Von Mathias Bäumel. Eine eierlegende Wollmilchsau – diese so grob daherkommende Formulierung ist in Wahrheit ein Lob für etwas, das alle wichtigen, zumindest wünschenswerten Eigenschaften zu einem Ideal oder einem unerreichbaren Komplett-Ding bündelt. Meist wird diese Formulierung verwendet, um die Unmöglichkeit der Existenz einer solchen Erscheinung zu verdeutlichen – umso bewundernswerter ist, wenn man von einer Sache lobend als eine „eierlegende Wollmilchsau“ spricht.
Wer die neu erschienene Musik des Quartetts ROWK auf Ronny Graupes eigenem Label Out oft he Shed gehört hat, bekommt eine Ahnung davon, wie eine „eierlegende Wollmilchsau“ klingen könnte: von allen interessanten Parametern zwischen Stille über Wucht und Zartheit bis zum lebenssprudelnden Inferno finden die Klänge – wild, aber wohldosiert – das rechte Maß von Mit- und Gegeneinander.
Extraklasse
Auch diesmal gilt: ein Musikerlebnis der Extraklasse. Und das kommt nicht von Ungefähr, es hat nicht nur mit Spiellust, sondern auch mit Arbeit zu tun. Ich weiß: Die Anfangsbuchstaben der Vornamen der Bandmitglieder ergeben, versteckt, den Namen des Quartetts – bei anderer Anordnung der Anfangsbuchstaben jedoch das Wort WORK, Arbeit. Und wenn schöpferische Arbeit erfolgreich sein soll, braucht es Souveränität im Umgang mit den Ideen und künstlerischen Elementen. Die vier Musikanten verfügen über eine solche Souveränität.
Zackig und zart
Zarte Melodiebögen, zackige, harte Floskeln in der Art von John Zorns Puzzle-Ästhetik (geprägt durch Oli Steidles Schlagzeugspiel), anschmeichelnde, betörende Sehnsuchtsmelodien, ruppige Punk-Klänge, rasende Gitarren-Linien (Kalle Kalima, Ronny Graupe), sanft hauchige Soli bis hin zu wild-kreischenden Saxofon-Improvisationen (Wanja Slavin) – eine Musik zum Atem-Anhalten! Und zum entfesselnden Aus- und Einatmen! Irre Musik aus Berlin! – Übrigens: Wer wissen will, wie die Musik der „eierlegenden Wollmilchsau“ visuell aussieht, schaue sich nur die treffende, faszinierende Gestaltung der CD-Hülle von Travassos an!
CD-Tipp:
ROWK: „ROWK“, Out of the Shed 02