Reifezeugnis: „Der weise Panda“

Von Stefan Pieper. Wenn eine CD-Veröffentlichung keinen speziellen Titel trägt, sondern sich unmittelbar nach der Band nennt, kann dies ein Statement sein – vor allem, wenn es sich nicht um eine Debut-Veröffentlichung handelt. Für die Kölner Band „Der Weise Panda“ um die Sängerin Maika Küster trifft dies umso mehr zu, da hier, fünf Jahre nach der Bandgründung (die auf Anhieb einen Sparda-Jazz-Award folgen ließ) ein Reifezeugnis mit großer Ausstrahlung vorliegt. Dieser Beleg für kreativ gelebte Weiterentwicklung braucht kaum mehr als 30 Minuten, in denen alles gesagt ist und nichts fehlt. Maika Küster und ihre Bandmitglieder können Songs schreiben – und wie! Diese bilden einen durchgängigen Fluss, schmiegen sich balladenhaft an, trumpfen manchmal rockig auf und bleiben auch in vielen überraschenden melodischen Wendungen immer intuitiv und unangestrengt, wenn. Maika Küsters Stimme ist mal zerbrechlich-melancholisch, dann aber auch energetisch-druckvoll, hat auch immer irgendwie den Blues, ist auf jeden Fall mitten drin in den emotionalen Zuständen, die das jeweilige Stück gerade abbildet. Die Lyrics, die sich zuweilen auch cooler spoken word-Ästhetik entfalten, tun ihr übriges mit ihrer zuweilen rätselhaften Metaphorik. Das allein ist aber noch nichts ohne den …

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Christian Lillinger. Foto: Stefan Pieper

Frische Klänge für ein neues Jahrzehnt: Aus „jazz in between“ wurde „shortcuts“

Es haben gerade wieder „20er Jahre“ begonnen – vielleicht sollte der Blick mal wieder auf jene, vor allem in kultureller Hinsicht bedeutsamen 1920er Jahre gelenkt werden, in denen ausgesprochen viel kreative, tolerante Aufbruchstimmung herrschte. Im Stadtheater Münster appellierte die Formation „Koma Saxo“ mit einem ambitionierten Ideenfeuerwerk aus der Sicht von heute an die Freiheit von Geist und Ohren. Das sorgte gleich zu Beginn für viel frischen Wind beim Festival „shortcuts“ – ein neuer Name für jene bewährte musikalischen Trilogie, wie sie alle zwei Jahre die „kleine“ Ausgabe des Internationalen Jazzfestivals Münster bestimmt! Das neue Etikett „shortcuts“ hat den bisherigen Namen „jazz in between“ abgelöst. Das soll wohl mehr Augenhöhe mit der großen, dreitätigen Ausgabe des Festivals suggerieren. Aber diese ist unter Fritz Schmückers künstlerischer Leitung ohnehin seit Anbeginn selbstverständlich, dass es eigentlich gar keine Marketing-Gimmicks braucht… Wenn „Koma Saxo“ aufspielt, wird alles neu und anders, undalles reagiert im unmittelbaren Moment miteinander. Schlagzeuger Christian Lillinger schaltet und waltet federleicht und unberechenbar. Der Bandleader, der schwedische Avantgarde-Kontrabassist Peter Eldh beackert die Saiten, dass Feuer lodert. Die beiden wären sich selbst schon für aufreibende Diskurse genug. In der …

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Roger Hanschel und „String Thing“ im Konzert 

Von Stefan Pieper. Lange war es still um den alten Bahnhof Mönchengladbach-Rheydt-Geneicken. Seit dem Herbst begegnen sich in diesem liebevoll restaurierten Architekturdenkmal aus dem Jahr 1899 Musik und bildende Kunst. Auch der Jazz hat hier einen zentralen Platz, wenn er überregionale Künstler zu Gastspielen anlockt und zudem der regionalen Szene ein Podium bietet. „kunstsignal“ haben die Macher ihre Initiative genannt. Der Name soll eine Marke sein für den frischen Aufbruchsgeist, mit dem ein ambitionierter Konzertbetrieb seitdem Fahrt aufnimmt. Der hohe Raum mit seiner offenen Akustik hat sich bereits bei einigen sehr unterschiedlichen Debut-Konzerten gut bewährt. Aktuell kam er einer Begegnung des Saxofonisten Roger Hanschel mit Gunther Tiedemanns Streichquartett „String Thing“ zu gute. Dieses Quartett sucht seinesgleichen: Wenn Cellist Gunther Tiedemann zusammen mit Nicola Kruse (Violine), Ingmar Meissner (Violine, Viola) und Jens Piezunka (Kontrabass und Gesang) aufspielen, öffnen sich die Tore sehr variantenreich in alle mögliche Richtungen. An diesem Abend wurde dieser fantastisch flexible Klangkörper zum Partner auf Augenhöhe für Roger Hanschel, dessen Spielweise und Klangkultur schon für sich genommen aus dem zahllosen Saxofonisten-Meer mit großem Wiedererkennungsfaktor herausragt. Fast ausschließlich neue Kompositionen erblicken an diesem Abend …

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Das Gespür für den richtigen Moment: Leo Betzls Klaviertrio erobert den Techno

Text und Fotos von Stefan Pieper. Erst war es für das Münchener Leo-Betzl-Trio nur ein Experiment, mal eine „Techno-Nummer“ ins Programm zu nehmen. Mittlerweile ist ein ganzes Abendprogramm und eine ganze CD daraus hervorgegangen. Und was im Januar beim Jazzfestival Münster noch etwas kammermusikalisch- verhalten vonstatten ging, entfesselt ein knappes Jahr und 40 Liveauftritte später ein gewaltiges Potenzial, das in der Hertener Schwarzkaue Schlägel und Eisen viele Zuhörer von den Stühlen holte – und eintauchen ließ!   In Detroit eroberten DJs leere Fabrikhallen zu den ersten Raves, was man gemeinhin als Geburtsstunde des Techno betrachtet. Fast drei Jahrzehnte später erfolgt im Rahmen der Konzertreihe Fine Art Jazz in Herten eine „Eroberung“ aus gegensätzlicher Richtung. Wieder findet Techno in Reinkultur statt. Unerschütterlich pulsiert der Vierviertel-Beat. Songstrukturen haben hier nichts verloren. Tiefe Subbässe wabern, hämmernde Snaredrum-Synkopen funken im richtigen Moment dazwischen, ebenso allerhand andere, meist abstrakte Klangereignisse oder aufs absolute Minimum reduzierte melodische Figuren. Denn der richtige Moment, die kluge, treffsichere Dosierung ist alles, damit treibende Magie entsteht. Und genau daraus ergibt sich die Schnittstelle für den Schlagzeuger Sebastian Wolfsburger, den Pianisten Leo Betzl und Maximilian Hirning, …

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Ein befreiter, heißer Atem: Jaimie Branch beim Krefelder Jazzherbst

Text und Fotos von Stefan Pieper. Es zahlt sich immer aus, früh voraus zu blicken – vor allem, um bei der Programmplanung weitsichtiges Gespür für neue Trends zu entfalten: In dieser Hinsicht landete Florian Funke vom Jazzclub Krefeld einen Volltreffer: Er war auf die rebellische US-Trompeterin Jaimie Branch schon aufmerksam geworden, bevor sie mit ihrem Erfolg in Europa regelrecht durch die Decke ging. Mittlerweile widmen sich auch etablierte Tageszeitungen, bei denen Jazz sonst allerhöchstens als Randnote vorkommt, dieser Frau, die schon zum Phänomen auserkoren wird. So viele Vorschusslorbeeren funktionieren: Das Glasfoyer des Krefelder Theaters, in dem dieser Höhepunkt des Krefelder Jazzherbstes stattfindet, ist bis auf den letzte Platz gefüllt. Vergessen wir allen Hype und alle Hysterie und besinnen uns aufs Hier und Jetzt! Diese Forderung scheint in Jaimies Branches Aufforderung, erstmal gemeinsam durchzuatmen, mitzuschwingen. Ebenso ist ihr das Herunterdimmen des Bühnenlichts ein Anliegen. Denn was Jaimie Branch danach musikalisch und inhaltlich zu sagen hat, soll zu einer geteilten Erfahrung werden, für die es Konzentration braucht. Seidenweich schimmernde Trompetentöne Verheißungsvoll stimmt eine afrikanische Mbira mit einer pentatnonischen Struktur auf das kommende ein. In diesen schleicht sich seidenweich …

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Nils Petter Molvaer solo beim Münsterland-Festival

(Text und Fotos: Stefan Pieper) Nils Petter Molvaer ganz allein auf einer Bühne: Das ein ganz anderes Hörerlebnis als seine energetischen Band-Auftritte – und mutete in der Dorstener Galerie Traumfänger doch extrem vertraut an! Denn auf den Trompeter und Klangforscher aus Norwegen war bei einer Kooperation zwischen der Fine-Art-Jazz-Konzertreihe und dem Münsterland-Festival Verlass. So wie der späte Miles Davis seinen Sound bevorzugt mit dem Dämpfer manipulierte, so geht Molvaers frei atmendes, aufs hypnotische Wesentliche konzentrierte Trompetenspiel in unermesslichen elektronischen Welten auf. Und wie etwa Jon Hassell solche Klangwelten mit fernöstlicher Spiritualität auflud, so kreiert Molvaer hier seine eigene Diktion als musikalischer Reisender – eine große Rolle spielte über viele Jahre die Club – und DJ-Musik, aktuell haben es ihm vor allem Einflüsse aus Nordafrika. „Ich lasse mich stark von der weiten norwegischen Landschaft inspirieren, aber ich schöpfe auch aus einem multikulturellen Ort wie Berlin viel kreative Energie“, sollte er dann später auch im Gespräch bekunden. Molvaer schöpft aus all dem eine mächtige, eigene Diktion und rückt den etwa 250 auch teilweise von weither angereisten musikbegeisterten Menschen in der weitläufigen Industriehalle betörend nah. Oft mit einer …

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Echte Outdoor-Romantik im Regen: Jazz an einem Sommerabend 2019 auf der Krefelder Burg Linn

Diese Freiluftkonzertromantik war nichts für „Weicheier“: Ohne Vorwarnung hatte der Himmel seine Schleusen geöffnete. Menschen rückten vor der Kulisse der Burg Linn unter einem großen Zeltdach bzw. einer Art Fallschirm zusammen. Leidenschaft für echte Musik ist eben stärker als schnöde Wetterbedingungen – manchmal wächst sie sogar, wenn die äußeren Bedingungen „feindlich“ sind! Viele Ehrenamtliche vom Jazzclub Krefeld stemmen jedes Jahr aufs Neue das Drumherum bei diesem Festival, das zum großen, überregional wahrgenommenen Aushängeschild des Vereins geworden ist. Der künstlerische Leiter Florian Funke stellt bei der Programmierung der drei Konzerte eine bewährte Dramaturgie der Steigerung herstellen kann. Mehr als drei Auftritte an einem langen Abend braucht es nicht. Das fördert das konzentrierte Eintauchen und ist eine kluge Absage an das oberflächliche „Hineinzappen“ wie bei so manchen Großfestivals mit ihren Mammutprogrammen und Parallelveranstaltungen. Der Opener in Krefeld lenkt traditionsgemäß den Fokus auf Bands und Musiker aus NRW. Den Spaß an der gemeinsamen Sache pflegte an diesem Abend die Band „Cheop“. Tim Isfort, der sonst das Moers-Festival kuratiert, spielt hier den Bass und schon ging alles auf der Festivalwiese in einer gut abgehangenen Fusionfunk-Mischung entspannt und gut zum …

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„Joachim, willst Du mit uns spielen?“

Der Pianist Joachim Kühn traf im Dortmunder Jazzclub domicil auf die Ruhrgebiets-Kollektivband „The Dorf.“ Es braucht eigentlich kaum einer Erwähung: Auch der Pianist Joachim Kühn ist schon oft im Dortmunder Jazzclub domicil aufgetreten: „Es dürfte ungefähr im Jahr 1970 gewesen sein – und ich fand den Keller damals auch sehr schön“ erinnert sich der heute 75jährige Pianist an die alte Spielstätte des Jazzclubs in einem Keller an der Leopoldstraße. Später zog das domicil ins ehemalige Hansa-Theater und ist heute als regelmäßiger Aufführungsort für Jazz und anderes im Ruhrgebiet nicht wegzudenken. Seit der Gründung dürften hier etwa 3600 Livekonzerte über die gegangen sein – getragen von öffentlicher Förderung und noch mehr mehr bürgerschaftlichem Engagement, geadelt durch etliche Spielstättenpreise und immer wieder neu bestätigt durch eine kontinuierlich hohe Publikumsnachfrage. Das Auftaktkonzert einer ganzen Reihe zum runden Jubiläum demonstrierte, worum es in einem guten Jazzclub geht: Mit einem Soloauftritt von Joachim Kühn einen der besten internationalen Musiker auf der Höhe der Zeit nach hierhin zu holen. Zugleich mit einem Gig der Ruhrgebeitsformation „The Dorf“ am Puls der regionalen Musikszene zu sein. Im Idealfall berührt sich dies und reagiert …

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Tiefenentspannt: Die neue Solo-CD „Invisible Colours“ des Essener Pianisten Thomas Hufschmidt

Tief in sich ruhend wirken diese Solostücke: Thomas Hufschmidt, Pianist und Folkwang-Professor scheint auf seiner neuen CD „Invisible Colours“ dem vielbeschäftigen, mit vielen Projekten und Lehrtätigkeiten angefüllten Alltag konsequent entsagen zu wollen. Denn der musikalische Fluss, der hier aufkommt, wirkt wie eine tief in sich ruhende Innenschau eines erfahrenen Musikers, der sich durch nichts und niemanden aus der Ruhe bringen lässt. Auf betont unaufgeregte Weise verbindet der Essener hier Eigenkompositionen und Lieblingstandards. Idyllische fast schwärmerische Impressionen stehen am Anfang eines „Prelude“, das uns sagt, dass der Frühling mit ganz viel Sonnenstunden nun kommen kann. Dann nimmt Denny Zeltons „Morning Touch“ Fahrt auf, bevor auch wieder freundliche Ruhepole gesetzt werden. Völlig in sich ruhend bekräftigt Hufschmidts eigenes Titelstück, dass es mit diesem Repertoire auf Augenhöhe rangiert. Immer pflegt das Spiel des Esseners eine kluge Ökonomie: Statt vieler ruheloser Tongirlanden „malt“ Hufschmidt lieber mit breiten, imaginären Pinselstrichen leuchtende, warme Emotionen – durch wohldosierte harmonische Wirkungen, die sich abwechseln, entwickeln, ergänzen und einander bereichern! Komponiertes und Improvisiertes fließt hier ebenso ineinander. Hufschmidts Eigenkomposition „Planet Brico“ eröffnet durch reibungsvolle Intervalle eine wunderbar tiefsinnige Reflexion, in der auch Umwege und …

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Ein New Yorker im Ruhrgebiet – ein Recklinghäuser in New Work: Stefan Bauer und sein neues Album „Voyage West“

Der Vibrafonist Stefan Bauer ist mit Leib und Seele ein New Yorker, genauer gesagt ein Musiker aus Brooklyn, aber ebenso ein bekennender, aus Recklinghausen stammender Ruhrgebietsmusiker, der regelmäßig zu seinen vielbeachteten „Heimspielen“ viele Jazzgrößen aus NRW mobilisiert. Und Bauer ist in bestem Sinne ein musikalischer Reisender. In dieser Hinsicht betreibt er seit Jahren seine international besetzte Band „Voyage“ als einen überaus flexiblen Melting Pot unterschiedlicher Einflüsse. Der neuesten Wurf dieser Band, das Album „Voyage West“ featured vor allem die israelische Sängerin Tammy Scheffer. Üblicherweise agiert diese Vokalkünstlerin als gleichberechtigtes „Instrument“ in der Band, sticht aber auf dem neuen Album durch besonders ausgiebige Bravourparts hervor, derweil ihr die Bandmitglieder mit umgemein flexibler Spielfreude den roten Teppich ausrollen. Scheffer, der es vor allem nahöstliche und indische Musikstile angetan haben, verwebt auf den langen Stücken eine weit ausgedehnte Melismatik mit den Jazzimprovisationen ihrer Band, wobei es vor allem immer wieder zu aufregenden unisono-Parforecitten kommt. Das neue Album eröffnet in dieser Hinsicht erfrischende, neue Inspirationsquellen, etwa traditionelle nordische Melodien oder musikalische Themen, die wie alte englische Folktunes wirken. Gemeinsam schöpft die Band daraus ein aufregend variantenreiches Farbspektrum. Vor allem …

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