CD von Jens Düppe. CD von Jens Düppe.

Ego-d – Jens Düppe auf „Lebensweltreise“ – erstes Solo-Album des Schlagzeugers

Von Dietrich Schlegel. Es klingt keineswegs anmaßend oder gar snobistisch, wenn Jens Düppe im Gespräch beiläufig erwähnt, dass er auf seinen weltweiten Konzertreisen die Essay-Sammlung „Silence“ von John Cage im Gepäck mitführt, um sich von der Musikphilosophie und den Einsichten des in jeder Hinsicht alle Grenzen überschreitenden Zen-Buddhisten für seine eigenen Kompositionen  und Improvisationen inspirieren und seine eigene Weltsicht überprüfen und womöglich erweitern zu lassen. Der aus dem Schwäbischen stammende, seit langem in Köln heimische Schlagzeuger, Percussionist, Komponist, Bandleader, Klang-Erforscher, gilt als einer der einfallsreichsten Musiker im weiteren Bereich des zeitgenössischen Jazz mit offenen Grenzen zur Minimal Music.

Anima

Dabei geht er stets bedächtig vor, lässt vieles reifen. Für das erste Album unter eigenem Namen mit eigener Band (Anima, 2015) ließ er sich fast zwei Jahrzehnte Zeit, denn sie brauchte er mit seinen vielfältigen Engagements am Drumset mehrerer Big Bands und der fast unübersichtlichen Anzahl kleinerer Formationen der Kölner und rheinischen Jazzszene wie auch für seine ungewöhnlichen Kommunikationskonzerte etwa in einem „Geräusch-Café“. Nun hat er die Corona bedingte Zwangspause von Live-Auftritten genutzt, um sich den lang gehegten Wunsch einer Solo-Einspielung zu erfüllen.

Bild des Schlagzeugers Jens Düppe hinter seinem Schlagzeug. Foto: Mark-Steffen Göwecke
Foto: Mark-Steffen Göwecke

„The Beat“

Als eine Art Generalprobe könnte sein nur ein Jahr zuvor produziertes Album „The Beat“ verstanden werden, ausschließlich mit eigenen Kompositionen und solch programmatischen Titeln wie „living rhythm“, „zipping“, „bouncing“, „the chase“ und eingespielt mit seinem eigenen Quartett in der langjährig unveränderten Besetzung Frederik Köster (tp), Lars Duppler (p), Christian Ramond (b), Jens Düppe (drums and voice).

Das Album „The Beat“ war schon gedacht als eine Hommage an den ewigen Pulsschlag des Lebens, kondensiert in einem eigenen Gedicht, abgedruckt und  bewusst etwas verwirrend auf die Seiten des graphisch anspruchsvollen Cover verteilt. In dem nachfolgenden und hier vorzustellenden Solo-Album „ego_D“, so der enigmatische Titel von CD und LP, bündelt Düppe in zehn Kompositionen „30 Jahre konzentrierte Lebensweltreise in einer weltumfassenden Sprache: Musik“. Und Reise ist hier sowohl geographisch als auch philosophisch zu verstehen. Als sensibler Musiker in fremden Landen bleibt er stets offen für andere Lebensweisen, andere Musikkulturen vor allem, ja er saugt sie geradezu  auf und lässt sie in seine eigenen Kompositionen und Instrumentierungen einfließen.

Afrika, Vietnam, Südkorea, Japan

Mit dem Goethe-Institut hat Jens Düppe als musikalischer Botschafter Deutschlands die halbe Welt erkundet, überall Konzerte gegeben, oft mit einheimischen Musikern. In Ostafrika inspirierte ihn besonders die afrikanische Harfe Kora, der er das sechste Stück des Albums widmet.  Mit dem Luxemburger Vibraphonisten Pascal Schumacher erkundete er Vietnam, Südkorea, Japan. Wie mit Pascal verbindet Jens auch eine langjährige Zusammenarbeit mit seinem „seelenverwandten Musikerfreund“ Dimitar Bodurov, einem in den Niederlanden lebenden Pianisten, mit dem er seit fünfzehn Jahren in dessen Heimatland fährt, die komplexen Rhythmen der bulgarischen Volksmusik studiert und mit dortigen prominenten Musikern wie Theodosii Spassov, dem international angesagten Kaval-Virtuosen, etliche Konzerttourneen absolvierte. „Dance 2“, der vierte Titel  des Albums ist ein solch tanzbares „bulgarisches“  Stück im 11/8 Takt in Erinnerung an seine Freunde Bodurov und Spassov.

Balkan Folklore

Wie die Rhythmiker der balkanischen Folklore mit sparsamem Instrumentarium auskommen und dennoch erstaunliche Klänge und mitreißende Rhythmen erzeugen, so beschränkt sich Düppe auf seinem Solo-Album bewusst auf ein reduziertes Drumset, das er ergänzt durch überwiegend perkussiv eingesetztes Piano und nur sehr sparsam durch den Synthesizer, zur Erzeugung einer bestimmten Atmosphäre oder wenn er bestimmte Grundtöne länger halten möchte. So in „1000 Stars“, dem achten Titel des Albums, in dem Düppe seine seit früher Jugend bis heute anhaltende Neugier und ungestillte Sehnsucht nach „den Sternen“, nach der Unendlichkeit des Alls, musikalischen Ausdruck verleiht. Die komplexe Komposition wird durch die Mitwirkung der Soulsängerin Jocelyn B. Smith und ihre Interpretation von Düppes Song „1000 Stars“ zu einem besonderen Hörerlebnis.

Menschliche Stimme als Instrument

Noch in zwei weiteren Titeln bedient sich Düppe zusätzlich zu seinen Instrumenten der menschlichen Stimme. Gleich im Opener „The Drum“ lässt er den jungen Rapper Jabul aus der Kölner House-Music-Szene als native American Speaker sein oben erwähntes Gedicht „The Beat“, hier in „The Drum“ umbenannt, dynamisch mit seinem Schlagzeugspiel dialogisieren, und man wird sofort eingeführt in Düppes musikalische Welt:  „In the beginning there was the drum / in the beginning there was the beat / the beat of life / and when we grow / we follow its rhythm / a rhythm which pushes us further / which speeds up our life … and remains with us  /  for all our time.“

Das zweite Beispiel für den Einsatz von Stimme(n), im fünften Stück „Meditation“, zeigt Düppes lyrische Seite. Die eher melancholischen Verse in Paul Verlaines zeitlos schönem „Chanson D’Automne“ werden – und das macht einen besonderen Reiz aus – von zwei Interpreten rezitiert, die nicht französischer Herkunft sind, von der Italienerin Germana Olivieri und dem deutschen Musiker Sebastian Wagner.

Minimal Music

Düppes Liebe zur Minimal Music beweist er in „Dance 1“ und dem Schlussstück „A Million Miles From Home“, ersteres nur mit perkussivem Tastenspiel und Bass Drum,  letzteres instrumental etwas angereichert als Verbeugung  vor Steve Reich, Aphax Twin und Arvo Pärt – ein Beispiel für Düppes Auffassung von „music without borders“, dessen scheinbare Paradoxität zwischen Minimalismus und Expressivität sich erst nach intensiverem Zuhören auflöst. In „Birdsz“ huldigt Düppe der Freiheit generell – in der Natur, dem menschlichen Zusammenleben, dem freien Spiel in der Improvisierten Musik. „Silent Wave“ besteht aus nur zwei Akkorden, die in ständigem Wechsel beider Hände auf dem Schlagzeug oder dem Piano angeschlagen werden. Aber welche Hand spielt wann und was? Noch ein kleines Rätsel für aufmerksame Hörer. „Come With Me“, in Konzerten bewusst an den Schluss gesetzt, ist eine Ode an das Leben, die sich von einfach gesetzten Phrasen stetig steigert in ein gewaltiges Crescendo voll pulsierender Energie und Lebensfreude.

CD-Tipp

Jens Düppe: Ego-d
Enja & Yellowbird Records (Edel)

 

 

Der tägliche
JazzZeitung.de-Newsletter!

Tragen Sie sich ein, um täglich per Mail über Neuigkeiten von JazzZeitung.de informiert zu sein.

DSGVO-Abfrage

Wir senden keinen Spam! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.