Mit dichten Sounds und feinen Balladen: Jazztrio Renner überzeugt bei erstem Auftritt in Regensburg

Ray Anderson hat es getan und der geniale Albert Mangelsdorff, der früh verstorbene Johannes Bauer und die britische Posaunistin Annie Whitehead. Jeder dieser herausragenden Jazzposaunisten spielte im Laufe der Karriere mindestens einmal in einem Trio ohne Harmonieinstrument. In diese beeindruckende Tradition reiht sich das junge Trio Renner ein, das sich mit eigenen Kompositionen beim Jazzclub im Leeren Beutel dem Regensburger Publikum vorstellte. Ein Album, das man nach dem Konzert als CD mitnehmen könne, wandte sich Schlagzeuger Valentin Renner gegen Ende bedauernd an die entflammten Zuhörenden, „haben wir leider noch nicht“. Vor kurzem „sind wir aber im Studio gewesen“, verriet er freudestrahlend. Vielleicht gibt es „die CD dann bis zum nächsten Auftritt schon“, sagte er mit einem erwartungsvollen Blick in Richtung der Clubverantwortlichen Bernhard Lindner und Lea Aulinger, die im hinteren Bereich des Saales standen. Die nickten beifällig und das Trio, das nach den Brüdern Valentin und Moritz (Posaune) Renner benannt ist, stimmte das letzte reguläre Stück ihres spannenden Programms an. Vielfalt so weit das Auge reicht Das eröffneten sie mit ihrem „Wesensverwandten“, wie sie den kongenialen Bassisten Nils Kugelmann auf ihrer Homepage nennen, und der …

Weiterlesen

Nach Rio für Aerobic-Album: Curt Cress in Regensburg

„Handmade“, handgemacht, wird heute als zweifelhaftes und zudem unscharfes Qualitätsmerkmal in der Popmusik benutzt, um Musik zu beschreiben, bei der auf Elektronik und Computer verzichtet wird. Abgesehen davon, dass der Verzicht auch auf Unkenntnis oder Abwehr gegenüber neuen Entwicklungen beruhen kann, erfolgt auch die Erzeugung elektronischer Tonspuren und Klänge selten ohne Hände. Curt Cress hat sich in seiner langen internationalen Karriere als Schlagzeuger nie gegen digitale Neuerungen abgeschottet. Auf Einladung des Regensburger Drummers Gerwin Eisenhauer (Trio ELF) und des Jazzclub war er zum Drumtalk nach Regensburg in den Leeren Beutel gekommen. Bereits in den 1980er Jahren, erzählt er, habe er sich ein elektronisches Drumkit angeschafft – und es teuer vermietet. Warum er zu einem der bestbezahlten Schlagzeuger der Jazzszene wurde, hängt sicher auch mit diesem ausgeprägten Sinn für Neuerungen und seiner Klugheit in geschäftlichen Dingen zusammen. Den eigentlichen Ausschlag allerdings hat etwas anderes gegeben. Seine musikalische Leidenschaft und die „Energie, die ich für jede Art Musik im Studio und auf der Bühne reinstecke“, hat ihm heute den Ruf einer Schlagzeuglegende eingebracht. Deshalb ist er jahrzehntelang nahezu weltweit von Künstlern und Produzenten für Aufnahmen gebucht worden. …

Weiterlesen

Der „Blackbird“ fliegt im Duo – Yumi Ito und Szymon Mika in Regensburg

Das polnisch-japanische Duo mit Yumi Ito und Szymon Mika spielt bei seinem Regensburger Debüt mit Vielfalt und Offenheit auf Regensburg: Fast konnte man meinen, das Konzert fiele aus, so kahl wirkte die Bühne im Leeren Beutel. Zwei Ständer mit Mikros, der Flügel abgedeckt, zwei scheinbar zufällig rumstehende Monitorboxen und ein Ständer mit einer Gitarre. Erst als Sängerin Yumi Ito und der Gitarrist Szymon Mika vom seitlichen Backstagebereich auf die Bühne kamen, konnten die Zuhörer sicher sein, dass das unter dem Titel „Ekual“ stehende Duokonzert tatsächlich stattfindet. Eine kleine Wasserflasche, die Ito neben der Monitorbox abstellte, verstärkte  den minimalistischen Eindruck noch. Duos sind im Jazz keine Seltenheit, haben manchmal auch ökonomische Gründe. Bei dem polnisch-japanisch-schweizerischem Duo hat das keine Rolle gespielt. Ito, die eine polnische Mutter hat, und Mika lernten sich in Basel kennen. Sie lebt dort und der polnische Gitarrist vervollständigte in der Kulturhauptstadt der Schweiz sein in Krakau begonnenes Studium mit einem Masterabschluss. Als die beiden während einer Aufnahmepause ein wenig zusammen spielten, meinte der amerikanische Bassist Steve Swallow, sie sollten „unbedingt ein Duo gründen“. Davon angefixt, nahmen die jungen Musiker die Aufforderung als …

Weiterlesen

Auf dem Pfad der Bluestugend – Shuteen Erdenebaatar in Regensburg

Shooting Star Shuteen Erdenebaatar präsentierte beim Jazzclub im Leeren Beutel ihr Debütalbum mit ihrem Quartett Regensburg: Angekommen in Deutschland, habe sie sich anfänglich sehr fremd und unwohl gefühlt, erzählt Shuteen Erdenebaatar über ihre Ankunft 2018 in München. Die DAAD-Stipendiatin kannte weder die Sprache noch das hiesige Essen, hatte keine Anbindung und wusste nicht, wie man sich verhält. Erst als sie das Voralpenland mit den Bergen entdeckte, habe sie endlich etwas gefunden, das sei an ihre mongolische Heimat erinnerte. Darüber hat die Musikerin, die mittlerweile ein Doppelmasterstudium erfolgreich abgeschlossen hat, ihre erste Komposition in Deutschland geschrieben. Beim bejubelten Auftritt ihres Quartetts im Leeren Beutel geriet „An Answer From the Distant Hill“, wie die Nummer betitelt ist, zum absoluten Hinhörer am Ende des ersten Sets. Es begann lautmalerisch mit Querflöte, gespielt von Saxofonist Anton Mangold. Erst ruhig, entwickelte es sich mit mächtigem Groove zu einer mitreißenden Nummer. Der hörte man die Freudengefühle und das Vergnügen der Komponistin in jeder Phase an. Mit seinem zeitweise rockigen Groove und einem ohrenschlackernden erregenden Disput zwischen Bassist Nils Kugelmann und Valentin Renner am Schlagzeug fiel es ein wenig aus dem Rahmen …

Weiterlesen

Neues Album von Anna Maria Sturm und Sven Faller

„…Und er fällt, fällt, fällt!“ Regen als Freund, als willkommen geheißener Begleiter, als Reinwascher. Selten gibt es einen schöneren Song im Pop, der den Regen und das Gefühl besingt selbst ein Regentropfen zu sein. „Nur mich“ nennt Anna Maria Sturm dieses innige Bekenntnis, mit dem das gleichnamige neue Album der Sängerin und Schauspielerin endet. Es erscheint am 26. Januar und wird auf allen gängigen Plattformen zu finden sein. „Nur mich“ Gleich mit zwei Konzerten feiert die Schwandorferin mit ihrer neuen Band Sturm die Veröffentlichung beim renommierten Münchner Label Enja Records. Nachmittags singt sie in Germering und am gleichen Abend ist sie in der Abendschau des BR-Fernsehens zu erleben. „Nur mich“ ist das bisher persönlichste musikalische Projekt Sturms. Geprägt ist es vorrangig von den Eindrücken welche die schwierigen Corona-Jahren bei der Künstlerin hinterlassen haben. „Ich habe damals in einer Druckerei gearbeitet“, erzählt sie über ihre Strategie von einem Tag auf den anderen ohne Arbeit, Aufträge und Einkommen dazustehen. „Manchmal war ich richtig verzweifelt, wußte nicht wie es weitergehen sollte und hasste alles und mich selbst am meisten“. Mit knalliger Wucht Mitten hinein in diese von Ängsten, …

Weiterlesen

Poetische Klangbilder: Lorenz Kellhubers „Low Intervention“

Von Michael Scheiner. Berlin/Regensburg: Als „eines der besten deutschen Piano-Trios“ ist Lorenz Kellhuber mit seinen beiden Mitstreitern Felix Henkelhausen (bass) und Moritz Baumgärtner (drums) schon häufiger adressiert worden. Dabei muss man sich gar nicht auf einen Wettbewerb um die treffendste Würdigung, den goldensten Orden einlassen. Es genügt einfach zu hören und erleben, was die drei  exzellenten Musiker aus ihren Instrumenten herausholen, um davon tief hineingezogen und berührt zu werden. Das dritte Album Nach „Samadhi“, dem rauschhaften Livemitschnitt eines Konzerts im Theater Regensburg, und „About:Blank“ gelingt das auch mit dem neuen, dritten Album (nur auf Vinyl, ab 2024 auch als Streaming) des Trios „Low Intervention“. Dabei kann der Titel durchaus wörtlich genommen werden, denn die sieben Stücke sind im berühmten Emil Berliner Studio in Berlin im so genannten Direct-to-disc-Verfahren aufgenommen worden. Eine nachträgliche Korrektur, wie bei digitalen oder Aufnahmen mit einem Bandgerät üblich, ist dann nicht mehr möglich. Pionier auf diesem Gebiet war eben jener Emil Berliner, ein in die USA ausgewanderter Erfinder aus Hannover, nach dem das Studio benannt ist. Limitierte Vinyl Version Die Aufnahme für das Trioalbum sind heuer im Juni entstanden und erstmals über …

Weiterlesen

Das Quartett von Alex Hitchcock spielt zum Saisonauftakt beim Jazzclub Regensburg

Schaut man nur auf das Äußere der Alex Hitchcock Dream Band, fällt sie durch alle Raster. Durch den der political correctness ebenso wie den des musikalischen Zeitgeistes. In der Traumbesetzung des jungen britischen Saxophonisten hat keine Musikerin Platz. Und bei den männlichen Musikschaffenden auf der Bühne ist nirgends auch nur ansatzweise ein elektronischer Klangerzeuger, ein Verfremdungsgerät oder gar ein ,mitspielender’ Computer zu sehen. Oldfashioned Vom Flügel über den Kontrabass, das Tenorsaxofon bis zum reduziert gehaltenen Schlagzeug alles analoge, althergebrachte Instrumente. Auf denen die vier Musiker einen  mit zeitgemäßen Ausdrucksformen durchsetzten Modern Jazz spielen. Letztlich also auch einen eher oldfashioned, wie es längst eingedeutscht heißt, Sound spielen, der sich in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts entwickelt hat. Wer jetzt aber glaubt Hitchcocks Band der Träume sei deshalb auch altmodisch, zieht sich einen dicken Schiefer ein. Eingeschnürt Tatsächlich war der Auftritt beim Jazzclub im Leeren Beutel in der ersten Hälfte vor der Pause ziemlich uninspiriert. Das Quartett wirkte wie eingeschnürt von den Fesseln von Hitchcocks Kompositionen, die sie wie Perlen ohne Unterbrechung aneinander reihten. Da der Bandleader zudem auf Ansagen zu seiner Musik verzichtete, mussten sich …

Weiterlesen

Poetische Jazzsongs mit Humor und Tiefe

Konzert. Um ein Haar wäre der großartige Auftritt von Sängerin Efrat Alony Covid zum Opfer gefallen.   Regensburg. Nach außen schrill, nach innen poetisch, träumerisch und oft alles andere als geradlinig. Efrat Alonys Songs beschäftigen sich auf vielfältige Weise mit Eindrücken und ihrer Sicht auf die Welt um sie herum und damit, wie sie sich darin spiegelt. Da kräuseln sich Gedanken, Ignoranz wird als Glücksgefühl erlebt und „der süße Duft der Luft nach einem Regenschauer“ erfüllt sie mit Hoffnung. Auf der Bühne, wie bei ihrem Konzert beim Jazzclub im Leeren Beutel, tritt die Sängerin und Komponistin extravagant gekleidet auf. Auf den ersten Blick wirkt sie damit ein wenig überkandidelt. Beginnt sie aber zu singen, rücken ihre blauen Schuhe mit den Haifischzähnen, die türkisfarbene Brille und der weite steife Rock, nach wenigen Momenten weit in den Hintergrund. Dann konzentriert man sich nur noch auf diese phänomenale Stimme, die im Laufe von zwei Stunden eine ganze Klangwelt zu erschaffen imstande ist. Das Ausdrucksspektrum, mit dem Alony das Publikum ein ums andere Mal fasziniert und begeistert, ist riesig. Sie singt hoch und dünn wie ein Mädchen, springt mühelos …

Weiterlesen

Joe Fonda: „Zukunft gehört den Frauen“

Joe Fonda wurde neben Mary Halvorson und Oliver Lake als einer von fünf „musicians of the year“ 2023 in New Yorks City Jazz Records gewählt. Zwei seiner letztjährigen Alben sind als „recordings of the year“ gelistet und eines seiner Konzerte als Konzert des Jahres. Auch in Europa ist Fonda regelmäßiger Gast. Michael Scheiner hat ihn für die Jazzzeitung portraitiert. Joe Fonda ist ein Wanderer. Keiner im urdeutschen Sinn, der Wald und Wiesen kennt. Der in Amsterdam im amerikanischen Bundesstaat New York aufgewachsene Bassist ist ein Wanderer zwischen Welten – kulturellen, musikalischen, instrumentalen und gesellschaftlichen. Seit drei Jahrzehnten pendelt er mehrmals jährlich von den Vereinigten Staaten nach Europa, um hier Touren mit eigenen Bands und mit Musiker*innen zu spielen, deren Einladungen er folgt. In seiner Heimat USA ist er nur fünf Jahre länger on the road. Zunächst erhielt Klein-Joe Gitarreunterricht, bevor er auf Bass umstieg und Anfang der 1970er Jahre ein Studium an der Berklee School of Music absolvierte. Heute wechselt er zwischen dem E- und seinem geliebten Kontrabass. Gelegentlich spielt er auch noch Flöte und singt. Schon Anfang 2023 ein erfolgreiches Jahr Musikalisch bevorzugt der …

Weiterlesen

Klangliche Seiltänze voller Zärtlichkeit

Erst nach mehreren Zugaben durfte das gefeierte Duo mit Jean-Louis Matinier und Kevin Seddiki von der Bühne im Leeren Beutel in Regensburg. Von Michael Scheiner Irgendwann beginnt es im Kopf zu klingeln und Erinnerungen an ein weit entferntes Konzert, „Friday Night in San Francisco“, tauchen bei einigen Akkorden von Kevin Seddiki auf.  Seddiki, 1981 in Clermont-Ferrand zur Welt gekommen, ist viel zu jung, um das ein Jahr vor seiner Geburt live mitgeschnittene Konzert der drei Gitarrengrößen Paco de Lucia, John McLaughlin und Al Di Meola erlebt zu haben. Sicher hat er es später einmal als Video gesehen. Entscheidender für sein eigenes Spiel auf der nylonbespannten akustischen Gitarre aber ist die Mitgliedschaft in Di Meolas Band World Sinfonia. Vier Jahre spielte der französische Gitarrist mit algerischen und italienischen Wurzeln in der Band des als „schnellster Gitarrist der Welt“ gefeierten Fusionmusikers. Dabei fand auch der eine oder andere Lick des älteren Bandleaders seinen Weg in Seddikis Spiel. Von einem Imitat kann bei dem klassisch geschulten Musiker indessen keine Rede sein. Auf jeder Station seiner ungemein weit gefächerten künstlerischen Karriere hat er Ideen aufgesogen und in sein vielgestaltiges …

Weiterlesen