Regensburg. Beim letzten der vier Serenadenkonzerte für heuer war alles ein wenig anders. „Wir wollten mal eine andere Klangfarbe reinbringen“, erläuterte Andreas Meixner, der zusammen mit Professor Stefan Baier die künstlerische Leitung der Veranstaltungsreihe in der Minoritenkirche innehat. Mit dem Posaunisten Nils Wogram und seinem jüngsten Bandprojekt Muse ist das dem Impresario-Duo auch in jeder Hinsicht voll gelungen.
Neue Wege
Wogram, der bereits mit verschiedenen Projekten und Gruppen nebenan beim Jazzclub im Leeren Beutel gastierte, hat mit dem kammermusikalischen Ensemble völlig neue Wege eingeschlagen. Bereits die Besetzung mit Harfe, gespielt von Kathrin Pechlof, Viola, Gerdur Gunnarsdottir, und Altsaxofon, Christian Weidner, ist untypisch für den Jazz und fremdelt andererseits erheblich mit klassischen Gewohnheiten. Spielen im Sitzen wiederum passt zu den Klassikern, irritiert aber leidenschaftliche Jazzhörer. Die hält es oft selbst kaum auf den Stühlen, wenn die geballte Energie eines treibenden Grooves durch Mark und Bein geht.
Nichts davon in der Musik von Wogram. Als Komponist hat er für diese spezielle, mutmaßlich einmalige Besetzung im zeitgenössischen Jazzgeschehen, eine ruhige Musik voller Klangschattierungen und subtiler Färbungen geschrieben. Auf der gedämpften Posaune durchbricht er selbst die erwartungsvolle Stille im Kirchenschiff, in dem er fast zärtlich verhalten mit einem Riff einsetzt, zu dem sich nach einigen Takten die Harfe als begleitende Stimme gesellt.
Sinnlich-dunkel
Die sinnlich-dunkle Stimmung durchbricht Weidner mit einer hellen Melodielinie, die den Raum erfüllt und aufleuchten lässt. Der Altsaxofonist ist, ebenso wie die fantastische isländische Violaspielerin erst wenige Tage zuvor zur Band gestossen. Die beiden haben Hayden Chisholm (as) und Gareth Lubbe (viola, v) ersetzt, die für diesen Auftritt verhindert waren. Nach nur zwei Proben waren sie mit den Stücken des gleichnamigen Albums und den beiden anderen Musiker so vertraut, dass ihr gemeinsames Konzert wie aus einem Guss geklungen hat. Auch auf den langen Nachhall des hohen Kirchenraums hatten sie sich beim nachmittäglichen Soundcheck bestens eingestellt und spielten, bis auf die Harfenistin, unverstärkt mit verhaltener Dynamik.
Lediglich die Ansagen des Bandleaders über Mikrofon wanderten derart im Raum hin und her, dass einige Zuhörer nach der Pause darum baten, Wogram möge doch bitte langsamer sprechen. Das gelang nur bedingt. Bestens gelang ihm dagegen das Spiel mit Zirkularatmung und mehrstimmiges Singen und Pfeifen mit Obertönen. Einige seiner Stücke, bei denen er diese Multiphonics genannte Technik einsetzte, bekamen dadurch eine inniglich magische Stimmung.
Leise Grundstimmung
Die überwiegend leise Grundstimmung von Wograms sinnlicher, klangintensiver Musik wurde nur gelegentlich durch kurze Improvisationen aufgebrochen. Dabei übertönte Weidner mit seinem an die Ästhetik des norwegischen Saxofonisten Jan Gabarek erinnernden Spiel locker die von außen eindringenden Straßengeräusche. Duette in unterschiedlichen Kombinationen liessen immer wieder neue Farben und unerwartete Klangstimmungen entstehen, mehrstimmige Tuttipassagen waren eher selten, boten aber dann einen Eindruck wie gut die vier aufeinander hören und harmonieren. Nach bildhaften Kompositionen wie „Hope and Fear“, „Chillin with J“ oder „Hart to like him“ schlug das Quartett mit einer Zugabe von Gabriel Fauré eine Brücke zur klassischen Musik. Großartig – die Fortsetzung folgt hoffentlich kommendes Jahr.
Fotos: Michael Scheiner