Ruf als unkonventionelle und vor allem experimentierfreudige Komponistin kontinuierlich über die Münchner Grenzen hinaus ausgebaut. Nach einem Stipendiat beim New York Voices Vocal Camp in 2019, ausgezeichnet mit dem Leonard & Ida Wolf-Gedächtnispreis für Musik, profundem Backup im Svetlana Marinchenko Trio (siehe dazu auch: https://www.jazzzeitung.de/cms/2021/05/pianistin-svetlana-marinchenko-praesentiert-letters-to-my-little-girl-auf-cd/ ), in der Jazzrausch BigBand oder Christians Elsässers Jazz Orchester, war es nun an der Zeit, eigene Ideen umzusetzen und aufzunehmen. Zwei der besten Freunde von Fiona Grond, der Saxophonist Moritz Stahl und Philipp Schiepek an der Gitarre stehen seit geraumer Zeit an ihrer Seite und bereichern mit ihr im Trio die „grondschen“ Klangwelten. Zwar hat Grond in ihren Kompositionen wenig dem Zufall überlassen, aber dennoch klingen ihre Stücke ungemein frei, fresh und filigran. Themen sind klar strukturiert und lassen sowohl Stahl, als auch Schiepek genügend Freiraum für Interaktion und Improvisationen. Zu den durchgehend leicht melancholisch mystischen Klängen gesellt sich die einzige Fremdkomposition „December“ aus der Feder von Philipp Schiepek. Dabei wird deutlich wie nahe sich die Musiker sind, alles ist im Fluss und tönt homogen wie aus einem Guss. …
WeiterlesenKategorie: Rezension
In unregelmäßigen Abständen werden hier „Medien“ wie Tonträger, Filme, Bücher oder Bildtonträger besprochen.
Lodernder Fusionsound – Trio Hovercraft mit „Midwife Crisis“
Bekommt jetzt auch die Jazzszene ihr -ismus–Skandälchen? Beim Titel „Midwife Crisis“ des Trios Hovercraft um den israelischen Saxophonisten Omri Abramov könnte die pc-Gemeinde immerhin auf die Idee kommen, eine verdächtige Portion Sexismus dahinter zu erkennen. Wer es bei der Musik belassen will, wird auf dem ersten Album der Band mit einem dichten, vorwärts drängenden Sound konfrontiert. Miami Vice lässt grüßen Der erinnert an die ausladenden Fusioneskapaden vorwiegend amerikanischer Prägung der 80er- und 90er-Jahre des zurückliegenden Jahrhunderts. Erweitert um Effekte (mit dem Sax) und das selten gespielte elektronische EWI (Electric Woodwind Instrument), auf deutsch auch als Blaswandler bezeichnet, ziehen vor dem inneren Auge/Ohr älterer Jazzfans us-amerikanische Serien wie Miami Vice und deren akustische Erkennungsmelodien auf. Nun darf man den drei noch jungen Musikern keineswegs ein kraftvolles Segeln unter fremden Flaggen unterschieben. Immerhin sind sie teils sogar jünger als die alten Quotenbringer, dennoch gibt es eine gewisse Affinität zu konstatieren. Ein ausgiebiges malerisches Schlagzeugsolo – auch ein wenig ein Relikt – mit Stolperfallen und verwinkelten Rhythmen prägen das mehr als siebenminütige „Depredation“, das harmloser rüberkommt, als der Titel suggeriert. Beinahe sanft kommt das aus einem einfachen Motiv …
WeiterlesenPianistin Svetlana Marinchenko präsentiert „Letters To My Little Girl“ auf CD
Tastenvirtuosin Svetlana Marinchenko kennt keine musikalischen Grenzen und lässt sich schon gar nicht in eine stilistische Schublade stecken. Seit 2015 ist die aus Moskau stammende Pianistin in der Jazzszene unterwegs, und egal wo sie spielt hinterlässt sie ein einen fesselnden Eindruck, sowohl beim Publikum als auch bei ihren KollegenInnen. Marinchenkos Ausbildung am Klavier begann eigentlich bei Andrei Kondakov am Mussorgsky College of Music. Sie trat danach auf internationalen Jazzfestivals und in Jazzclubs auf, sammelte Erfahrungen und gründete ihre erste Combo „Svetamuzika“ mit der sie bereits 2015 ihr erstes Album „Present Simple“ aufnahm. Sie studierte weiter bei Prof. Tizian Jost an der Hochschule für Musik und Theater in München, gewann u.a. 2016 den Steinway Jazz Förderpreis-Wettbewerb in München und im Jahr 2019 den begehrten Kurt Maas Jazz Award. Um ihre aktuelle Aufnahme „Letters To My Little Girl“ produzieren und publizieren zu können, startete sie eine Crowdfunding Kampagne. Die Unterstützung war überwältigend und so wurde zeitnah durchgestartet. Mit Peter Cudek am Bass und dem Schlagzeuger Ofri Nehemya wurden insgesamt neun Eigenkompositionen aufgenommen und eingespielt. Mit von der Partie waren zusätzlich die Sängerinnen Enji Erkhembayar und Fiona Grond. …
WeiterlesenPhilipp Schiepek & Walter Lang mit neuer Duo-CD „Cathedral“
„Cathedral“ – die neue DUO-CD des Gitarristen Philipp Schiepek und Walter Lang am Flügel beginnt mit zarten, fragilen Tönen am Piano, unaufgeregt, schlicht und fast Erik Satie ähnlich. Dazu gesellt sich Schiepeks wunderbar klassisches Spiel an der akustischen Gitarre. Walter Lang spielt je jeher mit hoch sensiblem Anschlag, nie hektisch, aber immer spannend und emotionsgeladen. Philipp Schiepek passt mit seinem Spiel an den Nylonsaiten perfekt dazu und so werden aus einfachen Melodien, kraftvolle Kompositionen und Interpretationen. Wenige Musiker haben in der kurzen Zeit das erreicht, was Philipp Schiepek bis dato gelungen ist. Sein Spiel verfügt über eine eigene Handschrift und, obwohl sein Sound ausgewogen und makellos ist, klingt er niemals routiniert oder epigonenhaft. Hier haben sich zwei Musiker gefunden und gemeinsam ein wunderbares, beseeltes Album eingespielt. Die Kombination von Klavier und akustischer Gitarre ist eine Herausforderung! Walter Lang hegt seit einiger Zeit die Idee eines Duos in dieser Form. Schiepek und Lang lernten sich kennen und so entstand diese äußerst fruchtbare Zusammenarbeit. Die Coronazeit hat ihr Übriges dazu beigetragen. Beide hatten viel Zeit zum Komponieren, Spielen und gleich nach einem ersten Treffen war klar: das …
WeiterlesenRezensionen: Johänntgen / Vatter / Sclavis
Drei CDs in den Ohren von Rezensent Huflaikhan: Bei Nicole Johänntgens „Henry III“ „saftelt sich da leicht über den Dancefloor oder durch den musikalischen Kriechkeller“. Bei Martin Vatters „Homeland“ muss „nicht immer alles eitel Dissonanz sein“ und Louis Sclavis‘ „Charakters On A Wall“ wirkt „perforiert, angegriffen und angegangen. Sie kann die Weltschwierigkeiten natürlich nicht auflösen. Sie ist gezwungen, artistisch zu scheitern.“
WeiterlesenRezensionen: Vergebliche Befreiungen & Zwitschernder Krach
Unser Schnellkritiker huflaikhan hat in der nmz-HörBar vier neuere Titel einer sprachlichen Tonwäsche unterzogen: Marcel & The Bathing Birds: Tweet [2020] +++ Ulrich Drechsler: Caramel [2020] +++ Ron Davis: The Instrumental Music Liberation Front [2020] +++ Bobby Previte, Jamie Saft, Nels Cline: Music from the Early 21st Century [2020]. Die vorgestellten Platten zeigen die Vielfältigkeit der Ausdrucksformen im Jazz. Und manchmal auch deren Einfältigkeit.
WeiterlesenRezensionen: Drei Big Bands und ein Quartett
Huflaikhan hat seine Ohren wieder etwas geöffnet und drei Big Band sowie das Simon Below Quartett für die HörBar der nmz besprochen. Die Big Band-Konzepte sind wunderbar verschieden. Das Quartett spielt herrlich präzise und macht Genuss! Michael Leonhart Orchestra: Suite Extracts Vol. 1 [2019] The NuH[u]ssel Orchestra: The Forest [2019] The Composer’s Orchestra Berlin plays the music of Dirk Strakhof (2020) Simon Below Quartet: Elements Of Space (2020) Michael Leonhart Orchestra: Suite Extracts Vol. 1 [2019] The NuH[u]ssel Orchestra: The Forest [2019] The Composer’s Orchestra Berlin plays the music of Dirk Strakhof (2020) Simon Below Quartet: Elements Of Space (2020)
WeiterlesenPur gespielte Dramen und Fanstasien – Daniel Webers Solo-Debüt
Dramatische Personen – frei übersetzt, können das der sechsjährige Sohn, die narrische Nachbarin oder Marlon Brando in „Apocalypse Now“ sein. Der Saarbrücker Schlagzeuger und Komponist Daniel Weber hat sich für sein Solo-Debüt für Personen aus der Theatergeschichte entschieden. Nachdem er in 2019 und 2020 für zwei Stücke, Antigone und Gaslicht (Gaslight von Patrick Hamilton), Musik geschrieben hatte, dachte er, es werde Zeit für eine erste Soloproduktion. „Die Arbeit an einem Solo-Projekt als die Verdichtung musikalischer Kommunikation, die Faszination des Zurückge-worfenseins auf sich selbst, auf einen inneren künstlerischen Dialog“ habe sich geradezu aufdrängt, heißt es dazu im Pressetext. In der Vorbereitung bemerkte Weber, dass einiges aus den Theatermusiken von der Stimmung her gut zu darin vertretenen Figuren passt. Davon liess er sich bei den zweitägigen Aufnahmen in einem Saarbrücker Studio inspirieren und er-improvisierte neun Stücke, die er diesen Figuren zuordnete. Startet „Moondog“ mit Vogelrufen und prescht dann im unerbittlichen Joggingtempo über Toms und Felle, bis es erschöpft im Beckenrausch endet, kriechen bei „Nancy Pears“ Schauer über die Haut. Metallene Kratz- und Schabgeräusche lassen viel von der psychoaktiven Stimmung des Bühnenthrillers aufkommen. „Polyneices“ dagegen, wie seine Schwester …
WeiterlesenWilder Energiestoß und Zärtlichkeit – Trio Benares mit neuer CD
Es klingt vielleicht etwas despektierlich oder proletenhaft – aber bei gemeinsamen Unisonoläufen von Roger Hanschel und Prashant Mishra taucht manchmal das Bild als, als würden zwei gleichstarke Jungs um die Wette flitzen. Dabei geht es bei den Jungs, um bei dem Bild zu bleiben, gar nicht um ein Kräfte messen, wobei die beiden vom Dritten in der Runde, dem Tablaspieler Prashant Mishra, beherzt angefeuert werden würden. Vielmehr ist ihr mittlerweile mehr als sechsjähriges Zusammenspiel im Trio Benares ein Aufeinander einlassen, ein tiefes Eintauchen und sich Öffnen gegenüber der Kultur und Musik des jeweils anderen. Das Liebäugeln zwischen Jazz und indischer Musik hat bereits eine längere Tradition, die von John Coltranes Spiritualität über Gabor Szabos „Jazz Raga“ und Irene Schweizer bis zum Trio Shakti mit John McLaughlin und natürlich Charlie Mariano reicht, der Galionsfigur für Weltmusik mit östlicher Prägung. Während in der Popmusik oft eine Aneignung ferner/fremder Einflüsse stattfindet, die heute als postkolonialer Kulturklau zu teils heftigen Auseinandersetzungen führt, standen sich indische Musik und Jazz meist neugierig und offen gegenüber. Verbindendes Element ist dabei die Improvisation, die in beiden Genres tief verwurzelt und unerlässlicher Baustein ist. …
WeiterlesenSarah Vaughan: Vaughan and Violins
Von Stefan Barme. Sarah Vaughan (1924–1990) bildet zusammen mit Billie Holiday und Ella Fitzgerald das bekannte Dreigestirn der größten Sängerinnen in der Geschichte des Jazz, wobei „Sassy“, die voller Bewunderung „die Göttliche“ („the Divine One“) genannt und mitunter auch als „schwarze Callas“ bezeichnet wird, eine Ausnahmestellung zukommt. Ihre Stimme umfasste drei Oktaven, vom Alt- bis in den höchsten Sopran-Bereich hinein. Drei Oktaven meisterte auch Ella Fitzgerald, doch Vaughans Gesang ist aufgrund ihrer unglaublichen Fähigkeiten in Bezug auf Modulation und Vibrato variabler als jener von Lady Ella. Joachim-Ernst Berendt führt hierzu in der von ihm verfassten „Jazzbibel“ aus: „Sarah Vaughan ist die erste Jazzsängerin mit einem Stimmumfang, der dem einer Opernsängerin nicht nachsteht. Ja, „Sassy“, wie sie genannt wurde, gebietet über eine stimmliche Flexibilität und einen Modulationsreichtum, mit denen verglichen mancher Koloratursopran blass wirkt. Sie kann gleißende Linien erfinden, die den gesamten Stimmumfang innerhalb von zwei Takten überbrücken. Jedes Vibrato, das sie singt, modelliert sie wie eine andere Skulptur. Ihr reicher, dunkler Kontra-Alt hat einen neuen Ton in den Jazzgesang gebracht. Emotional aufgeladen In der Fähigkeit, diesen Ton auf die vielfältigste Art und Weise zu verändern und …
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