Improvisation über Improvisation #10

Jazz ist eine stilvolle Zelebrierung des musikalischen Moments. Am liebsten in Gesellschaft. Um den Moment zu feiern, bedarf es theoretisch nicht viel. Über je mehr Wissen man verfügt, und je direkter man dieses Wissen im Moment abrufen und auf sein Instrument übertragen kann, desto mehr hat man – wiederum theoretisch – in diesem Moment zu sagen. Was man davon dann tatsächlich sagt, ob man überhaupt etwas sagt, hängt von den eigenen Entscheidungen ab. Ist man abwartend oder impulsiv, kontrolliert oder ausgelassen, wortkarg oder redselig, sicher oder unsicher? Möchte man bestimmen oder mitmachen, zustimmen oder widersprechen… ? Und vor allem – ist man an jedem Tag gleich? Stehen nicht jeden Tag wieder andere Charaktereigenschaften im Vordergrund, abhängig davon, wie man sich gerade fühlt, was man erlebt hat, was man sich wünscht? Doch halt – ich sprach eingangs davon, Wissen abrufen zu können. Das klingt nach bewussten Entscheidungen. Der amerikanische Autor Malcolm Gladwell veranschaulicht in seinem Buch „Blink“ eindrucksvoll, wie viel schneller und effektiver wir Entscheidungen treffen, wenn wir unseren Instinkten vertrauen und uns auf unser Un(ter)bewusstsein verlassen. Auf unsere Instinkte können wir uns jedoch dann am …

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Atemberaubend spannend – „Beatz“ aus der Remise

Er finde ständig etwas, was noch verbessert werden könne. „Zum Beispiel werden wir bis morgen den Flügel polieren“, verspricht Alfred Vogel mit freimütigem Lachen. Der Percussionist, Produzent und Schlagzeuger aus dem Voralberger Urlaubsort Bezau ist seit sieben Jahren Leiter von „Bezau Beats“. Erstmals fand dieses kleine Festival heuer unter Dach statt, in einer leer geräumten Bahnremise. Als Konzertreihe mit „Musik aus allen Richtungen“ gestartet, saßen die Besucher in diesem Jahr neben historischen Dampfloks, in der umgebauten Halle des Wäldlerbähnles. Eine pittoreske Umgebung mit dem dicken Geruch von Öl, Schmierfett und Ruß. Der Flügel war am nächsten Tag geputzt. Österreichische Verbindlichkeit, die das Wohl des Gastes nicht nur in den exquisiten Hotels am Ort in den Mittelpunkt stellt. Andere Störfaktoren allerdings bekam der einnehmende Festivalpromoter weniger gut in Griff. So setzte Musik vom Datenspeicher ein, kaum dass der Beifall für ein Konzert richtig abgeklungen war. Eine weitverbreitete Unsitte, die den Zuhörenden keinen Raum lässt, das Gehörte nachklingen zu lassen. Auch den Musikern gegenüber liegt darin eine gewisse Herabsetzung, wendet man sich doch sofort einer oberflächlichen Unterhaltung zu, wenn ihr – künstlerischer und kreativer – Beitrag, der …

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Musikerbiografien als anonyme Hörbücher veröffentlicht

Aus unserer aktuellen Printausgabe, von Marcus A. Woelfle – Ich habe in meiner Laufbahn Vieles erlebt: Mir wurden Texte unterschoben, während meine Passagen in Artikeln anderer auftauchten. Meine Worte wurden von wohlmeinenden, doch kenntnislosen Korrekturlesern verschlimmbessert, sinnentstellend gekürzt und verändert. Einmal wurde sogar ein von mir geschriebenes Buch um ein Drittel gekürzt, obwohl ich es diesmal geschafft hatte, die exakte Zeichenzahl zu liefern. Das Resultat strotzte vor Fehlern, unverständlichen Passagen und wurde um ein unfreiwillig komisches Vorwort „ergänzt“. Mochten mich auch die Änderungen vor Schrecken erbleichen oder vor Scham erröten lassen, die Ehre der Autorschaft ließ man mir, selbst wenn mein Name bisweilen mit „k“ und/oder „ö“ entstellt wurde. Doch der folgende Fall ist einmalig. Eigentlich schreibt man nicht über seine eigenen Werke, jedenfalls nicht ohne triftigen Grund. Bei ohne Autornennung oder unter Pseudonym erschienenen Werken hat die Selbstrezension allerdings eine kuriose Tradition. Sein 1782 anonym erschienenes Schauspiel „Die Räuber“ besprach Friedrich Schiller ebenso anonym, nicht einmal sonderlich wohlwollend. Als im Jahr 1900 „die Steckbriefe erlassen hinter dreißig literarischen Uebelthätern gemeingefährlicher Natur“ unter dem Pseudonym Martin Möbius erschienen, rezensierte sie ihr Autor Otto Julius Bierbaum …

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Jazzclub Bamberg e.V. feiert 40-jähriges Bestehen

Von Caro Kirsch – Schon lange lebt der Jazz in Bamberg.  Doch kaum ein  Bewohner wusste in der Nachkriegszeit davon. Die ersten Gehversuche unternahm die Bamberger Jazzszene nämlich auf dem Gelände der US-Kasernen, vor den Toren der Stadt. Hier lernten einige der später wichtigsten bayerischen Musiker den Jazz kennen und lieben. Otto Herzog brachte sich in der Kaserne nach eigener Aussage das Improvisieren bei und auch Tex Döring, Albert Mangelsdorff, Hugo Strasser und Klaus Doldinger traten dort zum ersten Mal mit Jazz vor Publikum auf. Im Jahr 1960 wurden erste Versuche unternommen, den Jazz auch außerhalb des Kasernengeländes erklingen zu lassen. Unter dem Vorsatz, den Begriff des Jazz in der Öffentlichkeit zu klären und alle Jazzinteressierten zusammenzuführen, wurde der erste Jazzclub in Bamberg gegründet. Ein erstes  Konzert  rief ein positives Pressecho hervor. Der Höhepunkt der  Arbeit des ersten Bamberger Jazzclubs war 1961 die Durchführung des 7. Deutschen Amateur-Jazz-Festivals  mit rund 20 Bands. Auf diesen Höhepunkt folgte die Ernüchterung: Der Wirt, der dem Jazzclub seine Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt hatte, war nicht bereit diese, wie von der Stadt gefordert, zu renovieren. Der Jazzclub fand kein neues …

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Weihnachts-CDs Folge 1: Sternkind

Einmal einen Weihnachtshit landen und nie mehr an Geldproblemen leiden: George Michael hat’s vorgemacht, ein Buch von Nick Hornby, das mit Hugh Grant verfilmt wurde (About a Boy) wurde, hat das Phänomen zum Thema, und alle hätten ihn natürlich alle Jahre wieder auch. In loser Reihenfolgen wollen wir bis Weihnachte eine Reihe neuer jazziger Produktionen vorstellen, die das Zeug zum Hit haben – oder auch nicht. Den Anfang macht die schmissig-zarte CD von Sternkind: „Draußen fällt der Schnee. Weihnachtslieder einmal anders“ (Courage Musikverlag, Bestellungen via Website siehe unten!). „Sternkind“, das sind die beiden jungen sympathischen Musikerinnen Rieke Katz (Gesang, Querflöte, Percussion) und Gabi Kohler (Gesang, Klavier, Gitarre, Percussion), unterstützt werden sie von Stephan Gembler (Keyboards), Marco Kühnl am Bass und Björn Glindemann (Drums). Die beiden haben sich während ihres Gesangsstudiums an der Musikhochschule Nürnberg kennengelernt und interpretieren auf ihrer ersten gemeinsamen Produktion sowohl traditionelle deutsche und englischsprachige Klassiker wie „Tochter Zion“, „Stille Nacht“, „Praise Him“, „Oh it’s Christmas“ oder „It’s Christmastime“. Aber auch ein paar nette Eigenkompositionen haben sich eingefunden, leider kann man ohne größere Recherche nur erahnen, was eigen und nicht ist, da ein …

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Bunt und kühl – Big Band Jazz trifft Slam Poetry (CD Release)

Schon die Idee, ein Poetry-Slam-Buch zu veröffentlichen, das mit drei Autoren weder eine klassische Anthologie noch ein Solo-Projekt darstellen würde, war im Frühjahr 2012 visionär. Dass sich drei junge und extrem unterschiedliche Autoren zusammenfinden, um gemeinsam ein Buch zu schreiben, welches nicht als Ulknummer daher kommt, gab es davor nicht. Der Poetry Slammer Sebastian 23 bezeichnete jeden der Texte als eine „Abschussrampe für Gedankenflüge“, ‚bunt und kühl’ wurde zum meist verkauften Poetry-Slam-Buch des Jahres. Beinahe folgerichtig räumten die beteiligten Autoren in der Saison 2012/2013 sämtliche Preise ab. Unter anderem gewann David Friedrich die Hamburger Stadtmeisterschaften, alle Autoren qualifizierten sich für die deutschsprachigen Meisterschaften 2013. Spektakuläre Züge bekam das Projekt allerdings als Christian Sommerer und Thomas Spitzer beschlossen, neun der Texte von Kompositionsstudenten der Kunsthochschule Graz vertonen zu lassen und mit dem Uni Jazz Orchester aufzuführen. Dabei sollten die einzelnen Poetry Slammer wie Solisten behandelt werden.  Den Komponisten ließen sie freien Lauf, insbesondere bei der Verwendung neuer musikalischer Elemente aus den Bereichen Dubstep, HipHop und Swing. Die Süddeutsche Zeitung sprach von einem „Mammutprojekt“, die Premieren-Shows waren ausverkauft. Die Mittelbayerische Zeitung bezeichnete es als eine „gelungene Mischung“, …

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Die Frankfurter Geistmesse

Bei der Heiligen Messe soll ja gelegentlich der Heilige Geist vorbeischauen. Aber nun wurde auch auf der Frankfurter Buchmesse der „Geist“ gesichtet. Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, forderte bei der diesjährigen Messeeröffnung den Erhalt der Buchpreisbindung, weil anderenfalls „die Macht des Geldes über den Geist“ siege. Erstaunlich ist an dieser Formulierung, dass das Medium Buch einfach so mit Geist identifiziert wird, als wäre jeder Buchtitel mindestens Shakespeare oder Kant und das Wort „Geld“ in der Buchbranche unbekannt. Tatsächlich macht der Buchhandel mehr als 30 Prozent seines Umsatzes mit wahnsinnig seriösen „Ratgebern“, weitere 15 Prozent mit enorm geistvollen Kochbüchern. Nur etwa 20 Prozent der Neuheiten fallen ins Gebiet der eigentlichen Literatur, und auch davon noch machen Comics, Geschenkbücher, Thriller und Fantasy-Titel die Hälfte aus. Die rohstoffvernichtende Rundum-Betextungsbranche Belletristik wird derzeit dominiert von solchen Geistesriesen wie Adler-Olsen, Follett, James, Meyer, Paolini, Roche, Rowling. Ich denke, wir sind uns da einig: Diese unglaubliche Ansammlung von Geist rechtfertigt für Bücher jegliche Preisbindung – wie auch bei Tabakwaren, Arzneimitteln und anderen Drogen – sowie natürlich den ermäßigten Mehrwertsteuersatz, wie er auch für lebende Hausschweine und Milchmischgetränke gilt. …

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Die Jutta Hipp-Story, nacherzählt von Dietrich Schlegel

[Dieser Text ist in der Printausgabe 4-13 erschienen.] Am 7. April jährte sich zum zehnten Mal der Todestag der Jazzpianistin Jutta Hipp – Anlass für die Saxophonistin Ilona Haberkamp, „Europe’s first lady of Jazz“ und „first white European woman on Blue Note“ mit einer ungewöhnlichen CD zu würdigen. „Cool is Hipp is Cool“, im Februar aufgenommen, von Laika Records produziert und im Mai veröffentlicht, wurde zu einer gelungenen Hommage an eine singuläre Musikerin und Künstlerin, die in der Geschichte des deutschen und europäischen Jazz der Nachkriegszeit einen wichtigen Platz einnahm, nicht zuletzt als für lange Jahre einzige Instrumentalistin in der Männerwelt des Jazz. Unvergessen sind ihre umjubelten Auftritte auf den Frankfurter Jazz-Festivals von 1953 bis 55. Die junge attraktive Frau, in Leipzig geboren und aufgewachsen, 1946 in den Westen geflüchtet, war ein Star. Auch der einflussreiche amerikanische Jazzkritiker Leonard Feather war von ihr beeindruckt, als er sie bei einem Auftritt mit ihrem Quintett in einem Jazzclub in Duisburg ausfindig gemacht hatte. Er lud sie nach New York ein, wo sie Ende 1955 eintraf, monatelang auf ihre Spielerlaubnis warten musste, aber dann ein von Feather vermitteltes …

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Jazz, Tote und jede Menge Rotwein…

Das neue Frankfurter Ermittler-Duo im hessischen Tatort, Steier und Mey, löst heute abend (20.11.11; 20.15 Uhr, ARD) seinen zweiten Fall. Dabei geht es dank der musikalischen Vorliebe des von Joachim Król gespielten, saufenden Kommissars Steier jazzig zu. „Sex, Suff und pumpende Bläsersätze“ resümiert der SPON-Artikel über den Auftritt des neuen Tatort-Teams. Gehört sich ja auch irgendwie für einen Frankfurter Kommissar. Die Liebe zum Jazz, nicht das Saufen… Infos zur Sendung (Quelle: HR): „Der Tote im Nachtzug“ ist der zweite Tatort-Fall des neuen hr-Kommissarteams Conny Mey und Frank Steier alias Nina Kunzendorf und Joachim Król. Der Hessische Rundfunk (hr) zeigt den TV-Krimi am Sonntag, 20. November, um 20.15 Uhr im Ersten. Lars Kraume schrieb das Drehbuch, das auf einem authentischen Fall aus dem Buch „Auf der Spur des Bösen“ des Kriminalkommissars und Tatort-Analytikers Axel Petermann basiert. Kraume führte – wie schon beim ersten Fall – auch Regie. Zum Inhalt: Conny Mey wird früh morgens – noch in Joggingkleidung – zum Bahnhof beordert. Im Nachtzug aus Warschau wurde eine blutüberströmte Leiche mit Schusswunde gefunden, ein Verdächtiger ist beim Eintreffen der Polizei geflohen. Frank Steier, nach einer Stichverletzung …

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Marsalis im Trend

Moment: Haben wir Wynton Marsalis’ neues Buch richtig verstanden? Da predigt also einer die Vorbild-Tugenden des Jazz: Achtung, Respekt, Vertrauen, Flexibilität, Toleranz, Krisen-Management, Risikobereitschaft. Der Jazz, heißt es da, lehre uns, das Beste aus dem Augenblick zu machen, anderen nicht unseren Willen aufzuzwingen, Gemeinsamkeit vor Egoismus zu stellen. Brav! So ähnlich wie bei Marsalis tönt es heute bei vielen Lobbyisten ganz verschiedener Couleur. Zum Beispiel bei den Management-Trainern, weshalb die sich ja die kollektive Improvisationsbereitschaft des Jazz inzwischen gerne zum Modell nehmen. Aber im Ernst: Wer glaubt denn wirklich, dass es im Firmen-Management tolerant, respektvoll und unegoistisch zugeht? In jeder Führungsriege finden bekanntlich Machtkämpfe statt, gefährden Intrigen den gemeinsamen Erfolg, wird mit dem eigenen Prestige gewuchert. Kenner der Materie sehen dort statt Vertrauen und Respekt vielmehr „maßloses Geltungsbedürfnis, nervenaufreibendes Statusgerangel und ‚politisches’ Positionen-Geschacher“. Die Münchner Management-Consulterin Anne M. Schüller schreibt: „ Leider werden auch heute noch in vielen Unternehmen Haudegen bevorzugt. Dort wird Durchsetzungskraft in ihrer negativen Ausprägung gefördert und gelebt. Erst kürzlich hat eine Online-Studie der australischen Bond University gezeigt: Je fieser der Vorgesetzte, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass er Karriere macht.“ Im Jazz …

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