Improvisation über Improvisation #10

Jazz ist eine stilvolle Zelebrierung des musikalischen Moments. Am liebsten in Gesellschaft. Um den Moment zu feiern, bedarf es theoretisch nicht viel. Über je mehr Wissen man verfügt, und je direkter man dieses Wissen im Moment abrufen und auf sein Instrument übertragen kann, desto mehr hat man – wiederum theoretisch – in diesem Moment zu sagen. Was man davon dann tatsächlich sagt, ob man überhaupt etwas sagt, hängt von den eigenen Entscheidungen ab. Ist man abwartend oder impulsiv, kontrolliert oder ausgelassen, wortkarg oder redselig, sicher oder unsicher? Möchte man bestimmen oder mitmachen, zustimmen oder widersprechen… ? Und vor allem – ist man an jedem Tag gleich? Stehen nicht jeden Tag wieder andere Charaktereigenschaften im Vordergrund, abhängig davon, wie man sich gerade fühlt, was man erlebt hat, was man sich wünscht? Doch halt – ich sprach eingangs davon, Wissen abrufen zu können. Das klingt nach bewussten Entscheidungen. Der amerikanische Autor Malcolm Gladwell veranschaulicht in seinem Buch „Blink“ eindrucksvoll, wie viel schneller und effektiver wir Entscheidungen treffen, wenn wir unseren Instinkten vertrauen und uns auf unser Un(ter)bewusstsein verlassen. Auf unsere Instinkte können wir uns jedoch dann am …

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Spielstättenprogrammpreis 2014 vergeben

Für ihre herausragenden Livemusikprogramme wurden gestern am 17. September 2014 in Hamburg 31 Clubs und 27 Veranstaltungsreihen aus Deutschland von Kulturstaatsministerin Monika Grütters mit dem Spielstättenprogrammpreis Rock, Pop Jazz 2014 ausgezeichnet. Der bundesweite Preis wurde nach 2013 bereits zum zweiten Mal vergeben. In diesem Jahr gehen an die Spielstätten sowie Veranstalterinnen und Veranstalter insgesamt 900.000 Euro an Preisgeldern. Die Initiative Musik realisiert den Spielstättenprogrammpreis Rock, Pop, Jazz 2014 unter Einbeziehung der Bundeskonferenz Jazz und der LiveMusikKommission, dem Verband der Musikspielstätten in Deutschland e.V.  „Die kleinen und mittleren Livebühnen sind mit ihren ambitionierten und innovativen Programmen abseits des Mainstreams ein wichtiger Bestandteil unserer Kulturlandschaft“, erklärt Staatsministerin Prof. Monika Grütters, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). „Sie bieten Kulturorte mit Atmosphäre, in denen Musikerinnen und Musiker ihr Publikum finden. Aus überzeugter Leidenschaft für die Sache gehen die Betreiberinnen und Betreiber dieser Clubs oft bis an die Grenze zur Selbstausbeutung. Der Spielstättenprogrammpreis Rock, Pop, Jazz soll die Arbeit dieser kulturellen ‚Ermöglicher‘, die oftmals ohne oder nur mit geringer öffentlicher Förderung für hochwertige Kulturerlebnisse sorgen, stärker in das öffentliche Bewusstsein rücken.“  Die besonderen Auszeichnungen für die „Spielstätte …

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Improvisation über Improvisation #5

„A lot of people never use their initiative because no-one told them to.“ (Banksy) Wenn ich dieser Tage meine Facebook-Startseite durchforste, lese ich von stetig wachsendem Unmut gegenüber den menschenverachtenden Auswüchsen des (Spät-)Kapitalismus und der seltsamen Vorstellung von einer „marktkonformen Demokratie“, die unsere Kanzlerin postuliert. Gerne wird dann eine „Revolution“ herbeigewünscht, die eine Änderung der Verhältnisse zum „Besseren“ herbeiführen möge. Die Revolution ist aber doch bereits in vollem Gange. Oder möchte noch irgendjemand behaupten, sein Leben habe sich in den letzten 10-15 Jahren nicht grundlegend verändert? Es geht nur noch um die Frage, wie wir uns zu ihr verhalten – passiv hinnehmend oder aktiv beeinflussend. Dass eine große Revolution aus Hunderten, Tausenden, Millionen individueller Revolutionen bestehen und im Kopf beginnen muss, wissen wir nicht erst seit Gil Scott-Heron. Wenn jeder von uns sein eigenes Denken revolutioniert – und sei es nur ein kleines bisschen – sieht die Welt womöglich schon bald ganz anders aus. Wir wollen uns nicht länger von Großkonzernen die Spielregeln diktieren lassen? Also gut: Warum haben wir dann noch Social Media-Accounts – sind persönliche Gespräche nicht viel wertvoller als virtuelle Chats? Warum …

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Echo Jazz 2014 – fürs Fernsehen verwurstet

Die Verleihung des diesjährigen Echo Jazz fand in der Hamburger Kampnagelfabrik statt – bei 30 Grad draußen und gefühlten 40 drinnen. Wasserflaschen auf dem jedem Sitzplatz ließen die Gäste vom Protest absehen. Die Zahl der Kameras kam der Zahl der Preisträger ziemlich nahe. Man ahnte schon, daß die Fernsehsendung ein paar Tage später die Verleihung in den üblichen Drei-Sekunden-Häppchen abspulen würde. Die Zahl der Kameras war aber sicherlich höher als die Zahl der tatsächlich anwesenden Preisträger. Auf die internationalen Kategorien könnte man getrost verzichten, wenn die ausländischen – namentlich die amerikanischen – Künstler, wie geschehen, durch Abwesenheit glänzen, denn allein unsere eigenen Leute sind einen Echo Jazz wert: Joachim Kühn, Michael Wollny, Heinz Sauer, Dejan Terzic, Arne Jansen, Till Brönner, Max Mutzke usw . Jazz als Fernsehshow – das kann nicht gut gehen. Die Tontechnik versagte an markanten Stellen, der Sound im Saal war grottenschlecht, weil hier anscheinend gespart wurde – der Fernsehzuschauer merkt’s eh nicht. Nicht zu vergessen die Lippenbekenntnisse der einführenden Redner – Kultursenatorin und NDR-Intendant. Da bleibt allein Gorny gut, der auch an dieser Stelle die einmalige Rolle des Jazz für die …

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Jazz Prekär? Zu einer Tagung

Aus der aktuellen Printausgabe der JazzZeitung (auch digital erhältlich unter diesem Link): ein Artikel von Jonas Pirzer (UDJ) – Zur Tagung der Kulturpolitischen Gesellschaft und der Evangelischen Akademie Loccum war die Union Deutscher Jazzmusiker eingeladen, um über Lebens- und Arbeitsbedingungen von Jazzmusikerinnen und Jazzmusiker zu berichten. Das etwas provokante Motto der Tagung lautete: Kreatives Prekariat – Wie lebt es sich von und mit der Kunst. Prekariat, heute Teil des Alltagsvokabulars und so selbstverständlich leicht von den Lippen gehend wie Mittelstandsbauch, Pendlerpauschale oder Krimkrise bietet eine politisch korrekte Begriffsalternative zur hochwertenden „Unterschicht“. Ihm zugerechnet werden Menschen, deren sämtliche Lebensumstände als schlecht bezeichnet werden können; charakterisiert durch Armut, Arbeitslosigkeit, niedriges Bildungsniveau, Krankheit und/oder schlechte Zukunftsaussichten. Was ist also Kreatives Prekariat? Die meisten Künstlerinnen und Künstler sind hochgebildet, hochproduktiv und hochmotiviert! Prekär sind hier in erster Linie die ökonomischen Umstände. Unterdurchschnittliche Vergütung, lockere, Konjunkturschwankungen unterliegende Arbeitsverhältnisse und damit verbundene Unsicherheiten kennzeichnen die soziale Lage im Jazz wie in allen überwiegend freien Künstlerberufen. Feste künstlerische Stellen gibt es nur sehr wenige. Das Berufsbild Jazzmusiker ist heute extrem vielschichtig, die Anforderungen vielfältig. Einkünfte werden in der Regel in vier großen …

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Musikerbiografien als anonyme Hörbücher veröffentlicht

Aus unserer aktuellen Printausgabe, von Marcus A. Woelfle – Ich habe in meiner Laufbahn Vieles erlebt: Mir wurden Texte unterschoben, während meine Passagen in Artikeln anderer auftauchten. Meine Worte wurden von wohlmeinenden, doch kenntnislosen Korrekturlesern verschlimmbessert, sinnentstellend gekürzt und verändert. Einmal wurde sogar ein von mir geschriebenes Buch um ein Drittel gekürzt, obwohl ich es diesmal geschafft hatte, die exakte Zeichenzahl zu liefern. Das Resultat strotzte vor Fehlern, unverständlichen Passagen und wurde um ein unfreiwillig komisches Vorwort „ergänzt“. Mochten mich auch die Änderungen vor Schrecken erbleichen oder vor Scham erröten lassen, die Ehre der Autorschaft ließ man mir, selbst wenn mein Name bisweilen mit „k“ und/oder „ö“ entstellt wurde. Doch der folgende Fall ist einmalig. Eigentlich schreibt man nicht über seine eigenen Werke, jedenfalls nicht ohne triftigen Grund. Bei ohne Autornennung oder unter Pseudonym erschienenen Werken hat die Selbstrezension allerdings eine kuriose Tradition. Sein 1782 anonym erschienenes Schauspiel „Die Räuber“ besprach Friedrich Schiller ebenso anonym, nicht einmal sonderlich wohlwollend. Als im Jahr 1900 „die Steckbriefe erlassen hinter dreißig literarischen Uebelthätern gemeingefährlicher Natur“ unter dem Pseudonym Martin Möbius erschienen, rezensierte sie ihr Autor Otto Julius Bierbaum …

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Beruf: Jazzmusiker (10) – Outro

In den letzten Wochen und Monaten habe ich zahlreiche Facetten meines Berufs beleuchtet, drängende Probleme benannt und nach Lösungen gesucht. Hierbei ging es mir weniger um die Vermittlung szene-internen Detailwissens als um die Einordnung in den gesellschaftlichen Kontext und das aktive Werben für diese großartige und wichtige Kunstform. Ich begreife Jazzmusiker – letztlich Künstler insgesamt – sehr wohl als Teil der Gesellschaft. Sie mögen hin und wieder an deren Rand stehen, um abseits ausgetretener Pfade beobachten, denken und handeln zu können. Dennoch sind und bleiben sie stets integraler Bestandteil jeder denkwilligen Gesellschaft und verdienen als solche nicht nur Duldung und Akzeptanz, sondern eben auch die nötige Unterstützung bei der Schaffung und Erhaltung tragfähiger Strukturen, die sie für die Ausübung ihrer Aufgabe benötigen. Auf Kulturförderung zu verzichten, weil sie sich nicht „rechnet“, ist ein ebenso altes wie grundsätzlich falsches Muster, wie Richard von Weizsäcker mehr als einmal angemahnt hat. In seiner Abschiedsrede heißt es beispielsweise: „Chöre, Orchester und Bühnen, Sammlungen, Ausstellungen und Initiativen aller Art gehören nämlich auch zu den Vorbildern in der Kosten-Nutzen-Relation. Ihre Kosten sind kleiner als fast alle anderen Haushaltstitel, ihre Wirkung aber …

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Beruf: Jazzmusiker (9) – I would work for free, if…

Ich gebe zu – die Idee des freiwilligen, kostenlosen Teilens oder Tauschens von Gütern und Leistungen gefällt mir sehr. Ich bin oft gerührt vor Freude, wenn ich Berichte über öffentliche Gemüsebeete, Tauschhandel oder Recycling-Initiativen sehe. Klitzekleine gallische Dörfer. Winzige Lichtpunkte auf der dunklen Landkarte des wirtschaftlichen Weltimperiums. Daher möchte ich meine Güter und Leistungen gerne unverzüglich kostenlos anbieten – sobald ich es mir leisten kann, das zu tun, ohne dadurch meine Selbstverantwortung zu verletzen und mich in Lebensgefahr zu bringen. Genau genommen also ab dem Moment, in dem ich im Gegenzug kostenfreien Zugang zu folgenden Gütern und Leistungen habe: Sauberes Wasser. Nahrung in ausreichender Menge. Wetterfeste Kleidung und Behausung, letztere gerne mit grundsätzlichen Komforts wie Strom, Heizung, fließend (Warm-)Wasser, einem Bett und ein paar Möbeln. Toilette nach Möglichkeit mit Anschluss ans Abwassernetz. Mobilität auch für Strecken, die nicht fußläufig erreichbar sind. Medizinische Grundversorgung. Gerne ein Telefonanschluss. Kulturelle Veranstaltungen und Erzeugnisse. Dazu natürlich funktionstüchtige Rahmenbedingungen und Infrastruktur zur Ausübung meines Berufs, was für mich als Musiker bedeutet: Ein angemessen gutes Instrument mit sämtlichem notwendigen Zubehör. Ein Proberaum, falls ich in meiner Behausung nicht spielen darf, wegen …

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Beruf: Jazzmusiker (8) – Unterricht und Unterrichtsvergütung

Auch wenn viele (Jazz-)Musiker ihren Lebensunterhalt gerne allein durch das Musikmachen finanzieren können würden, gibt eine große Mehrheit von ihnen zusätzlich Unterricht, um über die Runden zu kommen. Unterrichtet wird in den eigenen Räumlichkeiten, an einer privaten oder städtischen Musikschule oder an einer der derzeit gut 20 deutschen Musikhochschulen. Jede dieser Unterrichtsarten hat ein eigenes Anforderungsprofil mit jeweils eigenen Reizen, Schwerpunkten und Schwierigkeiten. Welchen Umfang dabei die Vermittlung von Improvisation im Allgemeinen und Jazzmusik im Speziellen haben kann, hängt nicht in erster Linie von der Unterrichtsstufe, sondern vom jeweiligen Schüler ab. Die Nachfrage nach Musikschulunterricht und Musik-Studienplätzen in Deutschland ist unverändert hoch. Die Unterrichtsqualität ist in der Regel ebenso hoch und wird durch einen konstanten Zulauf von bestens ausgebildeten Musikern gesichert. Alles bestens also, könnte man denken. Leider jedoch macht sich der vermeintliche Sparzwang in Politik und Gesellschaft auch im Unterrichtsbereich deutlich bemerkbar. Waren noch vor einigen Jahren Festanstellungen mit Vergütung nach Bundes-Angestelltentarif an städtischen Musikschulen keine Seltenheit, fallen inzwischen viele Musikschulen ganz aus dem Geltungsbereich von Tarifverträgen; feste Stellen werden gestrichen und durch Honorarverträge ohne soziale Absicherung und mit dramatisch schlechterer Bezahlung ersetzt. So …

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Beruf: Jazzmusiker (6) – GEMA und GVL

Wie schon in der vorangegangenen Folge meines Blogs geht es auch diesmal um Institutionen, die für uns Musiker von zentraler Wichtigkeit sind: die Gesellschaft für mechanische Aufführungsrechte (GEMA) und die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL). Beide Institutionen übernehmen für uns Aufgaben, die wir als Einzelpersonen niemals bewältigen könnten: Sie treiben in unserem Auftrag Gebühren ein, die anfallen, wenn unsere Werke oder unsere künstlerischen Leistungen öffentlich aufgeführt oder medial genutzt und vervielfältigt werden. Während sich die GEMA dabei um die Belange der Urheber, also der Komponisten und Textdichter sowie deren Verlegern kümmert (Urheberrecht), nimmt die GVL die Rechte von Interpreten und deren Labels wahr (Leistungsschutzrecht). Grundlage für den Interpreten ist im Regelfall ein komponiertes Werk. Dieses (und mit ihm sein Urheber) wird daher auch als erstes geschützt; für jede Werknutzung – wie öffentliche Aufführung, Sendung oder mechanische Vervielfältigung – fallen GEMA-Gebühren an, die dem Urheber zufließen. Erst wenn sogenannte Zweitverwertungen entstehen, sei es durch den Radio-/ Fernsehmitschnitt eines Konzertes oder die Nutzung von Tonträgern im öffentlichen Raum, sind GVL-Gebühren fällig, die dem jeweiligen Interpreten zugute kommen. Da viele Jazzmusiker sowohl Komponisten als auch Interpreten sind, …

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