Regensburg. Als „kleinste Big Band der Welt“ bezeichnete sich einst das Duo des bei München lebenden britischen Schlagzeugers Pete York mit Keyboarder Eddie Hardin von der Spencer Davis Group. Analog dazu wäre eine Markierung für die Berliner Insomnia Brass Band als „kleinste Brass Band der Welt“ durchaus angemessen, gäbe es im Jazz nicht die eine oder andere ähnlich besetzte Formation. Dennoch – Baritonsaxofon, Posaune und Schlagzeug, das ist schon eine seltene Mischung.
von Michael Scheiner
Zwei Tieftöner, die sich in jedem größeren Ensemble prächtig ausnehmen würden, und ein strahlender Schlagzeuger, der die musikalische Erzählung auf der Bühne des Leeren Beutel mal subtil klangmalerisch unterstützt, mal mit einem Sambatakt zusammenhält. Der Clou bei ihrem Auftritt in Regensburg: wenige Tage zuvor war eine ähnliche Besetzung zu hören. Auch wenn Posaunist Ray Anderson und Saxofonist Michael Moore vom Joe Hertenstein Trio in einer anderen Liga spielen und aus einer musikalisch anderen Ecke kommen als die europäisch geprägten Berliner, kann man die Bläsergruppen durchaus miteinander vergleichen.
Unverständnis, Ablehnung und surrealer Schabernack
Und dabei schneiden die in Norddeutschland aufgewachsenen Musiker*innen keineswegs schlecht ab. „Die können ohne weiteres mit den Amerikanern mithalten“, zeigte sich ein Zuhörer, der beiden Konzerte besuchte, hocherfreut über die Baritonsaxofonistin Almut Schlichtung, Anke Lucks an der Posaune und Christian Marien am Schlagzeug. Passenderweise setzte das Trio mit den „Spuren des Sommers“ (Traces of Summer) ein, wobei die Posaunistin die fanfarenartige Leadstimme übernahm.
Die wechselte in „Radio Amalfi“ zu Schlichtung, die ihr geharnischtes Solo mit Überblastechnik bis in die Zone des heiseren Kreischens trieb. Warum gerade die Komposition über die pittoresk gelegene italienische Kleinstadt wie ein schuldbeladener Sünder daherstolpert, erschließt sich nicht ganz. Vermutlich ist es dem skurrilen Witz und offenen wie versteckten Humor geschuldet, mit dem die Mini-Brass-Band musikalisch spielerisch auftrumpft. Dieser zeigte sich auch in der Moderation bei Schlichtung. Wie in einer Fortsetzungsgeschichte erzählte die Saxofonistin, von der die meisten Kompositionen stammen, von der angeblichen Herkunft der Bandmitglieder aus einer Kleinstadt, wo sie mit ihrer Art sich musikalisch auszudrücken nur auf Unverständnis und Ablehnung stoßen.
Von heiter bis quirlig über Punk zu Poesie
Der surreale Schabernack, der die drei umtreibt, drückt sich auch im Titel des neuen Albums aus, mit dem die Band auf Tour durch Deutschland und Österreich ist. „Crooked Alligator“, das bucklige Krokodil also, schnappt auf dem Cover nach einem Tiefseefisch, wobei ihm auch noch eine Musikkassette in den langen Zähnen hängt. Mit „Little People“, Kleinen Leuten, hat das Raubtier nicht viel am Hut. Die tanzen ihm nämlich – zumindest musikalisch – mit heiterem Groove, den der quirlige Schlagzeuger, unterstützt vom repetitiven Motiv Lucks’, auf der Nase herum. Wenn Marien auf den Rändern seiner Toms und einem reichlich zerfressenen Becken klackert und zischt, können schon auch mal wie im „Sunday Song“ Assoziationen an die Neue Deutsche Welle aufploppen.
Stilistisch macht das höchst vergnügliche und enorm vielgestaltige Trio vor keinem Genre Halt, nutzt raue Sounds und freie Improvisationen ebenso, wie punkige Attacken und latinartige Grooves. Rotzig-freche Loudness wird manchmal in einem Stück abgelöst von stimmungsvolle Eindrücken oder poetisch leisen Tönen, die einfach verfliegen.
Dabei zeigen sich die beiden Bläserinnen als eingespieltes Team, das sich gegenseitig die Bälle zuspielt und lustvoll die Freiräume für Improvisationen auskostet. Bestens unterstützt vom Schlagzeuger, der mit einem langsamen Walzerrhythmus auch mal bayerisches Feeling anklingen lässt, bevor er wieder in einen schläfrigen Blues zurückfällt.