Was gibt es Neues beim Südtirol Jazzfestival Alto Adige? – Gespräch mit Stefan Festini Cucco

(Von Stefan Pieper) Auch das Südtirol Jazzfestival Alto Adige will sein Bestes geben, damit Bozen und die ganze Region ihrem neuen Status als UNESCO Creative City of Music Ehre macht. Ein Gespräch mit Stefan Festini Cucco, der zusammen mit Max von Pretz und Roberto Tubaro seit letztem Jahr das künstlerische Leitungsteam des Festivals bildet. Los geht es am 28. Juni. Über eine Woche lang verwandeln 56 Konzerte an zahllosen Locations die Dolomitenregion in eine farbenreiche Bühne der aktuellen Musik.

Bislang war ja eher noch Winter in den Alpen und einige Passstraßen werden gerade erst von den Schneemassen freigeräumt. Wie sieht es aktuell in Bozen aus?

Es war bis vor kurzem noch recht kühl und es regnete viel, auf den Bergen gibt es immer noch relativ viel Schnee für die Jahreszeit. Heute ist es zum ersten Mal richtig warm geworden und nächste Woche sollen wir sogar die 35 Grad erreichen.

Das klingt nach tollen Bedingungen für den Festivalstart am 28. Juni. Was gibt es Neues in diesem Jahr?

Eine spannende Neuheit ist die Location für die Eröffnung. Während der Kapuzinerpark weiterhin das Festivalzentrum mit den meisten Konzerten sein wird, haben wir für die Eröffnung einen ganz neuen Ort gewählt – ein brachliegendes Industrieareal in der Bozener Industriezone, das aber relativ zentrumsnah liegt. Meines Wissens hat dort bisher noch nie ein Konzert stattgefunden, also ist es wirklich eine brandneue Location. Die Akustik ist zwar eine Herausforderung, aber wir sind gespannt, wie es wird. Den Eröffnungsabend bestreitet die Band Humre, das heißt „Human Magnetic Reception Ensemble”. Der aus Bozen stammende Schlagzeuger Francesco Cigana hat im Auftrag des Südtirol Jazzfestivals den Eröffnungsabend zusammengestellt. Danach bespielt Maria Faust mit ihrem Projekt „Mass of Mary“ die große Halle, das Einflüsse aus der geistlichen Musik des Mittelalters mit Jazz, zeitgenössischer Musik und estnischem Folk verbinden wird. Anschließend übernimmt die Band Hippo den elektronischen Teil des Abends, der bis 6 Uhr morgens geht.

Letztes Jahr habt ihr auch zum ersten Mal Techno beim Festival gemacht. Wie wurde das angenommen?

Letztes Jahr war die Resonanz gut was Produktion, Line-up und Organisation angeht, die Publikumszahlen hätten etwas höher sein können. Die Veranstaltung hat relativ weit vom Stadtkern entfernt stattgefunden und war das erste Mal, dass wir eine Elektro-Veranstaltung organisiert haben. Dieses Jahr hoffen wir auf eine bessere Resonanz, auch wegen der neuen Location und der Dauer bis 6 Uhr morgens, was für Bozen eher ungewöhnlich ist. Wir arbeiten dabei mit dem Hospiz-Festival zusammen, das sich auf elektronische Musik spezialisiert hat.

Auf welche anderen Konzerte freust du dich ganz besonders?

Zum Beispiel auf das Konzert von Skylla, der Band von Ruth Goller. Skylla tritt dieses Jahr in einer erweiterten Besetzung mit Max Andrzejweski am Schlagzeug auf. Dieses Latenight-Konzert findet diesmal in der Messe Bozen statt – einem großen Raum, den wir noch entsprechend präparieren werden. Es ist das einzige Nachtkonzert, das nicht im Batzen-Sudwerk stattfindet. Wir haben in diesem Jahr auch neue Locations wie den Stadtplatz in Sterzing, die Terrasse des Universitätscampus in Brixen oder das Rittner Horn, die vielleicht spannende neue Akzente setzen werden.

Ich freue mich, dass mit der Band Malstrom auch ein Trio aus meiner Region Nordrhein-Westfalen nach Bozen eingeladen wurde. Wie seid ihr auf Florian Walter, Jo Beyer und Alex Zajic aufmerksam geworden?

Malstrom wurde von Max und Roberto vorgeschlagen, sie hatten die Band auf einem anderen Festival gesehen. Die beiden bringen regelmäßig Vorschläge ein, die wir uns dann gemeinsam anhören und entscheiden, ob sie ins Programm passen. Es ist ein intensiver Auswahlprozess, da wir jedes Jahr aus einer Vielzahl von Bewerbungen und Vorschlägen wählen, aber auch selbst viel recherchieren. Es freut mich zu hören, dass du die Band kennst und schätzt.

Wie viele Besucher kommen eigentlich aus den Nachbarländern zum Festival angereist?

Es ist schwer, genaue Zahlen zu nennen. Wir haben viele Besucher sowohl aus Nachbarländern als auch von weiter her, die zum Festival kommen. Manche kombinieren es mit anderen Aktivitäten. Letztes Jahr waren zum Beispiel zwei Israelis da, die das Festival mit Bergsteigen verbunden haben. Wir führen dieses Jahr eine Studie mit einer Hochschule durch, um mehr über unser Publikum und über die Wahrnehmung des Festivals zu erfahren. Das Publikum kann sich schon mal darauf gefasst machen, dass Studierende auf den Konzerten Fragebögen verteilen.

Wie siehst du das Verhältnis zwischen dem Festival und dem Tourismus in Südtirol? Es gibt ja mittlerweile schon das Problem eines gewissen Over-Tourism in der Region, vor allem zur Ferienzeit.

An einigen Orten Südtirols ist das der Fall, in Bozen selbst ist es nicht ganz so schlimm, aber auch wir merken hier die Auswirkungen des zunehmenden Tourismus und bei so manchem Stadtbewohner sinkt die Akzeptanz, vor allem für Tagestouristen, die in Scharen in die Stadt strömen. Ein Festival wie unseres hat vielleicht das Potenzial, eine andere Form von Tourismus zu fördern – einen vielleicht etwas sanfteren, der kulturellen Input mit touristischem Erlebnis verbindet und bei dem die Touristen länger bleiben und sich anders bewegen. Unser Anliegen ist es, sowohl lokales als auch internationales Publikum anzusprechen und eine ausgewogene Mischung zu erreichen. Deswegen sind wir gespannt auf die Ergebnisse der Studie, die wir dieses Jahr durchführen, um besser zu verstehen, wie unser Publikum zusammengesetzt ist.

Was gibt es sonst noch für interessante kulturpolitische Hintergründe für das Festival und Eure Arbeit?

Die Stadt Bozen wurde letztes Jahr zur UNESCO Creative City of Music ernannt, was die Stadt und ihr Kulturangebot sicher positiv beinflussen kann. Dieses internationale Netzwerk umfasst Städte, die sich durch besondere kulturelle Angebote auszeichnen, sei es in Musik oder anderen Kunstformen. Für Bozen bedeutet diese Auszeichnung eine Anerkennung der lokalen Musikkultur und bietet eine gute Plattform für weitere Entwicklungen und für internationale Vernetzung. So etwas birgt auch viel Potenzial für unser Festival. Finanziell gesehen gibt es keine großen Zuschüsse, aber es ist eine Chance für die Stadtverwaltung und die Kulturveranstalter, enger zusammenzuarbeiten und neue Projekte zu initiieren. Bozen hat ja auch jenseits unseres Festivals viel zu bieten, zum Beispiel ein renommiertes Tanzfestival und natürlich den weltberühmten Busoni-Klavierwettbewerb. Zudem gibt es das Transart-Festival für zeitgenössische Kultur im Herbst. Für eine Stadt mit 100.000 Einwohnern ist das eine beeindruckende Vielfalt an kulturellen Veranstaltungen.

Wie gut ist die Unterstützung des Festivals durch öffentliche und private Sponsoren?

Wir sind recht gut aufgestellt, sowohl was die Finanzierung seitens öffentlicher Einrichtungen als auch privater Sponsoren angeht. Allerdings nimmt die Arbeit auch aufgrund der Bürokratisierung zu und wir könnten ein größeres Team gebrauchen – daran werden wir in den kommenden Jahren sicher auch arbeiten. Vieles hängt von freiwilligem Engagement ab, was zwar schön ist, aber auch seine Grenzen hat.

Findest du auch, dass man endlich groß denken muss in der Richtung, dass Jazzfestivals denselben Nimbus erreichen wie internationale Hochkulturevents?

Als Sozial-und Kulturanthropologe definiere ich ungern etwas als Hochkultur, aber ich verstehe, was du meinst. Ein Jazzfestival kann durchaus diesen Status erreichen, dennoch birgt das womöglich auch die Gefahr den eigenen Charakter zu verlieren. Groß denken ja, aber lieber qualitativ als quantitativ.

Alle Infos und das ausführliche Programm unter: www.suedtiroljazzfestival.com

Das Interview führte Stefan Pieper, Foto: Südtirol Festival Alto Adige

 

 

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