Musikalischer Trip von Texas bis Brasilien

Eine junge multikulturelle Jazzszene in Londons Südosten zählt seit einiger Zeit zu den angesagtesten der Welt. Promotet von bestens vernetzten DJs und Labelbetreibern haben es weniger hippe und weniger wild antanzende Bands  aus anderen Weltregionen deutlich schwerer sich gegen den Trend zum „Umsturz auf dem Dancefloor“ durchzusetzen. Emiliano Sampaios „Meretrio“ aus dem urbanen Moloch Sao Paulo, der größten Stadt Brasiliens, gehört einer solchen Szene an. Obwohl das exzellente Trio seit 15 Jahren existiert und mittlerweile acht Alben auf dem Markt hat, wie Sampaio mit professioneller Genugtuung beim Auftritt des Trios im Degginger erzählte, zählt es hierzulande noch zu den Insidern. Anders in Österreich, wo der kreative Kopf des Trios und Schlagzeuger Luis André nach einem Kompositionsstudium seit einigen Jahren lebt. Im Nachbarland gehören die Brasilianer längst fest zur quirligen und vielfältigen Grazer Szene, von wo aus sie ihre Eroberungstouren durch die Clubs von Deutschland, Frankreich und andere europäische Länder starten. Ursprünglich ins Leben gerufen, um die ganze Breite der brasilianischen Popular-Musik zu erforschen und neu zu definieren, hat sich das stilistische und musikalische Spektrum der drei Musiker stetig erweitert. Deshalb reagierten nach der Pause im …

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Ich will Geschichten erzählen – Kadri Voorand und Mihkel Mälgand in Gelsenkirchen und Billerbeck

Die estnische Sängerin und Pianistin Kadri Voorand war im letzten Jahr eine überraschende Neuentdeckung beim Alto Adige Festival, jener vielbeachteten Talentbörse für neue spannende Jazzentwicklungen.  Zusammen mit ihrem Duopartner, dem Bassisten Mihkel Mälgand demonstriert sie, dass eine charmante, ja, manchmal fast albern verspielte Bühnenpräsenz und vor Ideen sprühender musikalischer Tiefgang kein Widerspruch sind. Davon überzeugte sich ihr Publikum gleich auf zwei Exklusivkonzerten hintereinander in NRW – auf dem Gelsenkirchener Nordsternturm und kurz danach im romantisch-ländlichen Ambiente in der Kolvenburg im westfälischen Billerbeck. Eines dürfte gewiss sein: Ein Auftritt von Kadri Voorand ist auf jeden Fall immer ein Unikat. Sphärische Violintöne am Anfang deuten auf meditative Gefilde hin – aber sobald sie beherzt in die Klaviertasten greift, tobt das pralle Leben. Dieses strömt aus den melodisch anregenden, von Jazzidiomatik und Bluesfeeling gesättigten Songs – aber auch aus verführerischen Balladen und Anleihen bei der estländischen Volksmusik, gleichwohl aus freigeistig-akrobatischen Improvisationen mit Stimme, Elektronik, Autotune-Effekten und immer wieder Stories aus ihrem eigenen Leben dazu! Sie will nach eigenem Bekunden vor allem Geschichten erzählen. Klavier spielt sie nicht etwa so, wie eine Sängerin sich selbst am Klavier „begleitet“, sondern …

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Standortbestimmung Jazz 2019 (in Berlin)

Mit einem Vortrag und einer Podiumsdiskussion zum Thema „Wie steht es um den Jazz 2019 – Eine Standortbestimmung“ startete die erste Berliner Jazzwoche. Zwischendrin: Stefan Schultze mit einem Solo am präparierten Klavier. Es ist richtig: Man muss diese beinahe absurde Frage immer wieder aufwerfen. Sie ist essentiell, wenn man wissen will, wo der Jazz nicht nur an sich, sondern auch in seinem Zusammenhang mit anderer Musik, anderen Künsten und nicht zuletzt auch im Gefüge der kulturellen und politischen Verfasstheit der Welt steht. Wolf Kampmann war es zugedacht, dies grundsätzlich anzugehen. Seine erste provokative These lautete daher: „Die Welt ändert sich, aber der Jazz bleibt, wie er ist.“ Dies war leichthin gesagt. Und so begann er Löcher in diese These zu bohren, vor allem in den zweiten Teil seiner Aussage. Denn dass die Welt sich ändert und laufend neue Situationen für die Jazzszenen bereitstellt, dürfte unbestritten sein. Ebenso, dass die aktuellen Herausforderung bis hin zur Klimafrage und den rechtspopulistischen Angriffen auf die offene Gesellschaft das Thema „Jazz“ zu einem mikroskopischen verkleinern in der Lage sind. Kampmann engte dabei die Fragestellung dabei unnötigerweise auf den Standort Berlin …

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Mette Nadja Hansen und Johannes von Ballestrem – Eine Jazz-Hommage an die „Geliebte Clara“

In Bonn wird nicht nur in jedem Jahr Ludwig van Beethoven, der große Sohn der Stadt, mit einem wochenlangen, international besetzen Musikfest geehrt. Auch Robert Schumann, der die zwei letzten Jahre seines Lebens in Bonn verbracht hatte, wenn auch in beklagenswertem Zustand, wird in der Bundesstadt in besonderer Weise gewürdigt, mit einem jährlichen Schumannfest, das jetzt vom 1. bis 16. Juni zum 22. Male stattfand, diesmal unter dem Motto „Geliebte Clara“. Aus Anlass ihres 200. Geburtstages am 3. September wurde Schumanns Ehefrau und Mutter seiner acht Kinder in mehr als zwei Dutzend Konzerten sowie Theater- und Filmvorführungen als bedeutende Musikerin gefeiert. Sie galt als berühmteste Pianistin ihrer Zeit, wurde aber als gleichwertige Komponistin nicht anerkannt, denn Frauen wurde die öffentliche Aufführung ihrer Werke nicht zugestanden. Fanny Mendelssohn, Felix’ begabter Schwester, erging es bekanntlich ebenso. So wurden während des Schumannfestes auch einige, bisher unbekannte Kompositionen Clara Schumanns aufgeführt. Ein Abend in dem von der Klassik bestimmten Schumannfest blieb dem Jazz vorbehalten. Clara Schumann und Jazz? Welche Berührungen könnten sich da ergeben, welche Antworten die engagierten Jazzmusiker finden? Nun, der in Bonn gebürtige, in Berlin lebende Pianist …

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„Strengt euch an!“ – das Moers-Festival 2019 zeigte sich empfindsam für Menschen und Klänge

Stell Dir vor, ein riesiger, hölzerner Kampfpanzer „ziert“ die Bühne auf einem friedlichen Musikfestival und keiner begehrt dagegen auf. Dabei hatte Tim Isfort bei der jüngsten Ausgabe des Moers-Festivals ausdrücklich angeregt, sich durch Bemalen oder Besteigen des martialischen Ungetüms einzumischen. Denn das Motto fürs Moers-Festival 2019 lautete: „Strengt euch an!“ Vielleicht so wie damals, als 1968 die Panzer mit Blumen beworfen wurden, woran Günter Baby Sommer in einer Bühnenansage erinnerte… Angestrengt haben sich auf jeden Fall alle Beteiligten, mit der dritten Festivalausgabe noch einmal weit über sich selbst hinaus zu wachsen. Das Moers-Festival im dritten Jahr unter Leitung von Tim Isfort will ganz und gar Begegnung und Inszenierung sein. Vorbei sind die Zeiten einer allzu radikalen Ästhetik der Brüche, stattdessen überspannen geschmeidige Bögen weite Horizonte. Isfort weiß, wen er auf die Bühne holt und warum. Es geht um Entdeckung, nie um den wohlfeilen Wiedererkennungseffekt. Also „versteckte“ sich auch der wohl bestbezahlte Artist in diesem Jahr,  Joshua Redman, im zugegebenermaßen etwas kryptischen Programmheft. Was ihn und die WDR Bigband sowie das Ensemble Musikfabrik aber nicht davon abhielt, zu einer grandiosen Jazz-Sternstunde unter Vince Mendozas Gesamtleitung abzuheben. …

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((( potentiale ))) 2019 in Kalbe (20. bis 23. Juni) – Fünf Fragen an die Veranstalter

Vom 20. bis 23. Juni findet in Kalbe die ((( potentiale ))), das Festival für ländliche Entwicklung und improvisierte Musik statt. An den vier Tagen möchten die Veranstalter herausfinden: Was passiert, wenn musikalische Avantgarde auf örtliches Handwerk, verwunschene Orte und ein lokales Publikum trifft? Hat zeitgenössische Musik das Potential, Kalbe von Konventionen zu befreien oder ist der Widerstand, sich auf dieses Experiment einzulassen zu groß? Martin Hufner stellte den Veranstaltern Fragen zu Konzept und Durchführung des Festivals in der Altmark. Die Antworten lieferten: Corinna Köbele (56, Initiatorin der Künstlerstadt Kalbe e.V., Kulturmanagerin & Psychologische Psychotherapeutin, Organisatorin der (((potentiale)))) und Steffen Roth (29, Schlagzeuger, Jazz- & Improvisationsmusiker aus Leipzig, wiederkehrender Resident der Künstlerstadt Kalbe, künstlerischer Leiter der (((potentiale)))). Sie gehen mit einem Musikfestival auf’s Land. Die Altmark und der Ort Kalbe dürften nur wenigen Menschen ein Begriff sein. Wollen Sie das Festival so gut es geht verstecken? Was war der Grund für den Weg nach Kalbe und nicht etwa nebenan nach Klötze? Corinna Köbele: Wir wollen uns nicht verstecken, sondern auf Verstecktes aufmerksam machen. Seit sechs Jahren belebt die Künstlerstadt Kalbe mittels Kunst und Kultur die …

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radio-jazz. Montage: Hufner

Zukunft des Jazz beim Westdeutschen Rundfunk – Ein Interview mit Tinka Koch und Karl Karst in der nmz

Wie sieht die Zukunft des Jazz im WDR aus? Diese Frage stellte der Chefredakteur der neuen musikzeitung (nmz), Andreas Kolb, dem Programmchef von WDR 3 und frisch gebackenen Sprecher des Deutschen Medienrates im Deutschen Kulturrat, Karl Karst, und der zuständigen Redakteurin Tinka Koch. Sie ist die Nachfolgerin des langjährigen WDR 3 Jazzchefs Bernd Hoffmann, der Ende des Jahres 2018 in Pension gegangen war. Herausgekommen ist ein mehr oder weniger aufschlussreiches Portrait der Zukunftsvorstellungen bei WDR3, den Jazz betreffend. Einerseits soll alles toll sein, andererseits ist vieles noch im Ungaren. Die Schwesterpublikation JazzZeitung.de teast den Artikel mit dem Titel „Arbeit am zukunftstauglichen Jazzradio“ an und verweist auf die nmz Juli/August 2019, in der Reaktionen auf das Interview veröffentlicht werden sollen. Arbeit am zukunftstauglichen Jazzradio Am 1. April ging WDR 3 mit dem Relaunch seiner Jazz-Sendestrecke in der Verantwortung der neuen Jazzredakteurin Tinka Koch an den Start. In den Wochen zuvor war in der Jazzszene eine gewisse Unruhe entstanden, freie Mitarbeiter hatten sich öffentlich über das Verschwinden ihrer Autorensendungen beschwert. Lesen Sie weiter unter neue musikzeitung: „Arbeit am zukunftstauglichen Jazzradio“  

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„Das schönste Jazzfestival der Welt“ – Inntöne Jazzfestival 2019

Vom 7. bis 9. Juni 2019 fand im österreichischen Diersbach das 34. Inntöne Jazzfestival statt. Eigentlich, meinte Paul Zauner, müssten sie aufhören, Werbung zu machen. Denn das Festival ist an seiner Auslastungsgrenze. Im 34. Jahr ihres Bestehens lockten die Inntöne rund 3.000 Jazzfans auf den Hof des Posaunisten, Impresarios und Landwirts, und forderten das Team heraus, möglichst reibungslos dafür zu sorgen, dass alle glücklich sind, Musiker und Publikum, Anwohner und Journalisten. Wie immer gab es die Momente, wo man Schweißperlen auf der Stirn des Festivalleiters entdecken konnte, was bei einem derart tiefentspannenden Menschen ein Zeichen dafür ist, dass irgendwo gerade der Bär steppt. Aber auch wie immer haben alle zusammen geholfen, dass am Ende ein Wochenende heraus kam, von dem mehrere Musiker auf der Bühne betonten, es sei überhaupt das schönste Jazzfestival der Welt. Tatsächlich gelang es den Inntönen, eine raffinierte Mischung aus großen Namen und Newcomern, schrägen Vögeln und vergessen geglaubten Koryphäen in den Sauwald im Passauer Hinterland zu locken. Abdullah Ibrahim zum Beispiel verneigte sich mit kammermusikalisch reduktionsklarer Tonsprache vor der Kraft des Spirituellen, tief inspiriert und voll versöhnlicher Kraft. Der Posaunist Ray …

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Eine Riesensause – Elbjazz 2019

Anders als letztes Jahr war Petrus dem Jazzpublikum diesmal wohl gesonnen und verwöhnte mit Sonnenschein und moderaten Temperaturen. Das Elbjazz-Programm auch dieses Jahr wieder tadellos: von Jason Moran über Jamie Cullum, die NDR Big Band, Sophie Hunger und Newcomer wie KID BE KID, Kokoroko, Jungle by Night oder dem Piano Trio Shalosh war für jeden etwas mit dabei. Einzig die Wege zwischen den Spielstätten mussten bewältigt werden. War man gerade noch in St. Katharinen und will auf das Blohm + Voss Festivalgelände, muss man summa summarum gut 40 Minuten einplanen, bis man vor Ort ist. Das gleiche gilt in etwa von der Elbphilharmonie zum Festivalgelände (ggf. mit Wartezeiten) und umgekehrt. Mit Bus oder Barkasse wird geshuttelt und letztlich hat man, wie bei jedem großen Festival, die Qual der Wahl: Tower of Power oder Julia Hülsmann (diesjährige „Artistin in Residence“ mit mehreren Projekten in unterschiedlichen Formationen), Jamie Cullum oder Kit Downes, Manu Katché, Jason Moran oder dann doch KID BE KID feat. Julia Kadel. Man muss bewusst auswählen, sich ein eigenes Programm zusammenstellen und darf sich nicht verzetteln. Lieber ein Konzert ganz genießen, als planlos hin …

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Mischung aus Magie und Poesie – Lisa Bassenge mit „Borrowed and Blue“ beim Jazzclub im Leeren Beutel

Regensburg. Bei einem eindrucksvollen Konzert stellte die Berliner Sängerin Lisa Bassenge kürzlich ihr aktuelles Album „Borrowed and Blue“ beim Jazzclub Regensburg im Leeren Beutel vor. In einer ruhigen und intimen Atmosphäre ließen der schwedische Pianist Jacob Karlzon und der dänische Bassist Andreas Lang zusammen mit Bassenge grazile Welten zwischen Blues, Countrypop und Jazz entstehen. „Borrowed and Blue“ ist das erste reine Coveralbum der gewieften Songschreiberin mit Songs von den Beatles (Norwegian Wood) dem unverwüstlichen George Gershwin (My Man’s Gone Now aus Porgy & Bess) bis zur Country-Sängerin Patsy Cline (Three Cigarettes in an Ashtray) und Singer-Songwriter Bill Withers (Grandma’s Hands). Den Vorlagen liegen ganz unterschiedliche Stimmungen zugrunde. Kraft ihrer Integrität und nicht zuletzt dank der einfühlsamen Unterstützung ihrer beiden Mitspieler gelingt es Bassenge, aus diesem Wimmelbild der Einflüsse eine Geschichte mit rotem Faden zu machen. Die fast ausnahmslos entspannte, intime Stimmung bricht sie in der ersten Hälfte des Abends einmal mit einem coolen Groove auf. Dabei blitzt für einen Moment eine andere Bassenge auf, die auch mal loslassen und befreite Emotionen zeigen kann. Danach hat sie sich sofort wieder bis in die letzte Nuance eines …

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