Neues vom Pablo Held Trio: CD Lineage

Das Kölner Pablo Held Trio demonstriert seit vielen Jahren, wie eine organische Band-Chemie verlässlich nach innen und außen wirkt – wo sich andere gerne auch mal in zu viel Kurzlebigkeit verzetteln. Vor zehn Jahren traten der Pianist Pablo Held, Bassist Robert Landfermann sowie der Schlagzeuger Jonas Burgwinkel als Newcomer beim Westfalen-Jazzpreis ins Rampenlicht. Mittlerweile sind die drei zwar in vielen Projekten sehr gefragt, aber bleiben im Kern nach wie vor ureigenen Trio treu, mit dem sie auch gerade international auf Tour gehen. Auf der aktuellen Pirouet-CD präsentiert sich ein entsprechend unterschütterlicher hoher Standard, der sich in jedem Moment selbst genug ist – nicht mehr und nicht weniger. Die Vorgängerplatte kam mit ihren Klassik-Bezügen betont balladesk und verinnerlicht daher – das aktuelle Werk sprüht umso mehr vor quirliger Lebendigkeit. Pablo Helds Klavierspiel hat an erzählerischer Eloquenz und über den Dingen schwebender, dezenter Führungskraft noch zugelegt. Es herrscht ein Klima gegenseitigen Vertrauens – bei einer tatsächlich schwindelerregenden Dichte an musikalischen Ideen. Sie sind genauso subtil wie das ganze komplexe Geflecht drumherum, nämlich all die Abspaltungen, metrischen Unregelmäßigenkeiten  und irritierenden harmonischen Farbenspiele. So kann es nur dieses Trio, …

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My Moments – Barbara Dennerlein mit neuem Album

Barbara Dennerlein ist unbestritten die Königin der Hammondorgel und prägt national wie international seit über 30 Jahren das Bild dieses Genres. Mit ihrer neuen Veröffentlichung „My Moments“ präsentiert sie einen Mitmitschnitt aus einem Doppelkonzert, aufgenommen vor gut zwei Jahren im Konzertsaal der renommierten Musikhochschule im nordschwedischen Piteå. Das Besondere daran ist, dass Barbara Dennerlein hier Solo zu hören ist und zwar live an ihrem „Stamminstrument“ der Hammondorgel und im Anschluss auf einer Pfeifenorgel. Auf einer Hammond C3, ausgestattet mit ihrem MIDI Pedal, swingt sie in gewohnter Weise hochinspiriert. Die vorliegende Aufnahme spiegelt gleichzeitig die einzigartige Atmosphäre des Konzertsaales „Studio Acusticum“ wieder, in der sich eine Woehl Orgel befindet, die ihresgleichen sucht. Mit 9000 Pfeifen und 203 Registern zählt das Instrument zu den größten Orgeln weltweit und bietet Barbara Dennerlein zugleich Herausforderung und Freiheit alles das zu spielen, was das Instrument hergibt. Eindrucksvoll stellt sie hier unter Beweis, wie man Manuale, Register und Fußpedale einer klassischen Orgel beherrscht und ihr spielerisch abwechslungsreiche wie spannende Klänge entlockt. Solo Konzerte sind für Organisten (egal ob an der Hammond oder einer klassischen Orgel) immer eine besondere Herausforderung, da sie …

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Klangschöne Friedensreferenz und nachtdunkle Intensität – aktuelle CD von Carlo Mombelli

Auf dem Rücken einer nachtblauen Katze schläft ein grün-gelber Mann. Er trägt eine Augenlarve und ist mit einer blauen Decke bedeckt. Das surreale Bild des südafrikanischen Künstlers Norman Catherine bezieht sich auf den Titelsong von Carlo Mombellis neuem Album  „I Press My Spine to the Ground“. Gleichzeitig korrespondiert es auf geheimnisvolle Weise mit der dunklen, stark vom Sound geprägten Musik des Bassisten. Orakelhaft lenkt Glockengeläut in der einleitenden Kollektivimprovisation (Bells of Gitschenen) die Ohren auf einen Klangpfad voller Uneindeutigkeit und tastend-versponnener Voodoo-Sinnlichkeit. Almvieh-Abtrieb im Gebirge? Der Ruf zum Gebet? Oder Warnung vor der abgründigen Intensität kreativer Freigeisterei? Es bleibt offen, auch wenn der Dreiklang am Schluss des Sechs-Minuten-Stücks zum titelgebenden, nachdenklichen Song überleitet. Brenda Sisane steuert darin als Gastmusikerin ein stark spirituell gefärbtes, poetisches Spoken-Word-Stück bei. Auch wenn musikalisch scheinbar wenig passiert, das Quartett mit Mombellis langjährigen Partnern Kyle Shepherd (piano), Kesivan Naidoo (drums) und Mabuso Khoza (voice) verhalten, fast somnambul kurze Klangeruptionen, melancholisch-verträumte melodische Schnipsel und afrikanische Erhabenheit erzeugt, gelingt mit dem Wenigen ein kaum fassbare Intensität und emotionale Dichte. Hymnische Kraft und dunkel leuchtendes Pathos gipfeln in „Picasso´s Dove“, eine musikalische Referenz an …

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Tobias Wember & Subway Jazz Orchestra mit neuer CD „State of Mind“

Tobias Wember spielt die Posaune im Subway Jazz Orchestra und leitet auch dieses noch junge 18köpfige Kölner Musikerkollektiv. Schon nach relativ kurzer Zeit markiert ein zweites Album den guten Fortgang der eingeschlagenen Richtung. Der augenblickliche „State of Mind“ – so der Titel dieses neuen Albums, ist auf jeden Fall ein sehr ausgeschlafener. Eine ganze, zusammenhängende Suite will das Wechselspiel eigener Bewusstseinszustände ihres Schöpfers abbilden – die Stücke wurden im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks aufgenommen, ebenso machte das Subway Jazz Orchester damit bei vielen  Auftritten etwa in Moers und beim WDR-Jazzpreis eine hervorragende Figur. Tobias Wembers Arrangierkunst lässt es trotz sprühender Spielfreude aller Akteure nie an aufgeräumter Struktur und Klarheit mangeln. Spürbar ist: Möglichst oft live spielen ist Arbeitsgrundlage. Also treibt es zupackend temperamentvoll nach vor, und der ganze melodische Reichtum der Kompositionen blüht farbenreich auf. Klug sind die Kontraste dosiert, die das Durchhören in einem Zug geradezu zwingend machen: Sehr melodisch, gerade hymnisch geht es los, später treiben schroffere, dissonantere Parts die Dynamik auf Siedepunkt – bevor es später wieder lyrischer wird und schließlich mit einer Art Choralmelodie in die Zielgerade kommt. Tobias Wember kann auf …

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+++News+++Charles Gayle Trio in der Manufaktur+++Jaffrika – Der Bayreuther Jazz-November

Charles Gayle Trio in der Manufaktur Schorndorf Am 21.10.16 um 20:30 gibt das Charles Gayle Trio ein Konzert in der Manufaktur Schorndorf. Für den einstigen Straßenkünstler Charles Gayle währte der von permanenter sozialer Not geprägte Zustand fast ein halbes Leben. Geboren 1939 in Buffalo im US-Bundesstaat New York, bekommt Gayle als Kind zunächst Klavierunterricht. Das Saxophonspiel bringt er sich später selbst bei. Ab Ende der 1950er-Jahre tritt er regelmäßig in seiner Heimatstadt auf. Bei gelegentlichen Aufenthalten in New York City kommt es zu Begegnungen mit Archie Shepp, Pharoah Sanders und Anderen. Sein Spiel verändert sich, wird radikaler, unerbittlicher. Ekstatisch, frei und kompromisslos, geschult an Albert Ayler und der Gospeltradition, bläst er sich in New York, wohin er Anfang der 1970er-Jahre endgültig übergesiedelt ist, die Seele aus dem Leib. Beständig in finanziellen Schwierigkeiten, ist er rund 15 Jahre obdachlos. Eine spürbare Wendung trat ein, als in den 1980er-Jahren der deutsche Bassist Peter Kowald (1944–2002) auf Gayle aufmerksam wurde und gemeinsame Auftritte in den USA und Europa organisiert. Aber es sollte noch bis 1992 dauern, dass es tatsächlich zu so etwas wie einem Durchbruch kam: Mit Hilfe …

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+++News+++Reiner Michalke verlässt Moers+++Jazzarchiv Eisenach will wachsen+++

+++ Reiner Michalke bleibt künstlerischer Leiter des renommierten Moers-Festivals – so hieß es noch am 18. Juni 2016 auf www.nmz.de. Das war einmal. Seit 25. August steht definitiv fest: Das traditionsreiche Jazz-Festival am Niederrhein braucht nun doch eine neue künstlerische Leitung. Nach monatelangem Hickhack um die Finanzen löste der langjährige Leiter Reiner Michalke seinen Vertrag vier Jahre vor Laufzeitende vorzeitig auf. Michalke hatte das Avantgarde-Festival elf Jahre geleitet. Obwohl das Festival wegen der schwierigen Finanzsituation fast abgesagt worden war, hatte es 2016 über Pfingsten mit 12.000 Zuschauern mehr Besucher angelockt als vergangenes Jahr. Die Stadt hatte bereits zugesagt, unter Auflagen für die erwarteten Verluste 2015 und 2016 in Höhe von 420 000 Euro aufzukommen, doch laut eines Gutachtens zur Bewertung der Festivalhalle hätte sich ein neues Finanzloch in Höhe von 750.000 Euro ergeben können, was zu erneuten Differenzen zwischen Michalke und dem neuen Geschäftsführer der städtischen Moers Kultur GmbH, Dirk Hohensträter, führte. In welcher Weise die Vorgänge in der Kultur GmbH die wichtigen Geldgeber Land und Bund beeinflussen, ist nach außen unklar. Der Aufsichtsrat und die Kultur GmbH Moers wollen sich laut Hohensträter noch im …

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Jazzfest München 2016 mit großen Formationen

Das 27. Jazzfest München wird von 20. Bis 23. Oktober zentral in Münchens legendärem Kulturtempel, dem Gasteig, stattfinden. In der BLACK BOX + CARL ORFF SAAL kann man dieses Jahr große Formationen hören, wie sie unterschiedlicher kaum sein können. Bands die ihre Klänge aus völlig unterschiedlichen Quellen speisen und doch alle in der Tradition der großen Jazzorchester und Big Bands liegen. Joe Haider weiß mit seinem Jazz-Orchester und dem Kaleidoskop String Quartet exemplarisch davon zu berichten. Jiggs Whigham ist der Solist des U.M.P.A. Jazz Orchestra. Beim 16-köpfigen Verworner-Krause-Kammerorchester (VKKO) von Christopher Verworner und Claas Krause treffen symphonische Weite auf resolute, elektronische Rhythmen. Urban-melancholische Songs mit filmmusikalischen Harmonien wechseln sich mit modernistischen Klangflächen ab. Doch die Moderne allein macht noch kein Münchner Jazzfest: Pit Müller`s „Hot Stuff“ bietet jazz a la carte – Mainstream im Swingstil. Pianist Klaus Raible soliert virtuos mit Bob-Klassikern. Majid Bekka und Biboul Darouiche mit seiner großen Formation sorgen für gnaoua blues, afro beat & tribal jazz. Mit neun Konzerten zeigt das Jazzfest was in München und weltweit gerade en vogue im Sektor des Jazz ist BLACK BOX + CARL ORFF SAAL …

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Toots Thielemans. Foto: German Jazz Trophy

Vom Hot Club de France in die Sesamstraße – ein Nachruf auf Toots Thielemans

In Brüssel, wo Jean Thielemans am 29. April 1922 geboren wurde, spielte er als Kind zunächst Akkordeon im Café seiner Eltern. In den Jahren 1943 und 44 wechselte er zur Gitarre und spielte die Musik der Platten von Django Reinhardt und Stephane Grappelli nach. Doch sein Lieblingsinstrument blieb sein „Toy“, das Spielzeug: die Mundharmonika. Jetzt starb Thielemans am 22. August im Alter von 94 Jahren in Brüssel. Aus diesem Anlass publiziert www.jazzzeitung.de die Laudatio, die Andreas Kolb anlässlich der Verleihung der German Jazz Trophy an Thielemans im Jahr 2004 verfasst hat. Laudatio zur German Jazz Trophy 2004 Von Andreas Kolb Lieber Toots Thielemans, sehr verehrte Damen und Herren, als ich bei der Vorbereitung dieser kleinen Rede mit Toots Thielemans einen Termin für ein Telefoninterview verabreden wollte, stellte sich heraus, dass es gar nicht so einfach ist, ihn ans Telefon zu kriegen. Denn Toots Thielemans ist ständig auf Reisen: im Oktober zum Beispiel zwischen Stuttgart, Baden-Baden, New York und Seoul. Pro Jahr kommen so etwa 250 Konzerte zusammen – eine beachtliche Zahl. Die German Jazz Trophy, die dieses Jahr zum vierten Mal vergeben wird, erhält Toots …

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Michel Portal mit neuer CD: Radar – Live at Theater Gütersloh

Von Stefan Pieper – Das Theater Gütersloh bietet als moderne Spielstätte auch für Jazz optimale Bedingungen – mittlerweile gehört der im Jahr 2010 fertiggestellte Bau zu den „Lieblingslocations“ des WDR für das Aufnehmen hochkarätiger Konzerte. Der jüngste Wurf der CD-Edition „European Jazz Legends“ legt die Messlatte noch einmal weiter nach oben: Michel Portal und Richie Beirach für eine Konzertaufnahme im Frühjahr 2016 zum ersten Mal aufeinander – hinzu kam die WDR-Bigband als in jeder Hinsicht flexibler Klangkörper. Über drei lange Stücke, die zusammen eine Suite namens „Esquisse“ bilden, gehört die Bühne allein dem französischen, aus dem Baskenland stammenden Reeds-Spieler und dem heute in Deutschland lebenden US-Pianisten. Man fühlt sich vom ersten Ton an erhoben auf ein erhabenes Plateau von musikalischer Reife! Da lebt traumwandlerisch ausgeschlafene Kommunikation zwischen zwei Spielern, die sich nichts mehr zu beweisen, aber dafür umso mehr zu sagen zu haben. Geschichten erzählen, Traumsequenzen abbilden und sich im angeregten Dialog reiben und messen– darum geht es. Die drei Stücke transportieren jeweils andere Grundstimmungen bzw. haben jeweils eine ganz spezifische „Erzählstruktur“. Im ersten Teil geht es betont rezitativisch zur Sache. Wenn Portal dann im …

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Internationales Flair im Bayerischen Hof

Am 22.9.16 startet die Herbst-Saison im Bayerischen Hof mit einem vielfältigen, internationalen Programm. Die Serie „New York im Bayerischen Hof“ lockt wie Größen wie Abdulah Ibrahim, Bê Ignacio, Ron Carter Golden Striker Trio, der Dino Saluzzi Group, Cosmo Klein and the Phunkguerilla, Omer Avital, Icognito und das Fred Wesley Trio bis zum 6.12.16 in den Nightclub des Luxushotels. Abdulah Ibrahim – 22.9.16 Das erste Konzert wird vom Pianisten Abdulah Ibrahim im Bayerischen Hof gestaltet. Ibrahim ist ein Künstler, dessen Musik aus der Tradition seiner südafrikanischen Heimat, aber ebenso aus einer tief empfundenen Spiritualität sowie der japanischen Kultur gespeist ist. In Kapstadt geboren und aufgewachsen, später wegen des Apartheidsystems ins Exil geflohen, wurde Abdullah Ibrahim in den 60er Jahren von Duke Ellington entdeckt und gefördert. In der Folge profilierte er sich als herausragender Pianist, Bandleader, Komponist und Improvisator weltweit. In der afrikanischen Heimat wurde er zudem zur Symbolfigur der Befreiungsbewegung – an der Seite seines Freundes Nelson Mandela. Mit allen Größen wie Duke Ellington, John Coltrane, Ornette Coleman, Hugh Masekela, Miriam Makeba, Pharoah Sanders, Cecil Taylor, Don Cherry, hat Abdullah Ibrahim zusammengearbeitet und ist vom Bebop …

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