Auch in seiner 31. Ausgabe erwies sich das „Outreach Festival“ im Tiroler Städtchen Schwaz als eines der ungewöhnlichsten Jazz-Festivals Europas. Das vom von hier stammenden Trompeter Franz Hackl – der freilich seit Jahrzehnten seinen Hauptwohnsitz in New York hat – gegründete und nach wie vor gemeinsam mit dem Bassisten Clemens Rofner geleitete Festival hat seit Jahren vieles von dem vorweggenommen, was heute im Festivalbetrieb groß im Schwange ist. Und hat beim Vorausdenken partiell immer noch die Nase vorn.
Vorn in Sachen Nachhaltigkeit
Seit jeher reisten hier viele Künstler nicht nur zu ihrem Konzert an, sondern für einen längeren Zeitraum. Schon wegen der dem Festival angeschlossenen „Academy“, einem großangelegten mehrwöchiges Unterrichtsprogramm mit internationalem Lehrkörper für alle Altersgruppen und Levels, das im restlichen Jahr auch online zur Verfügung steht. Oder beim interdiziplinären Ansatz. Wie seit langem gab es wieder einen „artist in residence“ aus der bildenden Kunst, diesmal der Tiroler Konzeptkünstler Ernst Caramelle, der lange in Karlsruhe, an der Frankfurter Städelschule und in New York lehrte, hier nun neben einer Ausstellung auch das Programmheft gestaltete und das eine oder andere Konzert – wir kommen gleich darauf – tanzend begleitete.
Oder beim experimentellen Mut, wie er sich unter anderem in den – nicht immer sinnvoll in Bezug stehenden – Textbeiträgen der Schauspielerin Antonia Moretti, im Echtzeit-Videokonferenz-Konzert mit bei den Salzburger Festspielen weilenden Kollegen oder im auf audio-visuellen Gedächtniskonzert für den verstorbenen Galeristen und langjährigen Festival-Freund Hans Unterlechner niederschlug. Schließlich auch, was das Storytelling angeht, wie man heute so gerne sagt. Outreach gibt sich auch schon seit langem ein Motto. Hackl packte da heuer gleich drei Themen ineinander: „Icons Of Unorthodoxy: Unified By Diversity – Unexpected Kindness“. Vielleicht ein bisschen viel auf einmal, doch nahm das musikalische Programm dies auf die eine oder andere Art immer auf.
Neuartige Präsentation
Was sich während Corona aus der Not ergeben hatte, dann als spannende Innovation erwies, hat Hackl beibehalten: Es gibt keinen konventionellen Ablauf mehrerer Konzerte, die drei Ensembles jedes Abends stehen im exzellenten Konzertsaal des SZentrums gleichzeitig auf der Bühne und spielen abwechselnd drei kurze Sets. Der früher eher stiefmütterlich beachtete erste Act hat seinen eigenen Raum bekommen, als über eine ganze Woche gestreute Schaufensterkonzerte in der Hackl’schen Trompetenmanufaktur in Hörweite auf der anderen Innseite. Dort hat damit gleichzeitig die junge Tiroler Szene ihre eigene Plattform bekommen.
Jede Medaille hat natürlich ihre zwei Seiten. Das Drei-Bands-auf-einer-Bühne-Format erzeugt im besten Fall überraschende Bögen und neue musikalische Bezüge. So wie am ersten Abend mit einer spannenden Reise von Wien über London in die USA. Wo die Wiener Sängerin Anja Obermeier alias Anja Om ihr Debütprogramm „Egocentric Vision“ – was schon im Format mit einem Damenchor alles andere als egozentrisch ist – präsentierte, das spannend, aber noch ausbaufähig ist: Vielleicht sollte sie sich noch mehr weg vom Instrumentalen uns solistischen trauen, mehr hin zu einen A-Cappella-Experimenten. Was jedenfalls interessant mit dem neuen Quartett der völlig zu Recht aufstrebenden Londoner Trompeterin Laura Jurd korrespondierte. Mit den bewährten Aktivposten der britischen Szene James Kitchman an der Gitarre, Tom Herbert am E-Bass und Corrie Dick am Schlagzeug ergab das ein im besten Sinne „fertiges“, mitreißendes, sehr englisches musikalisches Konzept. Wovon das Quartett des als Veranstalter („Inntöne“) und Mensch noch mehr als als Posaunist glänzenden Paul Zauner profitierte, das mit seinem eher konventionell amerikanischen Programm, veredelt immerhin durch den ehemaligen Stan-Getz-Schlagzeuger Victor Jones, hier als Ruhepol fungieren konnte.
Outreach-Orchestra und Allstar-Quartett
Kaum weniger abwechslungs- und doch beziehungsreich der zweite Abend mit dem dynamisch-überraschenden Sketchbook-Quartett des großartigen Saxofonisten Leonhard Skorupa aus Österreich, dem mit Recht bereits als neues junges Allstar-Truppe gefeierten Quartett des Pianisten Luca Zambito aus München und Hackls traditionell mitmischendem, international besetzten, und mit seiner Blechblas-Tiefton-Wucht begeisternden Outreach Orchestra.
Am dritten Abend freilich zeigte sich auch die andere Seite des Konzepts, wie sie auch von einigen Musiker nicht nur als ungewohnt, sondern belastend beschrieben wird. Die Auftritte des wie immer das Publikum mit seinem unwiderstehlichen Techno-Jazz abräumenden Leo Betzl Trios LBT, des momentan eher stagnierenden und neuen Schwung brauchenden Wiener Kulttrios Edi Nulz und des Streicher-betonten Worlds Beyond Orchestra des wie immer intelligente die Brücken zwischen Klassik und Jazz (wie zwischen Europa und den USA) beschreitenden Klarinettisten Daniel Schnyder ergänzten oder befruchteten sich nicht, sondern kamen sich eher in die Quere. Jedes für sich gewissermaßen suitenartiges, abgeschlossenes Projekt hätte die Langstrecke ohne Unterbrechung gebraucht.
Aber wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Hackl wird sicher neu justieren, weiter experimentieren und neue Horizonte anvisieren. Spannend ist und bleibt es in Schwaz allemal.
Text und Fotos: Oliver Hochkeppel
Warum steht ein Fanbericht in so einer Zeitschrift? Als LeserIn erfahre ich hier weder, was die Damen und Herren hier spielen (bis auf die eine vage Ausnahme „Techno-jazz“ noch warum def Schreibende so urteilt wie er urteilt! Bitte nehmt Musikkritik ernst! Im Sinne der Sache! Und der LeserInnen! Auch derer, die das Festival und die Musiker (noch) nicht kennen! Die wollen wir doch au h neugierig machen…
Danke!