Weihnachtliches mit orientalischer Note von Quadro Nuevo

Alle Jahre wieder – breitet sich ein hochansteckendes Virus in der Musikszene aus und infiziert wahllos Musiker aller Couleur. Mehrfach angesteckt wurden bereits die Vier von Quadro Nuevo. „Music for Christmas nights“ ist nach „Weihnacht“ und „Bethlehem“, das vor drei Jahren erschienen ist, bereits ihr drittes Album mit Musik aus und für die christliche Weihnachtszeit. Dass damit mehr als nur ein tiefer Herzenswunsch verbunden ist – und das sentimentale Gefühl vieler Menschen angesprochen und zum Kauf angeregt werden soll, ist sonnenklar. Ob darüber hinaus mehr in einem solchen Album steckt, bringt nur ein genaues Hineinhören ans Licht – oder in diesem Fall besser, in die Weihnachtsnacht. Leuchtend, das sieht man auf den ersten Blick, ist auf jeden Fall das Cover mit einer stilisierten Kerzenflamme, die witzigerweise dem Schalltrichter eines altertümlichen Schallplattenspielers entspringt. Von diesem effektvollen, aber einfallslosen Konzept abgesehen, weist das Album bei der Auswahl der Lieder nur einige wenige Besonderheiten auf. Was ihm aber tatsächlich einen eigenen Charakter verleiht, ist die Herangehensweise und – teilweise – die Umsetzung dieser einfachen, dabei oft starken Melodien. Zuallererst fehlt eine menschliche Stimme, die Lieder sind alle instrumental …

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Mit richtigem Dreh junge Leute erreicht

Mit Nuejazz/ hat Nürnberg endlich wieder ein internationales Jazzfestival, das vom engagierten Jazzmusiker-Verein veranstaltet wird Von Michael Scheiner – Noch während Avishai Cohen seinen Bass auf den Bühnenboden ablegen will, reisst es die ersten Zuhörer förmlich aus ihren Sitzen. Sekunden später steht das gesamte Auditorium in der Staatsoper Nürnberg und bejubelt tosend und pfeifend den überwältigenden Auftritt des israelischen Bassisten mit seinem Trio. Cohen hat eben sein letztes – und wie er sagt: „das letzte ist immer das beste“ – Konzert einer Europatournee mit einem schnellen hymnischen Stück beendet, bei dem das Trio am Schluss geradezu zu explodieren schien. Dramaturgisch hervorragend platziert, bildete es den Höhepunkt eines vorwiegend verhaltenen kammermusikalischen Konzertes höchster Güte. Seit Eberhard Weber hat kein Bassist die subtile Eleganz und einen ebenso feinen, wie vollen Ton an seinem Instrument besser ausgelotet, wie Cohen. Während Pianist Omri Mor mit stoischer Regelmäßigkeit den Groove mit repetitiven Motiven am Laufen hält, dabei in feinsten dynamischen Schattierungen Akzente setzt, malt Itamar Doari perkussiv-leuchtende Klangbilder voller Schönheit und fein gemaserter Fülle. Der Bass dominiert, nur selten gibt Cohen die Führung an seinen großartigen Pianisten ab, der ein …

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Grenzenlose Leidenschaft auf dem Akkordeon

Von Michael Scheiner – Bei dem mittlerweile 52-jährigen Finnen Kimmo Pohjonen ist die Versuchung groß zum nächstliegenden Superlativ, einem abgegriffenen Klischee oder zur größtmöglichen Übertreibung zu greifen. Irgendwie scheint man ihm nur gerecht werden zu können, wenn vom „Akkordeon-Punk“, dem „Jimi Hendrix des Akkordeon“, Derwisch oder der „nordischen Variante von Mad Max“ die Rede ist. Tatsächlich wirkt sein oft pathetisches Spiel auf dem Akkordeon wie eine Urgewalt, die über den Hörer hereinbricht. Durchsetzt mit zarten, lyrischen Momenten, volksmusikalischen Anklängen und experimentellem Einsatz elektronischer Mittel wirkt die Ankündigung eines neuen Albums wie eine Verheißung! Das programmatische „Sensitive Skin“, schon seit über einem Jahr auf dem Markt, ist Pohjonens jüngste Veröffentlichung und so etwas, wie die Summe seiner bisherigen künstlerischen Arbeiten. Diese umfassen Filmmusiken, wie das preisgekrönte Animationsepos Jade-Krieger, ebenso wie Kompositionen für und Aufnahmen mit dem Kronos Quartet, diverse Soundprojekte, die großartige Filmbiografie „Soundbreaker“ von Kimmo Koskela, Lehrtätigkeiten und ein Repertoire, das zwischen Volksmusik, Heavy Metal, Klassik und Improvisation ein kaum vorstellbares riesiges Spektrum abdeckt. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass er die schon weiter gewordenen Grenzen des Akkordeons noch einmal um einige Grade weiter geöffnet …

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Veteranentreff mit Hipnessfaktor beim 1. Landesjazzfestival Bayern in Regensburg

Ein wahres Feuerwerk, um einmal die abgegriffene Metapher zu nutzen, hat der amerikanische Gitarrist John Scofield am letzten Abend des 1. Bayerischen Landes-Jazzfestivals in Regensburg abgebrannt. Im Velodrom, einem Baudenkmal, bestritt er im Quartett mit Larry Goldings (p, org), Altmeister Steve Swallow am E-Bass und Youngster Bill Stewart (dr) ein Doppelkonzert neben dem Dusko Gojkovich-Scott Hamilton Quintett. An diesen beiden stilistisch weit auseinanderliegenden Bands lassen sich gut programmatische und kulturpolitische Aspekte der LAG Jazz in Bayern e.V. festmachen, die das Festival zusammen mit dem örtlichen Jazzclub auf die Beine gestellt hat. Internationale Stars sollten sich die Bühne mit bedeutenden Vertretern der bayerischen Szene teilen, junge, wenig bekannte Musiker gleichberechtigt neben bekannten Größen stehen. Im Prinzip hat das – fast – funktioniert. Mit dem jungen Trio des 25-jährigen Rosenheimers Leo Betzl, Gewinner des diesjährigen LAG-Jazzpreises und Student der Münchner Musikhochschule, eröffnete ein enorm spannendes Klaviertrio energiegeladen und federleicht swingend zugleich das frisch aus der Taufe gehobene Festival. Allerdings hielt sich die Resonanz, ebenso wie beim knackig groovenden Funk-Soul-Blues-Jazz-Gemisch des Münchner Orgeltrios „Organ Explosion“ am zweiten Abend ziemlich in Grenzen. Offensichtlich ist es selbst mit diesem hippen …

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Tanzender Schmetterling im Hurrikan

Zum 30-jährigen Bandjubiläum machten die „Fun Horns“ Halt beim Jazzclub im Regensburg – und begeisterten mit anspruchsvollem Akustikspiel. Vier Musiker, sieben Blasinstrumente und sonst nichts auf der Bühne. Halt, ein Mikrofon für die Ansage noch, Mineralwasserflaschen und kleine vergnügliche Erzählungen aus dem Tourleben, aus der Vergangenheit und von Aufnahmesessions im „Alten Lager“. Die „Fun Horns“ sind keine junge Kapelle, wie sie sich selbst nennen. Gleichzeitig sind sie so erfrischend in ihrer Musik wie es nur freie oder auch junggebliebene Geister sein können. Wer bei ihrem fantastischen Konzert im Leeren Beutel die Augen geschlossen hielt, konnte leicht in Verwirrung stürzen – waren doch da schwirrende Insekten, meckernder Streit und zuckersüsses Liebesgeflöte zu hören. Aus Posaune, Saxofonen, Bassklarinette, Trompete und einer Flöte. Pur, unverfälscht, spielte das Quartett ganz ohne jegliche elektrische Verstärkung. „Das ist doch ein wunderbarer Raum“, freute sich Tonangeber Jörg Huke (tb) sichtlich über die hervorragende Akustik, „der trägt das ohne weiteres bis in die letzte Reihe“. In einer Zeit, als weltweit Saxofonquartette wie Pilze aus Boden schossen, dachten sich vor drei Jahrzehnten einige Jungs in Ostberlin – wie die Hauptstadt der DDR damals hieß …

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Klangschöne Friedensreferenz und nachtdunkle Intensität – aktuelle CD von Carlo Mombelli

Auf dem Rücken einer nachtblauen Katze schläft ein grün-gelber Mann. Er trägt eine Augenlarve und ist mit einer blauen Decke bedeckt. Das surreale Bild des südafrikanischen Künstlers Norman Catherine bezieht sich auf den Titelsong von Carlo Mombellis neuem Album  „I Press My Spine to the Ground“. Gleichzeitig korrespondiert es auf geheimnisvolle Weise mit der dunklen, stark vom Sound geprägten Musik des Bassisten. Orakelhaft lenkt Glockengeläut in der einleitenden Kollektivimprovisation (Bells of Gitschenen) die Ohren auf einen Klangpfad voller Uneindeutigkeit und tastend-versponnener Voodoo-Sinnlichkeit. Almvieh-Abtrieb im Gebirge? Der Ruf zum Gebet? Oder Warnung vor der abgründigen Intensität kreativer Freigeisterei? Es bleibt offen, auch wenn der Dreiklang am Schluss des Sechs-Minuten-Stücks zum titelgebenden, nachdenklichen Song überleitet. Brenda Sisane steuert darin als Gastmusikerin ein stark spirituell gefärbtes, poetisches Spoken-Word-Stück bei. Auch wenn musikalisch scheinbar wenig passiert, das Quartett mit Mombellis langjährigen Partnern Kyle Shepherd (piano), Kesivan Naidoo (drums) und Mabuso Khoza (voice) verhalten, fast somnambul kurze Klangeruptionen, melancholisch-verträumte melodische Schnipsel und afrikanische Erhabenheit erzeugt, gelingt mit dem Wenigen ein kaum fassbare Intensität und emotionale Dichte. Hymnische Kraft und dunkel leuchtendes Pathos gipfeln in „Picasso´s Dove“, eine musikalische Referenz an …

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Von schrägen Heiligen und musikalischen Götterspeisen – Shoot The Moon mit Album Nr. 4

Da wiehert der Esel, kräht der Hahn, bruzzelt das Kaninchen. Ein Album mit tierischen Naturlauten hat die Berliner Komponistin Almut Schlichting (as) freilich nicht aufgenommen. Es geht um Heilige & Narren, „Saints & Fools“, die sich der zauberhaften Stimme von Winnie Brückner und der Instrumentalisten der nicht weniger zauberhaften Band „Shoot the Moon“ für einen Reigen skurriler Tänze und grotesker Moritaten bedienen. Auf eine solche Idee muss man erst mal kommen. Eine Reise ins dunkle Mittelalter zu unternehmen, um mit gefundenen Liedfragmenten, Shakespeare-Texten und Kochanleitungen ein Album mit moderner Jazzmusik zu gestalten. Schlichting kam auf die Idee: Ausgestattet mit einem Stipendium des Berliner Senats stöberte sie in Archiven und einschlägigen Sammlungen. Dabei stieß sie auf weitgereiste Spielleute, muntere Köche, ein appetitliches Kaninchenrezept, Reden der englischen Königin Elisabeth I. und diverse weltliche Heilige. Deren flehentliche Anrufung formt Brückner mit heiligem Ernst und glockenreiner Stimme – ein fantastischer Kontrast zu den schrägen Inhalten. Manchmal steppt sie dabei spielerisch in Rapschritten. Oder sie scatted im Duett abwechselnd mit Tobias Dettbarns Bassklarinette und Schlichtings Altsaxofon. Sprachlich bewegt sie sich dabei zwischen englisch, französisch und – ja, tatsächlich – einem …

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Das Bayerische Jazzweekend – ein Spaziergang

Text und Foto: Michael Scheiner – Bei einem Streifzug durch das Bayerische Jazzweekend kann man einiges erleben. An einigen Stellen, meist Übergängen zwischen Plätzen und verschiedenen Spielorten hat man als Flaneur auf der einen Seite noch den launigen Dixieland der Berliner „Dizzy Birds“ im Ohr, während einem bereits die düster-schweren Klavierklänge des in New York lebenden Kubaners Aruán Ortiz in den Gehörgang des anderen Ohres kriechen. Dazwischen schnappt man noch einige Takte eines funky Acidjazz-Groove auf, der aus dem Zelt eines Kartenverkäufers quillt. Nur wenige Schritte weiter in einem Durchgang dann ein Saxofonsolist mit einem unsäglichen Poprührstück, der auch etwas vom großen Aufmerksamkeitskuchen abbekommen will. Neben der verbreiteten Kategorie der Jazzweekend-Flaneure, die sich drei oder vier Stücke einer Band anhören, während des Applaus aufstehen und weiterziehen, gibt es ortsfeste Zuhörer. Sie bleiben auf ihrem einmal ergatterten Platz sitzen und hören sich oft mehrere Bands hintereinander an. Im Hof des Thon-Dittmer-Palais eröffnete heuer die Schlagzeugerin Eva Klasse mit ihrem Trio „No Kissing“ den Abend. Zusammen mit Alma Neumann am Kontrabass und E-Gitarrist Werner Neumann entfaltete sie einen hybriden Kosmos aus heftig grollenden Klangbrechern, leisen Stimmungen und …

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„Der Flügel hält das aus“ – Gelungenes Auftaktkonzert im Foyer der Uni-Bibliothek Regensburg

Der Ort war so ungewöhnlich, wie Zeit und Anlass. Ein Jazzkonzert mitten am Nachmittag im Foyer der Universitätsbibliothek. Ein Novum und ein Versuchsballon, der – soviel schon vorweg – abgehoben hat. Chris Gall und Andreas Dombert spielen seit zwei Jahren zusammen und haben bisher ein gemeinsames Album veröffentlicht, schlicht „Duo“ betitelt. Die Besetzung mit zwei Akkordinstrumenten, Klavier und Gitarre, ist nicht gerade alltäglich, deshalb aber auch besonders reizvoll. Musikalisch liegt der besondere Akzent des perfekt aufeinander eingestimmten Gespanns in einer konsequenten Überschreitung herkömmlicher Stil- und Genregrenzen. Vor allem der Einfluss aus dem musikalischen Minimalismus, der Minimal Music, ist dabei unüberhörbar. Ein Flügel, verstärkt über ein Mikrofon, eine Jazzgitarre und ein kleiner Verstärker mit zwei Lautsprechern. Darum herum ein paar Stühle, die bei Konzertbeginn fast alle besetzt waren. Mehr war nicht nötig für ein spannendes Konzert. Zwischen einer impressionistischen, lyrisch-verhaltenen Stimmung und einem brausenden Orkan hereinbrechender Akkorde entfachten die beiden ein musikalisches Wetterleuchten, das es in sich hatte. Mit der Begrüßung durch Professor Dr. Katelijne Schiltz vom Institut für Musikwissenschaft wurde auch klar, wie es zu dem musikalischen Ereignis gekommen ist. Als Student bei Professor Dr. …

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Immer wieder Burghausen…

Hier einige fotografische Impressionen von der Jazzwoche Burghausen 2016 mit Richard Galliano, Ron Carter, der WDR Bigband sowie dem Kammerer OrKöster. Die Fotos machte Michael Scheiner. Ein ausführlicher Artikel folgt in der Aprilausgabe der neuen musikzeitung. Weitere Infos zur Jazzwoche Burghausen unter www.b-jazz.com/jazzwoche-burghausen-2016/.

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