Gestatten, Österreichischer Jazzpreis!

Nach 15 Jahren hat der stark vermisste Hans-Koller-Preis einen Nachfolger gefunden. Der erste Verleihungsabend des „Österreichischen Jazzpreises“ mitsamt Preisträgerkonzert im Wiener „Porgy & Bess“ erweist sich als angenehmes Kontrastprogramm etwa zum Deutschen Jazzpreis. Die späten 2000er-Jahre waren desaströs für den Österreichischen Jazz. 2008 ging der von der Jazz-Legende Joe Zawinul eröffnete Wiener Club „Birdland“ – ein Jahr nach Zawinuls Tod – in Konkurs und musste für immer schließen. 2009 und 2010 gingen mit dem Hans-Koller-Preis und dem Vienna Art Orchestra zwei Leuchttürme des österreichischen Jazz krachend hopps. Das Ende beider eng mit dem Namen Matthias Ruegg verbundenen Institutionen war mit dem Sponsoren-Ausstieg der Bank Austria im Zuge der Finanz- und Bankenkrise besiegelt. Denn weder Staat, Bundesland oder Stadt sahen die Notwendigkeit, für diese Motoren der Kulturlandschaft einspringen. Klassik-Hörigkeit, Ahnungslosigkeit und Ignoranz gingen in Sachen Jazz wieder einmal Hand in Hand. Leider kein auf Österreich beschränktes Phänomen. Vitale Szene, unbepreist Ganz klein zu kriegen war der österreichische Jazz aber natürlich nicht. Starke Jahrgänge von den Hochschulen befeuerten (wie in vielen deutschen Universitätsstätten auch) eine vitale junge Szene, die auch eine einigermaßen vielfältige Club-Struktur vorfand. Trotzdem wuchs …

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Live in der BMW Welt: Martina Schlagintweit und Susi Lotter mit ihren neuen Bands

Susi Lotter feat. AlKEN und Marina Schlagintweit Large Ensemble im Doppelkonzert am 14. Dezember 2024 in der BMW Welt München Der Jazz kehrt in den Doppelkegel der BMW Welt zurück: Die diesjährigen BMW Young Artist Jazz Award Preisträgerinnen Susi Lotter und Marina Schlagintweit geben am 14. Dezember, 19:00, ein einmaliges Doppelkonzert. Neun Solisten – ein Ensemble Die Pianistin und Komponistin Marina Schlagintweit wird mit ihrem Marina Schlagintweit Large Ensemble auftreten, einem neunköpfigen Klangkörper, der über den Tellerrand hinausdenkt. Schlagintweits Band verbindet Neue Musik mit klassischen und jazzigen Elementen. Der Experimentierfreude der Künstlerin sind dabei keine Grenzen gesetzt: Ihre Werke erklingen in allen Nuancen, mal akustisch, mal elektronisch – und stets originell. Gegründet hat sie das Ensemble eigens aufgrund der Auszeichnung und mit Hilfe des Preisgelds des BMW Young Artist Jazz Awards. Besetzung: Marina Schlagintweit Large Ensemble Trompete: Matthias Lindermayr / Bassklarinette: Jakob Lakner / Geige: Felix Weber / Bass: Paulo Wünsch / Schlagzeug: Max Stadtfeld / Flöte: Nancy Meier / Posaune: Georg Demel / Electronics: Linus Haagen / Klavier, Komposition: Marina Schlagintweit All about Susi Lotter Susi Lotter wird den Abend mit ihrem in München …

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Konzert-Tipps: Hürth und Oberthulba – Caspar van Meel und Kirk Smith & Tracey Duncans

+++ Caspar van Meel in Hürth +++ Der Jazzclub Hürth hat am 1. Dezember 2024 ein besonderes Event in seinem gemütlichen Jazzkeller zu bieten. „Wir freuen uns, dass es uns gelungen ist, wieder Kultur auf hohem Niveau in Hürth zu bieten“, freut sich Günter Reiners auf den Konzertabend. Auf seinem zweiten Album als Bandleader präsentiert uns der Bassist Caspar van Meel seine persönliche Interpretation der Musik des impressionistischen Komponisten Erik Satie. Das Album vereint ein internationales Sextett mit drei Bläsern und einer Rhythmusgruppe, die van Meels raffinierte, originelle Arrangements mit Energie und intuitivem Zusammenspiel interpretieren. Einfach und romantisch Van Meel konzentriert sich auf die Gnossiennes – eine Reihe von Werken für Klavier, vom Satie Ende des 19. Jahrhunderts geschrieben. Die Melodien und Harmonien in diesen Werken sind täuschend einfach und fast romantisch. Sie klammern sich an die klassische Tradition, brechen aber bereits durch die Verwendung innovativer Skalen aus. „Obwohl viele Jazzmusiker von impressionistischen Komponisten wie Satie beeinflusst wurden, werden die Skalen, die Satie verwendet hat, immer noch nicht häufig eingesetzt“, sagt van Meel. Auf diesem Album macht van Meel Saties harmonische Innovationen deutlich und führt …

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Passionsspiele in Bayreuth: Jazz und Sauerkraut?

(Text und Fotos: Robert Fischer) Irgendjemand sollte mal eine Geschichte all der freien Veranstaltungen und Initiativen schreiben, die sich mit bewunderungswürdigem Engagement einer gemeinsamen Passion widmen: dem Jazz in all seinen Spielformen und Varianten. In Bayreuth zum Beispiel gibt es das Jazzforum, einen eingetragenen Verein mit rund 220 Mitgliedern, der das ganze Jahr über 15 bis 20 Clubkonzerte und zwei Festivals organisiert – das PijaZZo (Pianojazz im Palais) um Pfingsten herum und den Bayreuther Jazz-November. Letzterer fand in diesem Jahr bereits zum 17. Mal statt, vom 7. bis zum 10. November im Saal des Becher Bräus, der ältesten Brauereigaststätte der Stadt. Die Wahl dieses urigen Orts als Hauptbühne der Veranstaltungsreihe soll übrigens dem einen oder anderen Vereinsmitglied zunächst ein Runzeln auf die Stirn gezaubert haben, verbunden mit der Frage: Jazz und Sauerkraut – kann das gut gehen? Fränkische Spezialitäten Es kann, auch wenn in diesem Jahr gar kein Sauer-, dafür Blaukraut als Beilage zu fränkischen Spezialitäten auf der Speisekarte des Restaurants stand. Souverän programmiert und  charmant moderiert wurde das längst bis weit über die Stadt hinaus bekannte Festival auch in diesem Jahr wieder von Kaspar Schlösser, …

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Jan Garbarek Group bei den Ingolstädter Jazztagen

(Von Thomas J. Krebs) Die Ingolstädter Jazztage sind eine über die Jahre gewachsene, feste Institution und nicht zuletzt das musikalische Aushängeschild der Stadt. Seit 41 Jahren findet dieses vielseitige und abwechslungsreiche Jazzfest mit nationalen Acts, Geheimtipps, Newcomern, vor allem aber auch den großen Namen des Jazz statt. Nachdem der bisherige künstlerische Leiter Jan Rottau nach 27 Jahren mit der 40. Ausgabe der Ingolstädter Jazztage verabschiedet wurde, folgt auf ihn, prominent besetzt, der Schlagzeuger Wolfgang Haffner. Ihm wurde für die kommenden beiden Jahre die Leitung des Festivals übertragen. Viel Veränderung gibt es bisher – zum Glück – nicht. Der Ingolstädter Jazzförderpreis, die Veranstaltungen Jazz in der Kirche, Jazz in den Kneipen, Jazzgottesdienst, Förderpreis des bayerischen Jazz Verbands, Jazz for Kids oder die Jazzparty sind weiterhin gesetzt. In diesen Zeiten keine Selbstverständlichkeit, wenn alles auf den Prüfstand kommt und überdacht wird. Die Ingolstädter Jazztage lassen die Herzen der Jazzfans auch dieses Jahr wieder höher schlagen. Langjährige Weggefährten Jan Garbarek macht sich zum Glück nur mit seinen Veröffentlichungen auf Tonträgern rar. Seine letztes offizielles Album unter eigenem Namen bei ECM war die 2007 aufgenommene und 2009 erschienene Live …

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Zeiten und Welten verbinden mit Tönen: Das Jazzfest Berlin feierte 60-jähriges Bestehen

Auch so kann man feiern: Hochklassige Konzerte und Jazzprojekte mit Kindern schauten nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft. Ein „Research Lab“ arbeitete die Geschichte wissenschaftlich auf. Und die Töne wetterleuchteten in allen Farben. „Still Digging“ hieß das Motto beim Jazzfest Berlin 2024, ergänzt durch die Formel „Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft“. Der Schluss-Akkord hätte bunter und selbstironischer nicht sein können. Die 16-köpfige „Special Big Band“ des japanischen E-Gitarristen Otomo Yoshihide ließ den 60er-Jahre-Ohrwurm „Say a little prayer“ (Burt Bacharach) in fröhlicher Bläserwucht und Rhythmus-Power überschäumen. Und setzte dann auch noch mit tanzenden Sängerinnen einen extra langgezogenen japanischen Schlager hinterher, der wie Fernost-Karaoke zu Live-Jazz klang. Eine Paradiesvogel-Schlussfete von schräger Munterkeit, die für Momente aber auch zu tiefgründigem Ernst fähig war: und das auf der großen Bühne im Haus der Berliner Festspiele. Dort und an anderen Spielorten feierte das Jazzfest Berlin vier Tage lang sechzigsten Geburtstag – denn seit 1964 gibt es dieses bedeutendste Jazzfestival Deutschlands, das einst unter dem Namen „Berliner Jazztage“ gegründet worden war (da die erste Ausgabe mitgezählt werden muss, war das jetzt das 61. Jazzfest, aber eben 60 …

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Sven Faller und August Zirner und ihr Mingus-Album

(Von Michael Scheiner) Eine Zigarre zwischen den Lippen, den Blick am Bass vorbei zur Seite geneigt: Charles Mingus war kein besonders angenehmer Zeitgenosse. Davon zeugen ausgeschlagene Zähne bei einem Mitmusiker, Publikumsbeschimpfungen (noch vor Peter Handke), Clubbesitzer die sich weigerten ihn einzuladen und häufige Besetzungswechsel in seinen Bands. Duke Ellington legte dem in Watts/Los Angeles aufgewachsenen Bassisten nach einem Streit mit Juan Tizol nahe zu kündigen, „weil er einen ganzen Sack voll neuer Macken“ mitgebracht zu haben schien. Transatlantische Jazzgeschichten Diesem Nörgler und Choleriker haben Sven Faller und August Zirner ein ganzes Album gewidmet, das Mitte November bei GLM Music erscheint – „Mingus“. Denn auf der anderen, der künstlerisch-kreativen Seite, war der „Zuhälter und Feingeist“, wie er im Beiblatt beschrieben wird, ein genialer Komponist und überragender Instrumentalist. Viele seiner Kompositionen werden bis heute gespielt. Es gibt Bands, die ganze Programme mit Stücken von ihm bestreiten oder sich danach benannten. Mingus gehört mit seinem einzigartigen Stil aus Gospel, Bebop, Blues und klassischen Formen unzweifelhaft zu den herausragenden und einflussreichsten Figuren des modernen Jazz im 20. Jahrhundert. Kreativität ist es, das Komplizierte einfach zu machen Zirner und Faller …

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Vor einem lila angestrahlten Vorhang musizieren die drei Musiker:innen. Sie schauen sich nicht an, haben die Augen geschlossen, sehen aber aus, als seien sie in einem gemeinsamen Element.

Bayerisches Feeling – schläfriger Blues: Berliner Insomnia Brass Band mischt Regensburger Jazzclub auf

Regensburg. Als „kleinste Big Band der Welt“ bezeichnete sich einst das Duo des bei München lebenden britischen Schlagzeugers Pete York mit Keyboarder Eddie Hardin von der Spencer Davis Group. Analog dazu wäre eine Markierung für die Berliner Insomnia Brass Band als „kleinste Brass Band der Welt“ durchaus angemessen, gäbe es im Jazz nicht die eine oder andere ähnlich besetzte Formation. Dennoch – Baritonsaxofon, Posaune und Schlagzeug, das ist schon eine seltene Mischung. von Michael Scheiner Zwei Tieftöner, die sich in jedem größeren Ensemble prächtig ausnehmen würden, und ein strahlender Schlagzeuger, der die musikalische Erzählung auf der Bühne des Leeren Beutel mal subtil klangmalerisch unterstützt, mal mit einem Sambatakt zusammenhält. Der Clou bei ihrem Auftritt in Regensburg: wenige Tage zuvor war eine ähnliche Besetzung zu hören. Auch wenn Posaunist Ray Anderson und Saxofonist Michael Moore vom Joe Hertenstein Trio in einer anderen Liga spielen und aus einer musikalisch anderen Ecke kommen als die europäisch geprägten Berliner, kann man die Bläsergruppen durchaus miteinander vergleichen. Unverständnis, Ablehnung und surrealer Schabernack Und dabei schneiden die in Norddeutschland aufgewachsenen Musiker*innen keineswegs schlecht ab. „Die können ohne weiteres mit den Amerikanern …

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Pat Metheny Solo in der Isarphilharmonie

(Von Thomas J. Krebs) Pat Metheny und seine Gitarren … im Laufe der Zeit sind da so Einige zusammen gekommen. Viele davon hat er selbst entwickelt – immer wieder tauchte auf der Bühne ein neues Instrument auf. Am Ende waren es über zehn Girarren, die von ihm vorgestellt und gespielt wurden. Was Metheny nach wie vor auszeichnet ist seine klangtechnische Neugier, egal ob auf einer Bariton- oder der speziellen Pikassogitarre, die an dem Abend natürlich auch nicht fehlen durfte. Stets ist er dabei Neuland auf seinen Instrumenten auszuloten, egal ob im Tourbus, Hotelzimmer oder den Konzertsälen. Aus seinem bewegten Leben Nach nunmehr 53 Alben stellte Metheny in der Isarphilharmonie seine aktuellen Veröffentlichungen „Dream Box“ & „Moon Dial“ vor. Soloalben gibt es bereits mehrere von ihm, aber Pat Metheny solo live, das ist tatsächlich ein Novum! Mit seinen mittlerweile 70 Jahren tourt er zum ersten Mal ohne weitere Musiker durch die Lande, stellt eine ganz persönliche Auswahl an Stücken vor und begleitet sich dabei mal per Looper oder mit dem ebenfalls von ihm erfundenen und konstruierten Orchestrion. Metheny erzählt aus seinem bewegten Leben, gibt Einblicke in …

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Cimbiosis Trio und Ligeti Ensemble mit „Responses to Ligeti“

(Von Mathias Bäumel) Das Budapester Musikzentrum mit dem dazugehörigen CD-Label BMC Records nahm den 100. Geburtstag György Ligetis zum Anlass, ein in dieser Art wohl einmaliges Klangwerk entstehen zu lassen, das mit zwei Kammermusik-Gruppierungen – dem Ligeti Ensemble und dem Miklós Lukács Cimbiosis Trio – beim „Ligeti 100 Festival“ im Mai 2023 aufgeführt und dann aufgenommen wurde. Im Zentrum dieser Musik stehen Ligetis „Zehn Stücke für Bläserquintett“, aber ganz wesentlich sind die markanten Motivelemente und bizarren Klangschreie, die das Lukács Cimbiosis Trio, gewissermaßen als „Antworten“, in die Abfolge der Ligeti-Stücke hineingibt. Lukács tritt mit seinen Mitspielern – Abschnitt für Abschnitt – in Dialog zur Ligeti-Musik, indem sein Trio mit kleinen, offenbar wie improvisiert wirkenden Präludien und Postludien die Einzelstücke Ligetis dialogisch, miteinander verschränkend, verbindet. Auf diese Weise würde, so eine Formulierung auf dem CD-Cover, die „dünne Linie zwischen zeitgenössischer Musik und Jazz verschwimmen“. Das Analysieren und Erkennen des Aufbaus dieser (und weiterer) Musik ist das Eine, die emotionale Wirkung, die sie auf den Hörer auslöst, ist das Andere, das dabei jedoch im Vordergrund steht. Das Bläserquintett Ligetis lotet die Möglichkeiten seiner Instrumente aus. Dazu und …

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