Jetzt ist der zweite Tag des Berliner Jazzfestes auch schon rum. Und ist eigentlich schon jemand aufgefallen, dass noch kein Tenorsaxophonist die Bühne betreten hat? Kommt morgen mit Charles Lloyd zu Ehren. Alle (?) warten gespannt. Gestern war, neben der Verleihung des Albert-Mangelsdorff-Preises an Achim Kaufmann am Nachmittag, auf der großen Bühne die zweite Show des Jazzfests Berlin 2015 mit dem Keith Tippett Octet und mit dem Miguel Zenón Quartet. Tippett, der eine lange musikalische Geschichte(n) mit sich mitschleppt hinter dem Kanal spielte auf vor dem jungen Altsaxophonisten von jenseits des Atlantiks. Der Abend war dabei mehr oder minder deutlich der Abstraktion und dem strukturellen rhythmischen, erzählenden Denken gewidmet und konnte Spuren von traditioneller Musik enthalten. Wer da allergisch drauf ist, geht jetzt auf eine andere Website. Lagerfeuer seziert: Das Keith Tippett Octet Unter dem Titel „The Nine Dances Of Patrick O’Gonogon“ spannte Tippett am Klavier eine Suite auf, die auch traditionelle Musikinhalte miteinbezog (Schlussstück „The Last Rose Of Summer“ zum Beispiel). Die Aufstellung war Struktur pur: Links die rhythm section – recht abgesetzt die Bläser (hinten zwei Posaunen, davon zwei Saxophone und Trompete, umgedrehte …
WeiterlesenKategorie: Bericht
Jazzfest Berlin 2015 – Splitter Orchester, Cécile McLorin Salvant und Vincent Peirani
Mit dem neuen Mann in der Programmierung des Jazzfests Berlin kehrt auch ein neuer Wind ein, oder ein frischer Besen. Die Erwartungen sind also groß. Wie dreht der Sportjournalist Richard Williams die Sache? Wohin geht die musikalische Reise? Die Augen groß, die Ohren spitz. Mit seinem ersten Abend hat er schon mal einige Ecken des Jazzlebens ausgefüllt. Es war eine Reise in die Gegenwart, gesättigt mit einer Vergangenheit, die man nicht nostalgisch beschwor. *) Alle Fotos stammen vom HuPe-kollektiv (mehr dann sicherlich bald dort), zu 99 Prozent von Petra Basche. Zettelwirtschaft Das Splitter Orchester besteht aus 24 MusikerInnen, die aus der Szene freier Improvisation kommen. Der Posaunist George Lewis komponiert für dieses Ensemble ein „Creative Construction Set“, eine Uraufführung. Gesteuert haben sich Musiker untereinander, in dem sie Zettel mit Spielanweisungen von Zeit zu Zeit anhoben. Das Verfahren ist bekannt und wirkt nach außen leider wenig sexy. Vor allem droht ein heilloses Klangchaos bei 24 Mitspielerinnen. Dass es dazu nicht gekommen ist, ist der weisen „Construction“ von Lewis zu danken und der hervorragenden Klangkunst der einzelnen MusikerInnen. Dünne Passagen mit ordentlich Luft waren ebenso in den …
WeiterlesenI got rhythm. Kunst und Jazz von 1920 bis heute
Menschen mit umgehangenen Audio-Guides, die durch ein Museum laufen, sind heute wirklich nichts Außergewöhnliches. Aber was ist das für eine Ausstellung, in der die Menschen dabei lächeln, mit Kopf und Hüfte wippen und andere Besucher zum Tanz auffordern? So geschehen und gesehen in der großen Sonderausstellung „I Got Rhythm. Kunst und Jazz seit 1920“ im Kunstmuseum Stuttgart und noch möglich bis zum 16. März 2016. Die Ausstellung untersucht die vielfältigen Wechselwirkungen von Jazz und Bildender Kunst. Vom Futurismus bis zur Gegenwart reicht die Who’s Who-Liste der bildenden Künstler, die Jazzfans waren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Jazz die Zukunft der Musik und zugleich das erste weltweite Pop-Phänomen. Anhand spektakulärer Leihgaben aus internationalen Museen und Sammlungen zeigt die große Sonderausstellung „I Got Rhythm. Kunst und Jazz seit 1920“, dass der Jazz in den letzten einhundert Jahren und bis in die Gegenwart hinein ein internationaler Impulsgeber war. Eine umfassendere Schau zur Wechselbeziehung zwischen bildender Kunst und Jazz hat es bislang in Deutschland nicht gegeben. Die Ausstellung ist der Höhepunkt zum 10-jährigen Jubiläum des Kunstmuseum Stuttgart, das unter dem Thema „Kunst & Musik“ steht. Innerhalb kürzester …
WeiterlesenFriedrich Gulda. Die Live-Aufnahmen.
Beethoven, Schubert und Mozart – in der Welt der Wiener Klassik war der österreichische Pianist Friedrich Gulda zuhause wie kein anderer. Schon der 20-Jährige führte allerdings ein Doppelleben. Nach seinen Konzerten in New York, Buenos Aires oder Rio de Janeiro stieg Gulda hinab in die rauchige Luft der Jazzkeller und jammte bis in die frühen Morgenstunden. Den Frackpianisten warf er bald über Bord, für ihn war ein vollendeter Künstler einer, der den Urtext auch mal beiseitelegen konnte und jazzen, rocken und dem Blues im Wiener Lied nachspüren. Sein vielfältiges Schaffen in all diesen Genres hat er früh auf Video dokumentieren lassen und nach der ARTHOUSE Box mit sieben DVDs vom Anfang diesen Jahres, zieht nun Zweitausendeins nach und bringt auf acht DVDs das im Bewegtbild dokumentierte Werk des Wiener Pianisten und Komponisten. „Mozart meets Jazz meets Techno: Friedrich Gulda. Die Live-Aufnahmen.“ – unter diesem Titel veröffentlicht Zweitausendeins am 19. November eine umfassende Live-Werkschau des Klaviervirtuosen. Diese Live-Edition spiegelt in acht DVDs die ganze Bandbreite seines Schaffens wider – von seinen gefeierten Solo-Konzerten zu Mozart oder Chopin und seinen Duo-Auftritten mit Chick Corea oder Herbie Hancock …
WeiterlesenShai Maestro bei „Jazz im Goethe Museum Düsseldorf“
Von Dietrich Schlegel – Wieder zierte der originelle Schattenriss des Saxophon spielenden Goethe die Einladungen zum fünften Konzert der Reihe „Jazz im Goethe Museum Düsseldorf“ im barocken Jagdschloss Jägerhof. Und wieder war es der Initiatorin und künstlerischen Leiterin, der Kulturjournalistin Barbara Steingießer, gelungen, mit dem Shai Maestro Trio zum dritten Mal eines der derzeit gefragtesten Klaviertrios zu verpflichten. Nicht dass das letzte Museumskonzert mit den „Echoes of Swing“ beim Publikum keinen Anklang gefunden hätte, im Gegenteil, Saxophon und Trompete boten eine willkommene Abwechslung. Doch dem intimen Ambiente des relativ kleinen Konzertsaals mit den Vitrinen voller erlesenen Porzellans an den Wänden entspricht die kammermusikalische Besetzung eines Klaviertrios am besten. Die Reihe hatte vor zwei Jahren mit dem Trio des israelischen Pianisten Omer Klein vielversprechend begonnen. Triosense und Tingvall Trio folgten. Nun war es mit Shai Maestro wieder ein israelischer Pianist, den Barbara Steingießer zu einem Gastspiel verpflichten konnte. Maestro war bereits mit 19 Jahren von dem Bassisten Avishai Cohen entdeckt und in sein Trio geholt worden war. Fünf Jahre lang, von 2006 bis 2011, tourte er mit seinem berühmtem Landsmann durch die Welt, lernte unzählige Musiker …
WeiterlesenKonzert mit Gesprächigkeit – Jazzfest Berlin 2015: Vorspiel
Seit einiger Zeit laden die Berliner Festspiele vor großen Ereignisse noch einmal zu einer Extraveranstaltung ein. „Music & Public Talk“, so nennt sich das, klingt fluffiger als „Gesprächskonzert“ oder Konzert mit Gesprächen. Auf der Bühne zusammen oder abwechselnd die Musikerinnen Julia Kadel und Alexander Hawkins, der Festivalleiter Richard Williams, sein Hinterfrager Arne Schumacher (Radio Bremen) und die Koordinatorin des Festivals: Nadin Deventer. Eintritt frei. Eigentlich ein tolles Team, großartige Musikerinnen umrahmen Gespräche über das in drei Wochen folgende Festival. Aber so ganz geht die Rechnung nicht auf. Man sitzt auf der Bühne, am Rand hinten eine Bar. Der Blick fällt auf ein Klavier zur Linken, eine große Leinwand mittig und einen Stehtisch mit Mikrofonen halbrechts. Dahinter der leere Saal. Man ist eigentlich irgendwie das Geschehen selbst und doch in Reih‘ und Glied im auf Sitzplätzen. Nach einer kurzen Begrüßung durch die stellvertretende Intendantin der Berliner Festspiele, die offenbar ein bisschen an Bert Noglik, dem Leiter der drei letzten Jahre, hängt, darf sich Julia Kadel an das Klavier begeben und spielt drei Stücke im Gesamtumfang von ca. 30 Minuten. Julia Kadel Ein ziemlich guter Einstieg, Kadel …
WeiterlesenDieser Applaus ist Geld wert
Am gestrigen Abend zeichnete Kulturstaatsministerin Monika Grütters zum dritten Mal herausragende Livemusikprogramme mit dem sogenannten Spielstättenprogrammpreis der Initiative Musik aus. Dieser firmiert erstmals unter dem neuen Namen APPLAUS – ein Kürzel für ‚Auszeichnung der Programmplanung unabhängiger Spielstätten‘. Mit der Verleihung des bundesweiten Preises sind Förderungen in Höhe von 905.000 Euro verbunden. Die Veranstaltung fand dieses Jahr in Kooperation mit dem Kulturreferat München sowie dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie in der Münchener Muffathalle statt. „What’s a Muffat“ – diese Frage stellte sich der eine oder andere auswärtige Künstler beim Rundgang und Empfang durch das Muffatwerk, einem ehemaligen Wasserwerk am Isarufer. Georg Muffat – diese kleine Abschweifung muss sein – war ein Komponist und Organist des Barock und wirkte unter anderem im nahegelegenen Passau am Hof des Bischofs Johann Philipp von Lamberg als Kapellmeister und Hofmeister der Edelknaben als Kapellmeister. Damals war man noch am Hofe angestellt, heute ist man unabhängig und schlank im Budget. Zahlreiche Spielstätten, das wurde bei den Laudationes der Moderatorin Nina Sonneberg immer wieder deutlich, sind ohne Ehrenamt und Selbstausbeutung nicht denkbar. Der APPLAUS 2015 zeichnete 64 herausragende …
WeiterlesenVorgestellt: das neue Kulturprogramm auf Gut Sonnenhausen
Schon die Einladungskarte war der Knaller: es gab zwei Ankreuzmöglichkeiten 1. Oh ja, ich nehme die Einladung gerne an und 2. Sorry, ich habe ein Abendessen mit Angela Merkel, schaff’s leider nicht… Da kein Abendessen mit der Kanzlerin auf dem Plan stand, ging es vergangenen Montag zum Gut Sonnenhausen, 30 Kilometer südöstlich von München gelegen. Anlass für die Feier war das Erscheinen des zweiten Sonnenhausen-Journals, die Vorstellung der neuen Kultursaison durch Kuratorin und Sängerin Stefanie Boltz. und die Vorstellung des Kochstalls, der am 23.10. offiziell eröffnet werden wird. Es war ein schöner, stimmungsvoller Abend mit einem herzlichen Gastgeber. Zusammen mit Hotelchefin Maren Reisser stellte Georg Schweisfurth das neue Journal vor, Stefanie Boltz gab zusammen mit ihrem Duopartner Sven Faller von Le Bang Bang am Bass und dem Gitarristen Andreas Dombert ein kleines Live-Konzert. Als Kuratorin des Kulturprogramms stellte sie die neuen Highlights vor: Sonntag, 11.10.: Philipp Stauber, Sonntag, 22.11.: Sven Faller, Sonntag, 6.12.: Lisa Wahlandt & Band, mehr auf der Website! Die Fotogalerie stammt von Ralf Dombrowski.
WeiterlesenZum Tod des Saxofonisten und Klangforschers Norbert Vollath
Am Donnerstag, 1. Oktober, ist der Saxofonist, Bassklarinettist und Klangforscher Norbert Vollath in seiner zweiten Heimat Irland gestorben. Er wurde 59 Jahre alt. Seit einigen Jahren lebte er mit seiner Frau, der Künstlerin Patricia „Pat“ Doherty, im einsamen Westen der Insel, wo er auch am Strand seine Klangforschungen mit Wind, Wellen, Wasser und Sand betrieb. Die Installation „submerged IV“ war eines der Projekte des Oberpfälzers, an denen er seit längerem arbeitete. Vollath war ein Gründungsmitglied der Formation „Negerländer“ mit drei Saxofonen und Schlagzeug/Perkussion. Anfänglich noch unter dem spöttischen Namen „Die Original Negerländer“, erspielte sich das kreative und musikalisch wegweisende Quartett schnell einen exzellenten Ruf als innovatives, witziges und originäres Musikprojekt, das sich wenig um stilistische oder Genregrenzen scherte. Nach anfänglichen Erfolgen und Tourneen unter anderem mit dem Goethe- Institut in Westafrika, begann die Gruppe Stimmfilm zu vertonen und mit Künstlern anderer Kunstgattungen – Dichtung, bildende Kunst, Tanz – zusammenzuarbeiten. Mit dem Musiker und Wortkünstler Mike Reisinger gründete Vollath vor knapp 20 Jahren 1996 das Duo de Clarinettes- Basses, das anfänglich häufig Lesungen und Multi-Media-Veranstaltung musikalisch begleitete. In den letzten Jahren weitete er seinen künstlerischen Aktionsradius …
WeiterlesenLeichtes mit internationalem Format: Ulita Knaus
Text und Fotos: Michael Scheiner – Bei ihrem ersten Gastspiel im Jazzclub Regensburg stellte Ulita Knaus vornehmlich Songs aus ihrem Album „The Moon On My Doorstep“ vor. Mit dem Berliner Pianisten Tino Derado – ein gebürtiger Münchner – und Schlagzeuger Túpac Mantilla aus Kolumbien hatte sie zwei exzellente Begleiter dabei. Den Eindruck, dass bei einer solchen Minimalbesetzung etwas fehlen würde, ließen die trefflich harmonierenden Musiker gar nicht erst aufkommen. Zwar stand der Gesang von Knaus deutlich im Mittelpunkt, dennoch hatten die beiden genügend Spielraum für eigene Akzente. Sein leichtes, manchmal fast zartes Schlagzeugspiel gestaltete Mantilla mit verschiedenen Schlegeln, Metallstäben und Besen, bis hin zum gemeinen Hofbesen. Vergnügt trommelte er mit diesem auf die Snaredrum ein. Den Vogel schoss der schmächtige Südamerikaner mit einer umwerfend groovenden Bodypercussion ab, mit welcher er Knaus in einem chinesisch anmutenden Song tänzelnd begleitete. Danach brach sich die bis dato etwas zurückhaltende Stimmung des Publikums in einem Beifallsturm Bahn. Schon zuvor hatte Derado die konzentrierten Zuhörer mit einer Instrumentalkomposition für sich eingenommen. Mit dem herb-wehmütigen „I never said I would believe in“ kroch er ihnen geradezu unter die Haut und ließ …
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