Am Donnerstag, 1. Oktober, ist der Saxofonist, Bassklarinettist und Klangforscher Norbert Vollath in seiner zweiten Heimat Irland gestorben. Er wurde 59 Jahre alt. Seit einigen Jahren lebte er mit seiner Frau, der Künstlerin Patricia „Pat“ Doherty, im einsamen Westen der Insel, wo er auch am Strand seine Klangforschungen mit Wind, Wellen, Wasser und Sand betrieb. Die Installation „submerged IV“ war eines der Projekte des Oberpfälzers, an denen er seit längerem arbeitete. Vollath war ein Gründungsmitglied der Formation „Negerländer“ mit drei Saxofonen und Schlagzeug/Perkussion. Anfänglich noch unter dem spöttischen Namen „Die Original Negerländer“, erspielte sich das kreative und musikalisch wegweisende Quartett schnell einen exzellenten Ruf als innovatives, witziges und originäres Musikprojekt, das sich wenig um stilistische oder Genregrenzen scherte. Nach anfänglichen Erfolgen und Tourneen unter anderem mit dem Goethe- Institut in Westafrika, begann die Gruppe Stimmfilm zu vertonen und mit Künstlern anderer Kunstgattungen – Dichtung, bildende Kunst, Tanz – zusammenzuarbeiten. Mit dem Musiker und Wortkünstler Mike Reisinger gründete Vollath vor knapp 20 Jahren 1996 das Duo de Clarinettes- Basses, das anfänglich häufig Lesungen und Multi-Media-Veranstaltung musikalisch begleitete. In den letzten Jahren weitete er seinen künstlerischen Aktionsradius …
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Leichtes mit internationalem Format: Ulita Knaus
Text und Fotos: Michael Scheiner – Bei ihrem ersten Gastspiel im Jazzclub Regensburg stellte Ulita Knaus vornehmlich Songs aus ihrem Album „The Moon On My Doorstep“ vor. Mit dem Berliner Pianisten Tino Derado – ein gebürtiger Münchner – und Schlagzeuger Túpac Mantilla aus Kolumbien hatte sie zwei exzellente Begleiter dabei. Den Eindruck, dass bei einer solchen Minimalbesetzung etwas fehlen würde, ließen die trefflich harmonierenden Musiker gar nicht erst aufkommen. Zwar stand der Gesang von Knaus deutlich im Mittelpunkt, dennoch hatten die beiden genügend Spielraum für eigene Akzente. Sein leichtes, manchmal fast zartes Schlagzeugspiel gestaltete Mantilla mit verschiedenen Schlegeln, Metallstäben und Besen, bis hin zum gemeinen Hofbesen. Vergnügt trommelte er mit diesem auf die Snaredrum ein. Den Vogel schoss der schmächtige Südamerikaner mit einer umwerfend groovenden Bodypercussion ab, mit welcher er Knaus in einem chinesisch anmutenden Song tänzelnd begleitete. Danach brach sich die bis dato etwas zurückhaltende Stimmung des Publikums in einem Beifallsturm Bahn. Schon zuvor hatte Derado die konzentrierten Zuhörer mit einer Instrumentalkomposition für sich eingenommen. Mit dem herb-wehmütigen „I never said I would believe in“ kroch er ihnen geradezu unter die Haut und ließ …
WeiterlesenHelmut Eisel und das Sebastian Voltz Trio spielen „Talking Sinatra“ in Hürth
Schon im März hatte Klarinettist Helmut Eisel im Hürther Bürgerhaus zusammen mit Joscho Stephan durch eine fulminante Mischung aus Klezmer und Gypsy-Swing begeistert. Dass Klezmer auch hervorragend zum Repertoire eines der größten Sänger der gesamten Musikgeschichte passt, das bewies Eisel zusammen mit dem Sebastian Voltz Trio und seinem Programm „Talking Sinatra“. Selten war der Hürther Jazzkeller in der Hermülheimer Straße so voll wie anlässlich dieser Hommage an den Sänger, der die Jazzgeschichte entscheidend beeinflusste. Das von Eisel und dem jungen Pianisten Sebastian Voltz zusammengestellte Programm enthielt viele Sinatra-Klassiker wie „I’ve Got You Under My Skin“, „My Funny Valentine“ oder „New York, New York“. Im exzellenten Zusammenspiel mit den Musikern des Trios bürstete Eisel die bekannten Melodien gegen den Strich, ließ sie in harmonischen Brechungen leuchten und bewies sich als wahrer Verwandlungskünstler. Immer wieder ließ er sein Instrument rau und sexy wie ein Saxophon klingen, um kurz darauf schluchzend, lachend und jubelnd in die Welt des Klezmer einzutauchen. Damit warf er ein faszinierendes Licht auf den Sänger, der zwischen italienischstämmigen und jüdischen Familien im Kneipen- und Gangstermilieu der Kleinstadt Hoboken aufwuchs. Im Vorfeld des Abends hatte …
WeiterlesenMusica Argentina para Big Band: Gabriel Pérez leitet das Jugend Jazz Orchester Sachsen
Südamerika trifft Big Band: Für den Sommer konnte das Jugendjazzorchester Sachsen in diesem Jahr mit dem Argentinier Gabriel Pérez einen wahren Star der Jazzszene für sich gewinnen. Der Saxophonist, Komponist und Arrangeur leitet die Arbeitsphase der sächsischen Nachwuchstalente vom 14. August bis 23. August unter dem Motto „Musica Argentina para Big Band“. Hinter diesem klangvollen Titel steht Jazz, der auf feinsinnige und virtuose Weise die Folklore der Heimat des Komponisten in sich aufnimmt. Nach einer Probephase in der Landesmusikakademie Sachsen (Colditz) werden vier Konzerte zelebriert. Gabriel Pérez, gebürtig in Cordoba, genoss seine musikalische Ausbildung in Argentinien, bevor er in Köln sein Diplom in Saxophon und später auch Komposition/Arrangement mit summa cum laude abschloss. Musikalisch bezieht sich Pérez dabei oft auf seine Heimat wie bei seinen CD-Publikationen „Musica Argentina“ und auch bei seiner neuesten Erscheinung „Guavani, Musica Argentina para Big Band y Orchesta de Camara“, bei der sich unter anderem Saxophonist Chris Potter unter die Gastsolisten gesellt. Neben seinen eigenen Projekten arbeitet der Gewinner des WDR Jazz Awards von 2008 für eine Reihe international renommierter Ensembles wie der WDR-, NDR- und HR- Big Band, sowie zahlreicher …
WeiterlesenEin Münchener Jazz Sommer zwischen Tradition und Moderne
Sieben Konzerte in fünf Tagen, das ist kein großes Jazzfestival wie es andere Musikstädte haben, aber ein großartiges. Während das Motto früherer Ausgaben salopp gesagt „USA im Hotel Bayerischer Hof“ hätte heißen können, haben Bookerin Katarina Ehmki und Hotelchefin Innegrit Volkhardt jetzt eine Jazz-Tour du Monde vorgestellt: Nigeria, USA, Brasilien, Frankreich und Israel waren dieses Jahr vertreten. Und dass die gewohnten Salsaklänge am Ende des Festivals entfielen, mag die latinische Tanz-Community Münchens enttäuscht haben, aber nicht die Jazzer: Ein sehr improvisationsfreudiger Al Jarreau gestaltete den Festival-Höhepunkt im ausverkauften Festsaal. Im Vergleich zu seinem letzten, eher konventionell wirkenden Münchner Konzert 2011, war der Maestro diesen Sommer wie ausgewechselt, ein Mister 10.000 Volt: Er riss „sein“ Publikum, das alle Hits aus dem Stand mitsingen konnte, sofern der Maestro ihm den Einsatz dazu gab, völlig hin- und mit. Jarreau redete viel, aber wie: Aus Ansagen wurden Wortgedichte, Scat-Gesang oder gar vokale Instrumentals. Jarreaus Dankesworte an die Veranstalterin Innegrit Volkhardt für die langjährige erprobte Zusammenarbeit, oder sentimentale Altersrückblicke wurden durch Jarreaus permanente Wortakrobatik zu einem einzigen, quasi durchkomponierten Stück, in dem Musik, Ansage, Gesang und zeitgemäße Arrangements seiner alten …
WeiterlesenKlang-Explosion: RED DOG spielten im Hürther Jazzkeller
Einen Ausflug in die musikalische Welt von RED DOG konnten die Besucher des Hürther Jazzkellers unternehmen. Das Sextett, dessen Mitglieder aus den Städten Köln, Essen und Saarbrücken kommen, stellte eine regelrechte Beschwörung an den Anfang des Konzerts. Mit ihren Instrumenten breiteten die Interpreten ein schillerndes Klangpanorama aus, ohne klar zu umreißen, wohin die Reise ging: In einen dichten Wald? Auf eine sonnenverwöhnte, tropische Insel? Oder vielleicht doch in die unermesslichen Tiefen einer weiten Unterwasserwelt? Rauschende Wellen, zwitschernde Vogelstimmen, rätselhafte Rufe, mächtiges Waldesrauschen und eine Vielzahl weiterer Laute ließen unzählige Assoziationen zu. Nach dieser sanften Einstimmung von Florian Esch (Trompete und Gesang), Michael Hupperts (Posaune und Effekte), Constantin Krahmer (E-Piano), Vincent ‚Themba’ Goritzki (Gitarre), Michael Kehraus (Bass) und Gianni Legrottaglie (Schlagzeug) folgte eine regelrechte Klang-Explosion, die das Publikum schlagartig in den Bann des groovigen, basslastigen Jazzsounds zog, für den RED DOG steht. Mit Nummern aus ihrem Debüt-Album «red dog», die Einflüsse aus Jazz, Blues, Funk, Afrobeat und Fusion verraten, peitschten die Musiker gnadenlos Power in den Jazzkeller und hüllten die Zuhörer in einen dichten Kokon, der sich erst mit der letzten Note des Konzerts wieder auflöste. …
WeiterlesenAlpenjazz Festival, Achensee mit Horn und Königstuba
Text und Fotos von Ralf Dombrowski – Ab der siebten Oktave wird die Obertonreihe chromatisch. Gut zu wissen für Blasinstrumente ohne Ventile, aber kaum zu spielen, vor allem, wenn es sich bei dem Teil um ein Alphorn handelt. Tatsächlich beherrschen nur wenige Musiker weltweit überhaupt das chromatische Agieren am Alphorn, und zwei davon gaben sich am Wochenende am Achensee im Kronthaler beim Alpenjazz Festival die Klinke in die Hand. Der eine heißt Johannes Bär und war als Teil des Trios Random/Control des österreichischen Pianisten David Helbock zu Gast. So wortkarg er am Tresen sich an der Konversation beteiligte, so eloquent war er auf der Bühne und erwies sich als ein Souverän sämtlicher Brass-Instrumente, dessen Kosmos sowohl die Derivate der Volksmusik als auch die verschiedenen Stilexkurse von Thelonious Monk bis Hermeto Pascoal umfasste. So wie Bär nahmen auch seine Partner Helbock mit Klavier, Percussion und Electronics und Andi Broger mit diversen Klarinette und Saxofonen reichlich Instrumente zur Hand, um ihre wild strukturelle und ungemein virtuose Mischung der Einflusslinien kreativ zu entfalten. Der zweite Brass Gigant hieß Matthias Schriefl. Er griff von der Königstuba bis zum Alphorn …
WeiterlesenUmbria Jazz 2015
Text und Fotos von Ralf Dombrowski – Die Karawane ist wieder unterwegs. Europa wird bespielt von einer Schar internationaler Jazzkoryphäen und Publikumslieblinge, die seit Mitte Juni die großen Festivals beglücken. Einige davon sind Saurier des Geschäfts wie Chick Corea, Herbie Hancock, Charles Lloyd oder auch Tony Bennett, der auf seine alten Tage sich mit Lady Gaga als Sahnehäubchen des soliden Swings zusammengetan hat. Andere hört man in den kleineren Sälen, was ihre Kunst durchaus beflügeln kann. Vijay Iyer zum Beispiel gab sich mit Bassist Stephan Crump und Drummer Marcus Gilmore im Teatro Morlacchi die Ehre, der Bühne in Perugia, die während des Umbria Jazz Festivals für die modern jazzigen Konzerte zuständig ist. Seiner Musik tat das Ambiente eines ehrwürdig bürgerlichen Schauspielhauses gut, denn es un terstrich die Tendenz zum Kunstanspruch, die die kollektiven Energieschübe umgab, die er mit seinem langjährigen Trio präsentierte. Es war Stukturarbeit auf hohem Abstraktionsniveau, changierend zwischen Momenten des pulsierenden Flows und Gegenstücken motivisch extrem durchformter Passagen. Zuweilen auf Suitenlänge gedehnt, entstanden Redundanzen, die aber durch den gesamten Spannungsbogen eines konzentrierten Konzerts wieder Sinn machten. Diese Gegensätze passten zum ganzen Umbria Jazz …
WeiterlesenDie Stadt pulsiert: Eindrücke vom Bayerischen Jazzweekend Regensburg 2015
Von Juan Martin Koch – Man konnte Matthias Schriefl seine schlechte Laune nicht verdenken. Da entfesselte er im Duo mit der Vokalakrobatin Tamara Lukasheva ukrainisch-alpenländischen Irrsinn mit Methode, doch im Kellergewölbe eines Irish Pub in der Regensburger Altstadt ließen sich einige Stammgäste davon keineswegs in ihrer Konversation stören… Schriefl erging sich daraufhin in manch galgenhumoriger Publikumsbeschimpfung, bis hin zur Androhung, seine Ansagen würden sämtlich im Bayerischen Jazzinstitut archiviert. Überzeugender war der Wahnsinnstrompeter aber dann, wenn er seinen Ärger in der Loopstation aufstaute, um ihm dann mittels eines schaurig-schönen Schredder-Grooves Luft zu machen. Die Stimme als Instrument Mehr Glück hatte Tamara Lukasheva beim Auftritt ihres Quartetts im „Leeren Beutel“, also dort, wo sonst auch der Jazzclub Regensburg seine Konzerte veranstaltet. Aufmerksam lauschte der Saal ihrem mit Tempo- und Athmosphärewechseln oft mehrfach ineinander verschachtelten, mal textgebundenen, mal in himmelstürmende Vokalisen sich auflösenden Songmaterial. Das dafür erforderliche, komplex ausgeklügelte Zusammenspiel wirkt dabei aber wie aus dem Moment heraus entstanden, weil Pianist Sebastian Scobek, Bassist Jakob Kühnemann und Drummer Dominik Mahnig genauestens auf die Sängerin und aufeinander reagieren. Mahnig sorgte mit einer splapstickartigen, rhythmisch aber genauestens kontrollierten Persiflage …
WeiterlesenDeutsch-dänische Freundschaft beim 37. Copenhagen Jazz Festival 2015: „Fusk“
Von Godehard Lutz, Fotogalerie von Ralf Dombrowski – „Pfusch“ nennt der dänische Schlagzeuger Kasper Tom Christiansen sein Berliner Avantgarde-Quartett mit Philipp Gropper (ts), Rudi Mahall (bcl) und Andreas Lang (b),dem zweiten Dänen von der Spree, das sich durch Spontaneität und (Improvisations-) Freude auszeichnete. Barefoot Records in Christianhavns Beboerhaus war dabei eine der rund 100 Spielstätten, an denen innerhalb der 10 Tage vom 3. bis 12. Juli in und um Kopenhagen rund 1250 Konzerte in allen Stilrichtungen von 10 Uhr morgens bis weit nach Mitternacht stattfanden. In Clubs, Cafes, Bars, Theatern, Konzerthallen und unter freiem Himmel in Parks, auf Straßen, Plätzen und am Hafen. Workshops, Kinder-und kostenlose Konzerte. In lokalen, nationalen und internationalen Besetzungen. Mit Stars wie David Sanborn, Ben Sidran, Jamie Cullum, Gary Peacock, Alvin Queen, Kenny Barron, Joe Lovano, Enrico Pieranunzi, Dave Liebman, Michel Camilo, Chick Cora und Herbie Hancock, Mike Stern, Didier Lockwood, Salif Keita, Palle Mikkelborg und Marilyn Mazur. Und mit sehr vielen weniger bekannten dänischen, skandinavischen und baltischen Musikern. Insgesamt ein Festival der Superlative mit deutlichem dänisch-nordischen Akzent, das nur in kleinen Dosen und mit Hilfe der umfangreichen Programmzeitung zu bewältigen …
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