Klang-Farben von Tomeka Reid und Recursion-Kollektiv in der Stadtkirche Moers

(Von Stefan Pieper) Improvisor in Residence – dieses Arbeitsstipendium der Kulturstiftung NRW für eine Stadtmusikerin oder einen Stadtmusiker rund um das Moers-Festival ist seit seiner Einführung im Jahr 2008 zur Erfolgsstory geworden. Damit wechseln sich jedes Jahr aufs Neue die kreativen Farben ab, mit denen der Geist des Festivals immer wieder neu in die Stadtkultur hineinstrahlt. Ein großer Moment ist das alljährliche Übergabekonzert. Der aktuelle Wechsel erfolgte von der Chicagoer Cellistin Tomeka Reid zum „Recursion-Kollektiv“, wohinter sich die drei jungen Elektronik-Musiker Christopher Retz, Steven Koch und Jan Krause verbergen.

Das gemeinsame Miteinander in der Evangelischen Stadtkirche lief auf Verschmelzung für alle Sinne hinaus. Ein Streichinstrument, eine E-Gitarre und viel Elektronik plus eine konsequent auf die Spitze getriebene Lichtregie in einem Kirchenraum, der während dieser intensiven Stunde so funktionierte, als wäre er zu nichts anderem gebaut worden. Das konnte man zumindest imaginieren inmitten dieses synästhetischen Strudels aus Klang, Tönen, Farben, Frequenzen und Lichtimpulsen.

Tomeka Reid übergibt das Improvisor in Residence-Stipendium… (Foto: Stefan Pieper)

Tomeka Reid, die universelle amerikanische Cellistin, die zu diesem Anlass noch einmal aus Chicago nach Moers angereist kam, ging geschmeidig in diesem Setup auf. Ein fünfter Improvisator war der Lichtdesigner Valentin Brux, der hier einen ebenso wichtigen Part leistete.

Musik aus Klängen die den freien Raum erkunden

Es knarzt, zirpt, knattert, wabert, schwirrt, pulsiert und noch viel mehr. Dreidimensional und in einer Transparenz, welche erstaunliche Details offenlegt und in der Moerser Stadtkirche schon Grundlage für so manches Klangabenteuer war. Die drei Elektroniker beherrschen ihr Handwerk, daraus eine Dramaturgie zu bauen, von der sich Tomeka Reid mit ihren akustischen Interventionen auf dem Cello getragen fühlt. Ohnehin kann die Tonerzeugung dieses Instruments mit seinem ganzen Obertonreichtum jeder elektronischen Klangsynthese das Wasser reichen.

…an „Recursion“ – Steven Koch, Christopher Retz und Jan KrauseFoto: Tobias Müller

Musik braucht keine Tonabstände oder Notenwerte, sondern kann sich akustisch viel konkreter gebärden, wenn das ganze Hörspektrum und die Fantasie der Ausführenden zur Echtzeit-Partitur wird. Gespenstische Lichtfinger bahnen sich Wege durch den Trockeneisnebel. Die Decke des Raumes, mit ihrer Kuppel und einem filigranen Kronleuchter an der Spitze ist mal in rot, dann in tiefes blau getaucht. Farbtemperaturen, die sich mit den warmen und kühlen, weich wabernden oder brillant plastischen, archaischen und technischen Klängen vermengen, diese verstärken und mit geometrischen Figuren beantworten.

Die eine ging, die anderen kamen: Tomeke Reid und das Recursion-Kollektiv und ließen in der Evangelischen Stadtkirche Moers die Klänge mit Valentin Brux Farben verschmelzen

Mit „Recursion“, diesen drei jungen Stadtmusikern, die sich zum Teil noch im Studium befinden, setzen Festival-Leiter Tim Isfort und sein Kuratorinnen-Team einen sehr regionalen Akzent, da Christopher Retz, Steven Koch und Jan Krause alle aus Duisburg bzw. Moers selber kommen. Im zurückliegenden Jahr wurde nicht nur Moers, sondern ganz NRW, aber auch das Berliner Jazzfest zum Brennpunkt für die vielfältigen Aktivitäten einer der produktivsten amerikanischen Improvisationsmusiker*innen, der Cellistin Tomeka Reid.

Text und Fotos: Stefan Pieper

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