Klangmagier vor Kugel und Drumset: Klangkünstler Oliver Steidle und Ignaz Schick im Regensburger Ostentor-Kino

Bayern ist ein exzellenter Nährboden für Kabarettisten, ihnen geht der Stoff für ihre Kunst hier nie aus. Das weiß man seit langem. Weniger bekannt ist, dass es immer wieder auch hervorragende Klangkünstler hervorbringt, die gegen den Mainstream schwimmen und scheinbar alle irgendwann in Berlin landen. Neben den Teichmännern mit denen sie bekannt sind, zählen zu denen auch der Turntablist und Saxofonist Ignaz Schick und Drummer Oliver Steidle. Der eine aus Trostberg in Oberbayern, der andere ein echter Franke aus Nürnberg.

Vom Echoglucksen eines U-Boots über fiese Pfeiftöne bis zu abgefahrenem Industrialsound scratchen, spielen und improvisieren sie sich als „Ilog“ seit elf Jahren durch die unerschöpfliche Welt elektronischer und akustischer Klänge und Geräusche.  Auf Einladung der Künstlerin, Autorin und Musikerin Flake reiste das Duo auf abenteuerlichem Deutsche-Bahn-Weg für ein Konzert im Ostentor-Kino an. Es war eines von zwei Avant-Nächten, berichtete die Veranstalterin aufgeregt und voller Enthusiasmus, die durch eine städtische Förderung zum Jahresthema Katzenjammer ermöglicht worden sind. Das nächste findet mit DJ Illvibe und Kofie da Vibe am 9. Oktober ebenfalls im Kino statt.

Knattern, Heulen, Pfeifen

„Sollen wir ein oder zwei Sets spielen“, wollte Steidle vorab von seinen Zuhörenden wissen. Das Gelächter auslösende „Drei!“ ließ er dann doch nicht einfach stehen. „Wenn`s flutscht, spielen wir einfach durch¡, Schlug er vor, „und wenn uns nichts mehr einfällt, machen wir Pause und fangen nochmal an.“ Trotz eines üppigen Laufs an Einfällen, der das Publikum im etwa zur Hälfte besetzten Kinosaal über vierzig Minuten unter Strom setzte, liessen sich die Ex-Bayern nicht lange für ein weiteres Set bitten.

Schlagzeuger Steidle hatte ein Teil seines Drumsets mit dem Laptop verkabelt, um über Felle und Pads elektronische Sounds mit seinem akustischen Spiel zu mischen. Auf einen Groove, der auf Füsse und Köpfe zielte, um darin einzustimmen, wartete man vergebens. Allenfalls war gelegentlich ein Puls zu erahnen oder spürbar, der für einen Moment an vertraute rhythmische Motive anknüpfte. Steidle versprühte Energie in seinem dichten, dynamisch expressiven Spiel, das er in Interaktion mit Schicks Soundkosmos beschleunigte, abrupt unterbrach oder verlangsamte.

Aus dessen Mikrofonen und von seinen Turntables knatterte, heulte, pfiff und dröhnte es, als würden defekte Küchenmaschinen mit riesigen Baustellen und durchdrehenden Filmgeräuschen in Dauerkonkurrenz stehen. Dazwischen boten Schnipsel von den Vinylscheiben auf den beiden Plattentellern Sprachfetzen, kurze Basslinien oder ein abgerissenes Pianomotiv. Es ist ein schier endloses Klang- und Soundkonvolut, das der Klangtüftler wie ein Magier vor seiner Kugel aus jaulenden Plattenrillen und dem magischen Pult herauspult.

Im zweiten Set liessen die beiden frei drehenden Soundspezialisten etwas mehr Raum für ruhigere Momente und gingen flexibler mit der auf hohem Level angesiedelten Dynamik um. Das hätte man sich manchmal auch im ersten Set gewünscht, das kaum einen Spielraum zum Verschnaufen und Nachfühlen liess. Die etwas einfallslosen Visuals auf der Kinoleinwand mit Ameisengegriesel lange vergangener nächtlicher TV-Zeiten beschworen das musikalisch keineswegs hörbare Ende – der täglichen – Kommunikation mit dem Publikum. Das reagierte auf „Ilog“ mit lauten Beifallsrufen und Begeisterung.

Text & Fotos: Michael Scheiner

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