„Wilden Saiten“ täte Auffrischung gut: Cordes Sauvages‘ Tribute für Django Reinhardt

Regensburg. Die „wilden Saiten“, als Cordes Sauvages seit langem ein fester Begriff der hiesigen Musikszene, sind in letzter Zeit schwer gebeutelt worden. Vor über zwei Jahren ist ihr musikalischer Mastermind, der Gitarrist, Arrangeur und Komponist Helmut Nieberle, mit gerade mal 63 Jahren verstorben. Beim diesjährigen Palazzo-Auftritt fehlte unerwartet Gitarrist Ferry Baierl, seit Jahrzehnten die unerschütterliche Rhythmusstütze der Band. Festivalimpresario Alex Bolland wies in seiner Anmoderation darauf hin, dass Baierl einen Herzinfarkt erlitten habe, auf dem Weg der Besserung sei und im Konzert durch den jungen Nieberle-Schüler Patrick Schichtl ersetzt würde.   Mit neuen Köpfen Der Neuzugang fügte sich in dieser Rolle, als steter Rhythmusgeber, mit Gespür und Passion wunderbar ein und ließ in einigen kurzen Soli durchblicken, dass von ihm noch weit mehr zu erwarten ist. Seit jeher hat sich Cordes Sauvages vorrangig der Musik Django Reinhardts, des Swing und Bebop verschrieben und widmete dem Franzosen und dem Bebop-Pionier Charlie Parker mit dem Tribute-Konzert in lauschiger Arkadenhof-Atmosphäre auch den Abend. Als Gast stellte Klarinettist Stefan Holstein, der seit vielen Jahren zusammen mit Schlagzeuger Michael Scotty Gottwald und Bassist Wolfgang Kriener das swingende Klangbild des Ensembles …

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Gypsy-Klassiker und Manouche-Feeling im Regensburger Leeren Beutel

Gelegentlich erlebe er es heute noch, erzählt Pianist Jermaine Landsberger nach seinem Konzert im Jazzclub Leerer Beutel, dass Besucher begeistert klatschen, ihn außerhalb des Clubs aber keines Blickes mehr würdigen. Der in der Oberpfalz aufgewachsene Musiker ist ein Sinto und hat als Schulkind einiges an Diskriminierung und Herabwürdigung bis hin zu Schlägen erleben müssen. Die Entschuldigung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gegenüber den Sinti und Roma für die anhaltende Stigmatisierung im Nachkriegsdeutschland hat bei Landsberger eine Fülle von Erinnerungen ausgelöst. Zuvörderst die an seine Groß- und Urgroßeltern, die mit einem großen Teil der Familien in Konzentrationslagern der Nationalsozialisten ermordet worden sind. Einem Großvater gelang zweimal die Flucht aus einem Todeslager. Ihm verdankt er sein Dasein als untypischer Musiker. Untypisch deshalb, weil sich Landsberger im Unterschied zu vielen Kollegen und Musikerinnen wie Dotschy Reinhardt immer mit dem Modernjazz identifiziert und keine Gypsy- oder Swingmusik gemacht hat. Dennoch hat er auch die Verbindung zu anderen Sintimusikern wie den Gitarristen Bireli Lagrene gesucht, mit dem „ich 1995 oder `96 einen meiner ersten Auftritte hier beim Jazzclub gespielt habe“, erzählt Landsberger mit spürbarer Begeisterung. Bereits damals war der Münchner Schlagzeuger …

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Mit Loops und Grooves zum Bassolymp

Adam Ben Ezra  im Jazzclub Leerer Beutel in Regensburg In der Geschichte des Jazz gibt es eine ganze Reihe von Bassspielern, die die Grenzen ihres Instrumentes erweitert und neu definiert haben. Charles Mingus, Scott LaFaro und Oscar Pettiford, OP genannt, zählen ganz sicher dazu, der jung verstorbene E-Bassist Jaco Pastorius, der große Ray Brown und der Stuttgarter Eberhard Weber. Er hat als einer der ersten mit elektronischen Klangvervielfältigern bei seinen Solokonzerten gearbeitet. Eine Bassistin findet sich bislang nicht darunter, auch wenn die Professorin Esperanza Spalding eine Top-Anwärterin dafür wäre. Ob auch der aus Tel Aviv stammende Musiker Adam Ben Ezra, der neben Kontrabass auch Klavier, Keyboard und Querflöte spielt, zu diesem illustren Kreis gezählt werden kann, wird sich in späteren Jahren herausstellen. Konzertveranstalter, die es bereits jetzt in ihren Ankündigungen heraus posaunen, tun es vielleicht etwas übereilt. Das hat Ben Ezras allerdings durchaus gefeierter Auftritt beim Jazzclub im Leeren Beutel gezeigt. Was den 39-Jährigen tatsächlich gegenüber vielen seiner Kollegen auszeichnet, ist ein signifikanter und musikalisch geschickter Einsatz von Loops und weiteren elektronischen Effekten. Diese fügt er mit seinem hervorragenden akustischen Spiel, Gesang und perkussiven Elementen …

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Zwei, die sich inspirieren: Siyou’n’Hell

Zwischen funky Grooves, afrikanischen Traditionals und Songs von existentieller Tragweite bewegte sich das Duo Siyou’n’Hell kürzlich im Jazzclub Leer Beutel in Regensburg.  Kein Konzert, welches aktuell stattfindet, geht ohne wenigstens einen kleinen seelischen Striptease über die Bühne des Leeren Beutels. „Nach so vielen Wochen, Monaten der Abstinenz ist es etwas ganz Besonderes“, wandte sich Sängerin Siyou Isabelle Ngnoubamdjum ans Publikum, „hier zu sein.“ Es sei für sie ungewohnt und gleichzeitig sehr vertraut – letzteres hörte man dem Spiel, der Musik des Duo Siyou’n’Hell auch an. Vom ersten zarten Ton an, in den nach einigen Takten Hellmut Hattler auf seinem E-Bass einstimmt, ist diese starke künstlerisch-emotionale Verbundenheit zwischen den beiden spürbar. „Motherless Child“, ein Spiritual mit dem der afroamerikanische Folksänger Ritchie Havens beim legendären Woodstock-Festival bekannt wurde, machte den Auftakt zu einem Abend mit stürmischen Grooves und ebenso ruhigen, innigen Momenten. Überraschungen hielten die beiden Musiker manchmal eher untereinander parat, wenn Hattler seine Duopartnerin unerwartet Haken auf dem Bass schlug und sie daraufhin in herzhaftes Lachen verfiel. Der Spaß und die Freude vor realen und nicht nur zahlenmäßigen Zuhörern bei einem Online-Konzert zu spielen übertrug sich …

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Zwei furiose Geister im Gleichklang

Regensburg. „Furios, es war einfach furios!“ Es ist eine Mischung aus Staunen, Begeisterung und Ehrfurcht, die sich im Gesicht der Jazzclub-Besucherin widerspiegelt. „Ich konnte nur noch ihre Hände anschauen“, stimmt die Begleiterin in das Lob über das Konzert der Berliner Pianistin Aki Takase mit dem Saxofonisten Daniel Erdmann ein. Nach einer längeren Konzertpause, zog das ungewöhnliche Duo musikbegeisterte Zuhörer geradezu magisch an. Die wenigen Plätze für eine unsinnige 25-prozentige Auslastung des Konzertraums im Leeren Beutel waren schnell ausverkauft. Ungewöhnlich ist nicht nur die Besetzung der beiden Musiker, sie gehören auch zwei verschiedenen Generationen an. Die in Japan geborene virtuose Pianistin, die ihre ersten Auftritte im Jazzclub des Bestsellerautors Haruki Murakamis hatte, ist mit dem Modern Jazz groß geworden. In den 1980er Jahren kam sie nach Europa und tauchte mit ihrem Mann, dem Pianisten und Gründer des Globe Unity Orchestra Alexander von Schlippenbach, verstärkt in die Improvisation und freiere Spielweisen ein. Dabei entwickelte sie über Projekte, in denen sie sich intensiv mit der Jazzgeschichte von Duke Ellington bis Ornette Coleman auseinandersetzte, einen energiegeladenen eigenen Stil mit insistierendem Akkordspiel und hartem Anschlag. Beide haben im vergangenen Herbst …

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Traumzitate fließen in Musik – die Schweizer Sängerin, Vokalkünstlerin und Stimmcoach Saadet Türköz

Zürich. Sie sieht sie „eigentlich nicht als typische Musikerin“. „Ich kenne keine Noten“, erklärt Saadet Türköz und will das auch nicht als Koketterie verstanden wissen. „Ich bin keine Volkssängerin, keine Jazzsängerin“, formuliert die 60-jährige Züricherin, die seit rund drei Jahrzehnten als Sängerin, Vokalkünstlerin und Improvisationsmusikerin tätig ist. Seit Anfang der 1990er Jahre hat sie mit zahlreichen Musikerinnen und Künstlerinnen zusammengearbeitet, darunter Elliott Sharp, Nils Wogram, Hans Hassler, Fritz Hauser, Lionel Friedli, Julian Sartorius und Koch-Schütz-Studer aka Hans Koch, Martin Schütz und Fredy Studer, Paul Lovens, Bertl Mütter und andere. In den Bereichen Video, Theater, Film, Tanz und Literatur arbeitete sie unter anderem mit Pipilotti Rist, Sven Holm und Nikola Weisse. Aufzählungen, die sich scheinbar beliebig verlängern lassen und doch nur schlaglichtartig das vielfältige Schaffen Türköz‘ beleuchten. Das hat mit ihrer eigenständigen künstlerischen Persönlichkeit, aber auch den Genres zu tun, in welchen die Schweizerin aktiv ist. Es ermöglicht ihr mit südafrikanischen Musikern wie ZIM Ngqawana ebenso intensiv zu interagieren, wie mit der Wuppertaler Geigerin Gunda Gottschalk oder traditionellen kasachischen Musikern. Im Bereich freier, improvisierter Musik kommt es häufig zur Zusammenarbeit von Künstlern,  die dann oft nur …

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Tobias Meinhart und seine Band im Regensburger Jazzclub Leerer Beutel

Einhellig begrüßten Vorstandsmitglied beim Jazzclub Alfred Merkel, die Musiker um Tobias Meinhart und das Publikum mit lautem Beifall das erste Konzert ohne die Pflicht zum Tragen einer Maske. „Endlich schaue ich wieder in Gesichter“, freute sich Merkel bei der Begrüßung und Meinhart gestand, dass „wir glücklich sind nach langer Zeit vor so vielen Leuten spielen und euch sehen zu können!“ Im voll besetzten Leeren Beutel genossen die 3G-Besucher aber nicht nur ihre neu gewonnene Gesichtsfreiheit. Vom ruhigen Beginn an wurde der gebürtige Regensburger, der mit seiner Band das neue Album „The Painter“ – der Maler – vorstellte, nachdrücklich gefeiert. Quer durch alle Altersgruppen waren die Menschen spürbar dankbar, die Begegnung mit anderen während eines lang erwarteten Konzertes in vollen Zügen genießen zu können. Das musikalische Futter lieferten die vier Musiker mit einer Energie, Spielfreude und einem Feuerwerk an Ideen, die die Aufmerksamkeit bis zur letzten Sekunde fesselten. Das gilt sicher auch für die zwei älteren Frauen, die der Veranstaltung schon zur Pause den Rücken kehrten. Im Brustton der Überzeugung meinte eine zu ihrer Begleiterin: „Geh, so schlecht san`s doch garnet!“ Bereits beim ersten Stück „Lunapark“, …

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Samaia, ein interkulturelles Musik-Tanz-Projekt erlebte Premiere in Georgien

„Three Minutes To Earth“ hieß 2014 der georgische Beitrag zum ESC, dem Eurovision Song Contest. Es war ein untypischer, ziemlich schräger Song mit ethnisch angehauchtem Jazzrock, mehrstimmigem Gesang und afrikanischer Rhythmik – der es prompt nicht uns Finale schaffte. Geschrieben wurde der komplexe Dreiminüter von  dem georgischen Komponisten, Arrangeur und Gitarristen Zaza Miminoshvili, präsentiert von The Shin und Mariko Ebralidze, einer in Georgien sehr bekannten Sängerin. Dass der in Stuttgart lebende Georgier den Auftrag für den ESC-Beitrag erhielt, hat mit seiner tiefen Verbundenheit zur georgischen Kultur und Musik zu tun. Diese kommt auch in der Musik von „The Shin“ zum Ausdruck, einem Ethnojazz-Ensemble das Miminoshvili Ende der 1990er Jahre zusammen mit Zurab Gagnidze gegründet hat. In der Begegnung des musischen Georgien mit der Musik verschiedener Länder und Kulturen hat es seine Bestimmung gefunden hat. Kaukasische Begegnung – Mugham trifft auf Schuhplattler Heuer im Sommer ist Miminoshvili erneut mit einem spektakulären Projekt in Georgien unterwegs gewesen. Der Stuttgarter hat es gemeinsam mit Manfred Bründl, Bassist und Professor an der Musikhochschule Franz List in Weimar, auf die Beine gestellt. Samaia nennt sich dieses einzigartige deutsch-georgische Musik-Tanz-Projekt. Im …

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Facetten eines ausgewanderten Oberpfälzers – David Plates neues Album

Die vermaledeite Zeit der Lockdowns hat auch der Kölner Gitarrist mit Oberpfälzer Wurzeln David Plate genutzt und Musik für ein neues Album geschrieben. Modern Jazz und Fusion, Funk und sogar Flamenco, sowie Rockmusik in mehr oder weniger deutlichen Dosen sind die stilistischen Säulen von „Bull’s Eye“. Eingespielt in einer Septettbesetzung mit drei Bläsern, klingt das Album wie im suiteartig angelegten „Caraway Seed“ manchmal wie kleine Bigband, einem Format für welches Plate tatsächlich öfter Arrangements schreibt. Erschienen ist es, wie auch Plates Solo- und andere Alben, auf dem künstlereigenen Label mit dem wunderbaren Namen Coffee Break Records. Komplexe Strukturen Die Kompositionen vereinen komplexe Strukturen mit eingängigen Themen. Die Musik ist groovy, dabei durchaus von einer sinnlichen Eleganz und reich an Nuancen und Klangfarben. Und sie kann auch mitreißen, wenn etwa in „Chasing“ über einem markanten Groove, den Alex Morsey mit seinem E-Bass vorantreibt, Plate und Hubert Winter auf dem Sopransaxofon mit schwindelerregenden Soli ihre DNA in den Song einschreiben.   Poetisch-zauberhaft Nach diesem funky Feuerwerk vollführen Stimmung und musikalische Form in „Kokopelli“ eine radikale Wendung hin zu einer poetisch-zauberhaften Stimmung, in die man von einem klassisch …

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Wenn Kaa auf der Duduk gleitet – Hörbuch mit Musik von Martin Auer

Grimmig widersetzt sich Mutter Wolf dem Herr des Dschungels, Shir-Khan: „Das Menschenjungen gehört uns. Es bleibt hier!“ Verärgert wendet sich der hungrige Tiger, nachdem er seine Chancen auf einen Kampf abgewogen hat, und zieht davon. Begleitet vom Geheul des Wolfsrudels und drohendem Geklöppel auf dem Marimbafon, welches sich im Zusammenspiel mit Blech- und Holzbläsern, Perkussion und Streichern zu einem majestätisch-stolzem Orchesterklang entwickelt. (Beitragsbild Martin Auer von Michael Scheiner) Klassiker im Kinderzimmer Martin Auer, Trompeter und vielbeschäftigter Arrangeur, hat im Auftrag der Deutschen Oper Berlin die Musik für eine musikalisches Erzählkonzert geschrieben, dessen Thema in fast jeder Familie präsent ist. Die Story um das Findelkind Mowgli, das von Wölfen aufgezogen wird, gehört zu den Klassikern in Kinderzimmern. Meist in der fröhlich-bunten  Fassung des gleichnamigen Disney-Animationsfilms von 1967. Für das Liveprojekt mit der Bigband der Deutschen Oper ist die Abenteuergeschichte von Rudyard Kipling von Rüdiger Ruppert bearbeitet worden. Verknüpft mit der Musik von Auer ist eine spannende, reduzierte Fassung des Originaltextes entstanden. Gesprochen mit der unverwechselbaren Stimme von „The Voice“ Christian Brückner kann diese regelrecht Gänsehaut erzeugen und so tief hineinziehen, dass eine ganze schaurig-schöne Welt entsteht. …

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