Poetische Jazzsongs mit Humor und Tiefe

Konzert. Um ein Haar wäre der großartige Auftritt von Sängerin Efrat Alony Covid zum Opfer gefallen.

 

Regensburg. Nach außen schrill, nach innen poetisch, träumerisch und oft alles andere als geradlinig. Efrat Alonys Songs beschäftigen sich auf vielfältige Weise mit Eindrücken und ihrer Sicht auf die Welt um sie herum und damit, wie sie sich darin spiegelt. Da kräuseln sich Gedanken, Ignoranz wird als Glücksgefühl erlebt und „der süße Duft der Luft nach einem Regenschauer“ erfüllt sie mit Hoffnung.

Auf der Bühne, wie bei ihrem Konzert beim Jazzclub im Leeren Beutel, tritt die Sängerin und Komponistin extravagant gekleidet auf. Auf den ersten Blick wirkt sie damit ein wenig überkandidelt. Beginnt sie aber zu singen, rücken ihre blauen Schuhe mit den Haifischzähnen, die türkisfarbene Brille und der weite steife Rock, nach wenigen Momenten weit in den Hintergrund. Dann konzentriert man sich nur noch auf diese phänomenale Stimme, die im Laufe von zwei Stunden eine ganze Klangwelt zu erschaffen imstande ist.

Das Ausdrucksspektrum, mit dem Alony das Publikum ein ums andere Mal fasziniert und begeistert, ist riesig. Sie singt hoch und dünn wie ein Mädchen, springt mühelos in dunkle Tiefen, ironisiert, kiekst und verzerrt Töne. Sie brummt, greift mit ihrer Stimme nach einer Wolke und tanzt im Unisono mit dem Bass auf einer kleinen Melodielinie. Dabei modelliert sie die Gesangslinien und Texte nicht nur mit ihrem hochvariablen Stimmorgan. Vielmehr zeichnet sich jeder einzelne Ton auch im Gesicht und Körper der Künstlerin ab, sie formt die Songs mit ihrer Band zusammen wie ein Gesamtkunstwerk, um diesen oft in der Architektur verwendeten Begriff hier einmal ’nur‘ auf die Musik zu beziehen.

Neubesetzung in letzter Minute

Dabei wäre das Konzert um ein Haar ins Wasser gefallen, wie Alony nach dem ersten a cappella eingeleiteten Song mit gespieltem Schreck verkündet. Der Schlagzeuger Heinrich Köbberling, seit langem festes Mitglied ihrer Band, sei an Covid erkrankt. In praktisch letzter Minute habe Paul Hochstädter, Schlagzeuger in der Bigband des Hessischen Rundfunks und mehrere Jahre Mitglied beim Jazz Orchester Regensburg, zugesagt einzuspringen. Noch in der Nacht habe er sich die Musik Alonys „draufgeschafft – und die ist nicht leicht“, erzählt Bassist Henning Sieverts nach dem Konzert, und reiste am Konzerttag abends mit dem Zug an. Zwei Stunden vor Beginn habe die Band schließlich begonnen die Songs zu proben.

Was Hochstädter dann punktgenau in Timing, Dynamik und Betonungen abliefert, war bestes Profitum. Mit den Noten vor Augen, schlüpft er in jeden Song, als sei er schon länger darin gegangen. Zugute kommt ihm dabei auch, dass er mit Sieverts einen absolut sicheren Timekeeper und mit dem wunderbar wandlungsfähigen Gitarristen Frank Wingold zwei Gegenüber hat, die sich verläßlich auf ihn einstellen. Alony, die als Bandleaderin und Musikerin ganz genau weiß, was und wie sie etwas gestalten will, dämpft sein Spiel ab und an mit kleinen Handzeichen oder zeigt die Länge eines solistischen Beitrags an. Bei einem, offenbar in der Kürze der Zeit nicht geprobten Song, reicht sie ihm einfach ihre eigenen Noten hin, nach denen er paßgenau trommelt.

Mit prämierten Songs im Gepäck

Die Band stellt überwiegend Songs aus dem letzten, 2021 bei Neuklang erschienenen Album „Hollywood Isn’t Calling“ vor, für welches die in Berlin lebende Sängerin den Deutschen Jazzpreis als bestes Vokalalbum erhalten hat. Darin bringt sie, wie schon am ironischen Titel ablesbar, Humor mit emotionaler Tiefe, wortgewandter Poesie und gesellschaftspolitischen Statements zusammen. Heute gehört die Israelin zu den bedeutendsten Stimmen des deutschen und europäischen Jazz, in den sie auch Anklänge an Musik ihrer Heimat verwebt. Hat sie auch als Bandleaderin das Heft straff in der Hand, lässt sie ihren Musikern dennoch genügend Freiräume für ungemein packende Soli, wie Sieverts und Wingold mehrfach mit spielerischer Lust im leider nur mäßig besuchten Leeren Beutel demonstrieren.

 

Beitragsbild: Efrat Alony mit ihrer Band im Leeren Beutel in Regensburg. Foto: Michael Scheiner

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