Von Stefan Pieper • Der US amerikanische Trompeter Ralph Alessi stammt aus der Bay Area von San Francisco, studierte bei Charlie Haden und ist heute in der New Yorker Szene aktiv. Ebenso tritt er als engagierter Lehrender in Erscheinung, der sogar eine eigene Bildungsinstitution, die School for Improvisational Music in Brooklyn (NY) ins Leben gerufen hat. Mit dem Pianisten Florian Weber steht er in einer geradezu symbiotischen Beziehung. Als neue, bereichernde Komponente ist der Schlagzeuger Mark Ferber hinzugekommen, dessen spektakuläre Finesse und tiefes Verständnis für die Musik das aktuelle Trio des US-Trompeters komplettiert. Die Triobesetzung überwältige im Glasfoyer des Theater Krefeld auf Einladung des Jazzklub Krefeld.
Improvisation heißt, einen Moment aufzugreifen und diesen in etwas Neues, Großes zu verwandeln. Das gilt auch für eigentliche Makel: Einer der faszinierendsten Aspekte des Konzertabends mit diesem Weltklasse-Trio resultiert aus einer scheinbaren kleinen Klavierkatastrophe: Da haben die Saiten einer hohe Taste des Flügels kurzfristig ihre Stimmung verloren, was schon einmal passieren kann. Wo viele sofort das Konzert unterbrechen, den Veranstalter verklagen oder panisch nach einem Klavierstimmer rufen, bleibt Pianist Florian Weber völlig tiefenentspannt.
Den Moment in etwas Neues, Großes verwandeln
Mehr noch: Mit verspieltem Charme passt er seine Soli diesem Umstand an, indem er die „falsch“ klingende Taste eben nicht zu vermeiden versucht, sondern umso pointierter im Spielflow aufleuchten lässt. Das inspiriert wiederum Trompeter Ralph Alessi, der so ebenfalls Spaß am Spiel mit mikrotonalen Schwebungen bekommt. Das funktioniert so gut, dass man sich fragen kann, ob er vielleicht doch vorher den Flügel manipuliert hatte? Klares Nein, auf Anfrage nach dem Konzert! So werden Liveabende zu Unikaten. Die Interaktion des Ralph Alessi Trios ist vom ersten Moment an sensationell, voller Dichte und Reibung. Das verbindende Element zwischen den drei Musikern erschließt sich oft erst auf höherer Abstraktionsebene. Verblüffend ist auch, dass die Ideen zu den Stücken erstaunlich detailliert auskomponiert sind, darauf deuten die Notenblätter auf der Bühne hin.
Hypnotischer Konsens
Ralph Alessis ist der Spielmacher an seiner Trompete und die Kompositionen, die dahinter stehen, geben die Impulse. Spontan, fast beiläufig spielt er drauflos, aber schon in kurzen Tonfolgen brennt er gleißende Ideenfeuerwerke ab. Schlagzeuger Mark Ferber und der Pianist Florian Weber veredeln die Ideen, die ihnen zugespielt werden – und das wiederum produziert einen Konsens, der sich in jedem Stück aufs Neue hypnotisch steigert. Gerne überlässt Ralph Alessi das Feld seinen beiden Partnern, die sich dann mit riesiger Fantasie und rhythmisch spektakulären Interaktionen der Sache annehmen.
Keine Frage: Das ist komplexe Musik für Fortgeschrittene und dem Publikum im Glasfoyer gilt ein hohes Kompliment für die konzentrierte Zuhörleistung. Reich belohnt wird es dann auch nicht nur mit der Reise durch diese virtuose Wunderwelt, sondern auch mit einer hinreißend lyrischen Zugabe. Und ja: Das gewisse Etwas in diesem filigran lyrischen Abgesang zaubert wieder der merkwürdige Klang hervor, der sich wie aus einer fernen Märchenwelt einschleicht: der eine verstimmt-schwebende Klavierton.
Beitragsbild: Ralph Alessis Trio im Glasfoyer des Theater Krefeld auf Einladung des Jazzklub Krefeld – Ralph Alessis (t), Mark Ferber (d), Florian Weber (p) | Foto: Stefan Pieper
So sollten Jazzkonzerte sein, und so sollten Berichte darüber sein! Das macht mehr als Appetit auf eine Livebegegnung mit dem Trio, vielleicht mit nem Stimmschlüssel im Gepäck, als Trigger für neue Abenteuer.
Dem ersten Oscar Peterson Trio wird übrigens auch nachgesagt, daß sie sich gegenseitig aus Schabernack die Saiten verstimmt haben, um aus der Komfortzone im Konzert herauszukommen…