Das Konzert am 1. November 2023 war in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum Ersten war die Isarphilharmonie nahezu ausverkauft. Nur mit suchendem Blick in hintere Reihen konnte man noch ein paar leere Plätze entdecken. Die Erzählung, Jazz abseits der internationalen Superstars sei nicht mehrheitsfähig, wurde daher zumindest mit diesem Abend nonchalant widerlegt. Zweitens brachten Nils Landgren, Michael Wollny, Lars Danielsson und Wolfgang Haffner mit lachender Leichtigkeit gerne antagonistisch verstandene Lager zusammen. Viele ihrer Stücke hatten Wurzeln im Pop. Sie adaptierten Songs von Simon & Garfunkel, Elton John, Phil Collins und überführten sie in einen weiter gefassten Kontext, wo akustische Arrangements und improvisierende Variationen dem eigentlichen Ohrwurm andere Gestaltungsfacetten hinzufügten.
Raffinesse als Konzept
Das Quartett 4 Wheel Drive schaffte es aber vor allem, bei aller Zugänglichkeit die Komplexität nicht zu vergessen. Man erkannte zum Beispiel die Vorlage „Sound Of Silence“. Sie war aber zugleich eine feingliedrige, bis in die Nuance raffiniert balancierte Jazzballade, die dem Original weit mehr zutraute als die ursprüngliche Melancholie des songschreibenden Urbanitätsflüchtlings. Lars Danielssons Kontrabass wirkte über den Abend hinweg im Vergleich zu seinen eigenen Projekten klangfunktional ein wenig blass. Nils Landgren brillierte dafür vor allem als Posaunist durch seine famose Melodiestärke. Wolfgang Haffners Punch brachte außerdem zuweilen eine Prise Rock in die Musik. Es war aber vor allem Michael Wollnys stilperspektivische Weite, die das Programm aus dem Rahmen fallen ließ.
Auftakt mit Bravour
Das galt für eigene Kompositionen wie „Spring Dance“, die wie ein Energiebooster wirkten, aber auch für seine Fähigkeit, die strukturellen Grundlagen der bekannten Lieder hochvirtuos zu verlassen, ohne die Stücke damit zerstören. Denn Wollnys Klangwelt ist bei aller Komplexität konstruktiv und dieses Wechselspiel der Ansprüche gab 4 Wheel Drive die nötige kreative Ausdehnung, um nicht im Bekannten zu verweilen. So wurde der Tourneeauftakt des Quartetts mit viel Enthusiasmus gefeiert und die Beteiligten mussten im Anschluss daran noch lange am Merchandise-Stand signieren, bis alle Fans sich mit Musik im Ohr und Devotionalien unter dem Arm auf den Weg nach Hause gemacht hatten.
Text und Fotos: Ralf Dombrowski