Als Jazzmusiker würde er sich heute nicht mehr bezeichnen, meint der in Erftstadt lebende Holzbläser Joachim Zoepf. Dabei hat der im Spessart aufgewachsene Musiker in diesem Genre seine ersten Meriten verdient – und als Mitglied der damals schwer angesagten Kölner Saxophon Mafia auch viele Erfolge gefeiert. Bald schon stieg er bei dieser Bande von Grenzgängern, humorvollen Musikanten und Freigeistern wieder aus und wandte sich mit Kooperationen in viele Regionen Europas dem freien Jazz bis hin zur Neuen Musik zu.
Von da aus entwickelte er sich immer mehr zur frei improvisierten Musik und einer eigenen Spielweise. Diese bezeichnet er als „Neue Improvisierte Musik, deren Ausdrucksmittel und Klangmöglichkeiten ich seit über zwanzig Jahren entwickle und erforsche.“ Mit dem zunehmenden Einfluss elektronischer Musik und Mittel hat er sich immer weiter vom (Free-)Jazz entfernt und eine eigenständige Spielpraxis herausgebildet. Wesentliches Stilmerkmal in seiner Soloarbeit ist der hohe Anteil geräuschhafter Elemente, die zum großen Teil durch unorthodoxe Handhabung seiner Instrumente, Überblasen, Veränderung des Ansatzes und andere Techniken erzeugt werden.
Lässt sich Adorno mit Free-Jazz versöhnen?
In den letzten zwei Jahrzehnten hat er mehrere Soloproduktionen eingespielt, die teils erst in letzter Zeit veröffentlicht worden sind. Die jüngste ist die CD „Nur das Unnütze ist von Dauer“, eine elektroakustische Komposition mit Text- und Musikzitaten unter anderem aus Theodor W. Adornos „Kultur und Verwaltung“ (1959). Ein Werk, das dazu anregt sich wieder mit dem Autor der Frankfurter Schule auseinanderzusetzen und über wellenartige und klangmalerische Musik zu sinnieren, die sich u.a. der Sprache Donald Ducks bedient. Im letzten Drittel kratzt, pluggert und schabt sich das bis zur Hälfte ziemlich anstrengende Stück durch die elektronische Müllstrasse, was ziemlich Spaß macht. Erschienen ist die CD 2022 in ökologisch feiner Kartonverpackung mit Schmirgelpapierklebung beim Klever NurNichtNur Label von Dieter Schlensog. Die Auflage ist limitiert auf einhundert Stück und der US-amerikanischen Komponistin und Elektronikpionierinnen Wendy Carlos (u.a. Switched-On Bach, 1968) gewidmet.
Knapp zwanzig Jahre zuvor ist auf dem gleichen Label „Produktion: Berserker“, verpackt in einer polierten Blechschachtel erschienen. Neben geräuschhaft fiependen und Klappen klappernden Klangstücken sticht darauf das stark rhythmisch geprägte „Old Hippies Don`t Die In Time If They Are Asked For“ durch seinen boshaften Humor und eine atemlose Schimpfkanonade besonders hervor. Elektronik spielt auf diesem mit Witz und Ironie aufgeladenen, spannenden Album nur eine untergeordnete Rolle. Bassklarinette und Sopransaxofon, teils mehrfach überlagert und zu atemlos groovenden, perkussiv wirbelnden Strukturen verknüpft, bilden das instrumentale Zentrum. Geräuschhaftes steht neben scheinbaren Naturlauten, heftige Saxofoneruptionen neben weit verstreuten Klanginseln, die im Echo- und Hallraum verschwinden, wie Licht in schwarzen Löchern. Mechanisch wirkende, rhythmische Strukturen und Verschiebungen in Tonhöhen lassen eine Magie des Endlichen entstehen.
Abenteuer im Doppelpack
Zwei weitere Alben sind die „Bagatellen“, ausschließlich mit dem virtuos eingesetzten Sopransaxofon und der Bassklarinette aufgenommen, und „Geschmacksarbeit“, das ohne Linernotes oder Erläuterungen auskommt. Floaten manch gedankliche und gefühlsmäßige Assoziationen bei der er-improvisierten „Geschmacksarbeit“ in Richtung eines Rumoren im Körperinneren, beginnen sie bei anderen der kurzen collageartigen Stücke einen imaginären Tanz. Die 14 „Bagatellen“ sind wunderbare Klang(er-)forschungen, mal poetisch zart, mal pikiert lärmend und schimpfend. Ein weiter musikalisch-klanglicher Kosmos, der immer neue Überraschungen und Wendungen bereithält und die gern abgetane Bagatelle zu eigener Größe und Bedeutung führt.
Joachim Zoepf, Bagatellen, 2014 (live aufgenommen in Karlsruhe und Erftstadt), Edition explico/explico 20 (limiert und nummeriert auf 100 Exemplare)
Geschmacksarbeit, 2018, NurNichtNur/Berslton 1180613 (100 Ex. nummeriert)
Produktion:Berserker, 2005, NurNichtNur/Berslton 1040820
Nur das Unnütze ist von Dauer, 2022, NurNichtNur/Berslton 1220526 (100 Ex. nummeriert)
Joachim Zoepf – sopransaxofon, bass-clarinet, electronics, effects
Text: Michael Scheiner Fotos: Joachim Zoepf