Weiche Klänge, sehnsuchtsvolle Melodie – Angela Avetisyan in Regensburg

Münchner Trompeterin Angela Avetisyan begeistert mit ihrem Quartett und einem „Eastern Sketchbook“

Regensburg: Patriarchale Diskussionen, ob Frauen Musik machen und bestimmte Instrumente spielen können, sind im letzten Jahrhundert sowohl in der Rockmusik, wie im Pop- und Jazzbereich geführt worden. Heute ist es um diese Fragen still geworden. Dennoch sind Musikerinnen, die als Leaderinnen eine eigene Band führen immer noch eher die Ausnahme als der Normalfall.

Für die Münchnerin Angela Avetisyan ist das kein Thema – und war es vermutlich auch nie. Nach Ausbildung und Musikstudium, die sie mit zwölf Jahren begann und bei Professor Claus Reichstaller an der Hochschule für Musik und Theater München mit Bravour abschloss, legte sie sofort mit ihrem ersten Quartett los.

Jetzt stellte die exzellente Trompeterin mit der aktuellen Besetzung ihr neues Album „The Eastern Sketchbook“ beim Jazzclub im Leeren Beutel vor. Entstanden ist es vor knapp zwei Jahren im Eigenverlag und folgt der konzeptionellen Idee einer musikalischen Reise Richtung Osten. Den leicht schaukelnden Start mit einem rhythmischen Trompetenmotiv zum „Breakfast in Damaskus“ kann man sich heute in Wirklichkeit kaum noch vorstellen, zu sehr steht auch die uralte malerische Stadt im Fokus des andauernden Bürgerkriegs in Syrien. Mit dem an einen Kamelritt erinnernden Rhythmus, lautmalerisch schön von Simon Popp mit Schlegeln auf seinem Schlagzeug in Szene gesetzt, wurden die Zuhörenden im voll besetzten Saal sogleich in eine arabisierende Stimmung versetzt.

Anklänge an die Folklore nah- und fernöstlicher Länder und Völker verwob Avetisyan mehrfach in ihren Kompositionen. Von Damaskus führte die Reise ohne große Umwege nach Armenien, dem Geburtsland der Musikerin. „Das klingt jetzt ein bisschen traurig“, meinte sie in ihrer Ansage, „wie alles in Armenien“. Einen besonderen Ausdruck fand ein neu arrangiertes Volkslied im Spiel der Duduk, hingebungsvoll geblasen von Misha Antonov, dem Pianisten der Band. Das Holzblasinstrument gilt als Nationalinstrument das Kaukasuslandes und hat einen dunklen, weichen Klang.

Eine weiche Tongebung, dynamisch sehr fein ausdifferenziert, bevorzugt auch die Bandleaderin in einigen ihrer Stücke. Aussagekräftige Titel wie „Melancholia I + II“ oder „Darkness“, bei dem auch das Bühnenlicht kurzzeitig abgeschaltet wurde, geben einen Eindruck von der in sich gekehrten Stimmung dieser Songs. Dabei erwies sich das Gespann Popp mit Maximilian Hirning am Bass als geradezu perfekt aufeinander abgestimmtes Rhythmusduo, das exzellent begleitet, aber auch eigene freie Akzente setzt. Zudem stellten beide in begleiteten Soli ihre unbändige musikalische Lust und technische Klasse selbstbewußt heraus.

Repetitive Motive, die an minimalistische Musik denken lassen und seit einigen Jahren bei jüngeren Pianisten tonangebend sind, prägen auch Antonovs kultiviertes Spiel auf dem Yamaha-Flügel. Seine stilistische Nähe zur sogenannten Neuen Klassik kehrte er in einem rhythmisch dominierten unbegleiteten Solo mit einer sehnsuchtsvollen Melodie hervor. Avetisyan machen ganz offensichtlich die schnelleren, mitreißenderen Stücke am meisten Spaß, ist sie doch ununterbrochen in Bewegung. Sie trippelt und tänzelt in hohen Stiefeln über die Bühne, wenn sie nicht gerade eine kraftvolle Melodielinie in den Raum schickt. Auch dabei bewegt sie sich mit einem Tonabnehmer, der an die Trompete angeklemmt ist, frei zwischen ihren Mitmusikern und dirigiert das ausgezeichnete Zusammenspiel mit Augenkontakt und knappen Bewegungen ihres Instrumentes. Ein rundum gelungenes Konzert, das begeisterte und nur mit Zugaben enden konnte.

Text und Fotos: Michael Scheiner

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